Hype ist ein zweischneidiges Schwert. Er entsteht, wenn wir unsere Erwartungen an ein heiß ersehntes Spiel immer weiter hochschrauben. Erfüllt es diese, feiern wir die Erfahrung jahrelang. Bleibt es zurück, fühlen wir uns fast wie verraten. Genau so ging es mir mit Final Fantasy XV. Jahrelang wartete ich auf das „neue Versus XIII“, nur um am Ende mit gemischten Gefühlen zurückzubleiben.

Ironischerweise war Lost Soul Aside von eben diesem Final Fantasy XV inspiriert, samt vertrauter Zutaten: ein Protagonist mit perfekt sitzender Schwarzmode, seidig fallendem Haar und einem Arsenal an Waffen, die er mit cooler Eleganz schwingt. Klingt verdächtig vertraut, oder? 2016 veröffentlichte Yang Bing als Solo-Entwickler einen Trailer zu Lost Soul Aside. Der Clip ging viral: spektakuläre Kämpfe, stilvolle Optik und das alles von nur einer Person. Kurz darauf stand Sony auf der Matte, unterstützte das Projekt und holte es in das „China Hero Project“. Aus Yang Bings Vision wurde UltiZero Games und nach fast zehn Jahren Entwicklungszeit liegt nun endlich die Vollversion vor.

Das Spiel startet mit GLIMMER, einer Widerstandsgruppe gegen das Imperium Celestria. Protagonist Kaser kämpft Seite an Seite mit seiner Schwester Louisa, bis ein Angriff schiefgeht und er durch die Begegnung mit einem mysteriösen Drachen ungeahnte Kräfte erhält. Von da an begibt er sich auf die Reise, seine Schwester und vielleicht die Welt zu retten. Klingt solide? Vielleicht. Doch leider wirkt die Geschichte wie mit der heißen Nadel gestrickt. Übergänge zwischen Szenen sind abrupt, Figuren eindimensional, Dialoge hölzern und die englische Sprachausgabe bestenfalls durchwachsen. Selbst wenn das Worldbuilding Ansätze zeigt, fehlt es an Substanz. Nach den ersten Stunden war jeder Storybeat vorhersehbar und spätestens nach dem zehnten „Walk & Talk“ hatte ich kein Interesse mehr daran, was die Figuren zu sagen hatten.

Zum Glück glänzt Lost Soul Aside dort, wo es am meisten zählt: im Kampf. Das Action-RPG bietet ein dynamisches System mit vier Waffen, die sich jederzeit im laufenden Kombofluss wechseln lassen. Boden-, Luft- und Spezialangriffe gehen butterweich ineinander über. Selbst wer nicht alle Kniffe beherrscht, spürt sofort die Eleganz des Systems. Profis im Hack & Slash dürften hier richtig aufblühen. Das Progressionssystem setzt auf Skillpunkte statt Levelaufstiege. Neue Moves, Elementwaffen und Ausrüstungsaufsätze bringen Abwechslung. Besonders die Bosskämpfe sind Höhepunkte: mehrphasig, fordernd und oft spektakulär inszeniert. Perfektes Blocken oder Ausweichen wird belohnt, die Endanimationen nach einem Sieg sind ein echtes Highlight. Weniger gelungen sind jedoch die vielen Platforming-Passagen und Rätsel. Anfangs noch charmant, werden sie schnell eintönig und bremsen den Spielfluss unnötig aus.

Grafisch überzeugt Lost Soul Aside mit schicken Charakterdesigns und abwechslungsreichen Umgebungen, auch wenn nichts revolutionär wirkt. Auf der PS5 gab es nur leichte Performance-Probleme, doch die häufigen Hänger beim Autosave nervten enorm. Soundtrack und Boss-Themes sind stark, doch das Sounddesign enttäuscht. Schläge und Blocks klingen schwach, es fehlt an Wucht und Gewicht. Zusammen mit abrupt abgeschnittenen Musikstücken in Cutscenes wirkt das Gesamtpaket unfertig.

Lost Soul Aside ist ein Spiel voller Widersprüche: Die Kämpfe sind brillant, stylish und tief genug, um Veteranen lange zu beschäftigen. Doch Story, Figuren und Präsentation wirken halbgar, unfokussiert und unfertig. Wer eine packende Erzählung oder ein vollwertiges RPG erwartet, wird enttäuscht. Wer hingegen Lust auf intensives Hack & Slash hat und sich an schwacher Story nicht stört, könnte hier glücklich werden.
—— Hinweise & Disclaimer: ——
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