Als ich mich an Digimon Story: Time Stranger setzte, wusste ich ehrlich gesagt nicht so recht, was mich erwartet. Meine eigenen Berührungspunkte mit dem Digimon-Universum reichten zurück bis zur ersten Anime-Serie und dem Film von 2000, also eine Ewigkeit her. Zudem ist Time Stranger bereits der siebte Teil der Digimon Story-Reihe, was bei einem Neueinstieg zunächst einschüchtern kann. Doch schon nach wenigen Spielstunden waren alle Sorgen verflogen: Das Spiel empfängt Neulinge mit offenen Armen, ohne jemals belehrend oder unzugänglich zu wirken. Stattdessen gelingt es Bandai Namco, einen Einstieg zu schaffen, der sowohl Veteranen als auch völlige Neueinsteiger begeistert.

Zu Beginn schlüpft man in die Rolle eines Agenten der Organisation ADAMAS, der mysteriösen Anomalien auf den Grund gehen soll, die in der Welt Unruhe stiften. Berichte über unerklärliche Zerstörungen, seltsame Energiephänomene und angebliche Sichtungen von Monstern sorgen für Panik – und man selbst wird beauftragt, der Ursache auf den Grund zu gehen. Diese Prämisse wirkt zunächst vertraut, entfaltet sich jedoch schnell zu einer spannenden, groß angelegten Sci-Fi-Fantasy-Geschichte, in der es nicht nur um Technologie, sondern auch um Vertrauen, Freundschaft und das Band zwischen Mensch und Digimon geht.

Zu Beginn wählt man einen von zwei spielbaren Charakteren, den jeweils anderen übernimmt dann als Operator und Gesprächspartner im Verlauf der Geschichte. Der eigene Protagonist bleibt meist still, was manchem Spiel die Immersion rauben würde, doch Time Stranger umgeht das geschickt: Durch die starke Präsenz des Partners, die klugen Dialoge und die emotional gezeichneten Charaktere fühlt man sich nie außen vor. Das Spiel versteht es, Gemeinschaft zu inszenieren, und schafft es, selbst Nebenfiguren mit Leben zu füllen. Besonders beeindruckend ist, wie die Digimon selbst charakterisiert sind, nicht als Werkzeuge im Kampf, sondern als fühlende, denkende Wesen. Immer wieder suchen sie aktiv das Gespräch, fragen nach Rat oder teilen ihre Sorgen. Diese Interaktionen prägen ihre Persönlichkeitsentwicklung und eröffnen neue Fähigkeiten, ein kleines, aber brillantes System, das emotionale Bindung und spielmechanischen Fortschritt elegant verbindet.

Das Kampfsystem präsentiert sich als taktisch forderndes, visuell spektakuläres Highlight. Die Kämpfe basieren auf den bekannten Virus-, Daten- und Serum-Typen, ergänzt um Elementarattribute wie Feuer, Pflanze oder Wasser. Diese Vielschichtigkeit erfordert strategisches Denken, bleibt aber stets nachvollziehbar. Das Zusammenspiel der Typen ist nicht nur relevant für Schaden und Verteidigung, sondern auch für Kombos und Synergieeffekte. Unterstützt wird man dabei von seinem eigenen Agenten, der über ein Digitalgerät Zugriff auf mächtige Fähigkeiten erhält, Angriffe, Buffs, Heilung, Schilde. Das verleiht dem Spieler selbst eine aktive Rolle im Kampfgeschehen, statt nur Kommandos zu erteilen.

Neben der Haupthandlung bietet das Spiel mit dem „In-Between Theatre“ eine interessante, beinahe meditative Nebenwelt. Diese zeitlose Zwischenebene dient als Trainingsort, Händlerzone und Ruhepol zwischen den Missionen und ist zugleich ein mystischer Ort voller Rätsel und Charme. Hier kann man sich erholen, neue Items entdecken und Mini-Dungeons erkunden, ohne das Gefühl zu haben, Zeit zu verschwenden. Die Welt von Time Stranger ist farbenfroh, lebendig und erstaunlich detailreich. Ob futuristische Metropolen, dichte Wälder oder weitläufige Ozeane – jede Region strotzt vor Atmosphäre. Die grafische Leistung überzeugt dabei auf ganzer Linie: selbst in actionreichen Momenten bleibt das Spiel flüssig, was angesichts der Vielzahl an Charakteren und Effekten bemerkenswert ist. Besonders beeindruckend ist die Liebe zum Detail in den Umgebungen, man spürt förmlich die digitale Energie dieser Welt.

Ein Highlight für viele Spieler dürfte die Art und Weise sein, wie man Digimon gewinnt und weiterentwickelt. Statt Monster einfach zu „fangen“, sammelt man während der Kämpfe Datensätze über Gegner. Hat man genug Informationen gesammelt, lassen sich diese Daten in neue Partner umwandeln, je höher der Prozentsatz, desto stärker das Resultat. Das Digivolution-System wiederum bietet unzählige Pfade, manche sofort sichtbar, andere erst nach und nach freischaltbar. Diese Offenheit sorgt für echte Freiheit in der Teamentwicklung und macht jedes Digimon einzigartig. Besonders clever ist die Möglichkeit, Digimon zurückzuentwickeln, um alternative Evolutionslinien zu verfolgen, ein Feature, das experimentierfreudige Spieler lieben werden.

Kleinere Kritikpunkte gibt es dennoch: Die Geschichte, so spannend sie auch beginnt, bleibt in ihrer Tiefe etwas oberflächlich und lässt echte Überraschungsmomente vermissen. Davon abgesehen ist Digimon Story: Time Stranger ein beeindruckendes JRPG, das Herz, Struktur und Spielmechanik harmonisch vereint. Es ist zugänglich, emotional, strategisch und wunderschön gestaltet, ein Titel, der sowohl langjährige Fans als auch Genre-Neulinge willkommen heißt. Man spürt, dass das Entwicklerteam mit echter Leidenschaft gearbeitet hat.
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