Als The Outer Worlds 2019 erschien, war das eine dieser seltenen Überraschungen, die einen völlig kalt erwischen. Ich wusste, dass Obsidian ein starkes Studio ist, aber dieses Spiel schien seine Klasse noch einmal zu übertreffen. Mit deutlichen Fallout-Einflüssen, sowohl aus der New Vegas-Ära als auch aus den älteren Teilen, begeisterte The Outer Worlds durch seine brillante Mischung aus Entscheidungsfreiheit, Konsequenz und abgedrehtem Humor. Jetzt steht die Fortsetzung an, und die Frage liegt auf der Hand: Kann Obsidian dieses magische Gefühl noch einmal einfangen?

In The Outer Worlds 2 schlüpft man wieder in die Rolle eines gesichtslosen, formbaren Charakters, diesmal als Mitglied der Earth Directorate, der Beschützer der Menschheit im All. Schauplatz ist ein völlig neues Universum namens Arcadia, mit neuen Figuren, neuen Planeten und einer neuen Bedrohung. Wer den ersten Teil verpasst hat, kann beruhigt sein, denn die Geschichten sind weitgehend unabhängig voneinander. Lediglich kleine Verweise auf die alte Crew und einige augenzwinkernde Anekdoten über missglückte Kryoschlaf-Experimente lassen erahnen, woher das Spiel seine Wurzeln nimmt.

Die Handlung beginnt mit einer scheinbar klaren Mission: mysteriöse Risse im Raum-Zeit-Gefüge bedrohen die Galaxis, und die Diktatur des Protectorate hält das Universum ohnehin schon fest im Griff. Von den tropischen Stränden von Paradise Island über die eisigen Ebenen von Cloister bis hin zu den staubigen Grenzwelten Arcadias jagt man den Ursprüngen dieser Risse hinterher und versucht, eine drohende Katastrophe abzuwenden. Dabei entfaltet sich eine Geschichte, die mehr auf klassische Abenteuerstruktur setzt als auf moralische Dilemmata. Die großen Entscheidungen, die den ersten Teil so besonders gemacht haben, treten etwas in den Hintergrund. Es gibt zwar Momente, in denen das alte Obsidian-Feuer aufblitzt, etwa wenn man einen verrückten Wissenschaftler überredet, seine Labor-Explosion abzublasen, nur um ihn später als Toilettenputzer auf einer Raumstation wiederzutreffen, doch die wirklich tiefgreifenden Konsequenzen bleiben diesmal aus.

Trotzdem ist das Schreiben wieder erstklassig. Die Dialoge sprühen vor Charme und Sarkasmus, die Charaktere sind eigenwillig und sympathisch, und die Begleiter zählen zu den schrägsten, die Obsidian je geschaffen hat. Als Engländer freut man sich besonders über den wunderbar bissigen Humor, der von trockenen Einzeilern bis zu absurder Situationskomik reicht. Was The Outer Worlds 2 an narrativer Tiefe eingebüßt hat, gleicht es mit deutlich gesteigerter Größe und Vielfalt aus. Das Spiel ist erheblich umfangreicher, die vier Hauptplaneten unterscheiden sich stark voneinander und bieten neben der Hauptgeschichte zahllose Nebenquests, Geheimnisse und kleine Dungeon-artige Areale. Auch die beliebten Gefährtenmissionen feiern ihr Comeback und gehören wieder zu den Highlights.

Spielerisch wurde vieles verfeinert. Die Steuerung ist geschmeidiger, das Kampfsystem schneller, und dank einer ganzen Reihe neuer Waffen und Gadgets lässt sich der eigene Stil jederzeit anpassen. Besonders die neuen Schilde und Röntgengläser bringen taktische Abwechslung ins Gefecht. Auch das altbekannte Flaws-System kehrt zurück und sorgt für spannende Entscheidungen, wenn man bestimmte Schwächen bewusst akzeptiert, um Boni oder neue Fähigkeiten zu erhalten. Das RPG-Grundgerüst wurde ebenfalls überarbeitet. Die Fraktionen und Fertigkeiten wirken etwas verschlankt, was das Spiel zugänglicher macht, während die Perks dafür umso ausgefeilter sind. Egal ob man auf Parkour, Stealth oder brachiale Gewalt setzt, die neuen Perks lassen jede Spielweise richtig aufblühen. Besonders eindrucksvoll ist die Kombination bestimmter Fähigkeiten mit einzigartigen Waffen. Wer etwa den Ghost-Perk nutzt und mit der Schrotflinte „Last Whisper“ im Schatten agiert, kann Gegner in Sekundenschnelle lautlos eliminieren und mit dem passenden Gadget die Leichen gleich auflösen.

Trotz aller spielerischen Verbesserungen merkt man The Outer Worlds 2 an einigen Stellen seine altmodischen Wurzeln an. Die Kamera bleibt in Dialogen fest fixiert, der Protagonist ist weiterhin stumm, und die Animationen wirken gelegentlich steif. Begleiter blockieren noch immer Wege oder schubsen einen in Deckung, und die KI schwankt zwischen hilfreich und kopflos. Diese Momente erinnern daran, dass Obsidian technisch noch immer näher an Bethesda der 2000er ist als an modernen Open-World-Größen. Auf der positiven Seite verzichtet das Spiel weiterhin auf die lästige Überlastungsmechanik, was den Spielfluss deutlich verbessert. Das Inventarmanagement ist übersichtlich und lädt zum Experimentieren ein, statt den Fortschritt auszubremsen. Visuell schwankt The Outer Worlds 2 zwischen schlicht und spektakulär. Manche Umgebungen wirken leblos, andere beeindrucken mit gigantischen Sci-Fi-Bauten und leuchtenden Farben. Die Charaktermodelle sind detaillierter als im Vorgänger, aber die technische Basis wirkt insgesamt etwas betagt. Vielleicht ist das Teil des Charmes oder schlicht eine bewusste Entscheidung, um die Serie nicht zu überfrachten.

Am Ende bleibt ein rundes, spaßiges und angenehm altmodisches Rollenspiel, das seine Wurzeln ehrt, ohne sich komplett zu wiederholen. The Outer Worlds 2 ist größer, bunter und temporeicher, aber auch ein wenig weniger tief. Obsidian hat den Spagat zwischen Veränderung und Bewahrung gut gemeistert, auch wenn die Magie des ersten Teils nicht ganz wiederzuerwecken ist. Mit etwas mehr Mut zu echten Konsequenzen hätte das hier der perfekte Nachfolger werden können. So bleibt es ein sehr gutes, unterhaltsames Sci-Fi-RPG, das trotz kleiner Schwächen jede Menge Freude bereitet.

The Outer Worlds 2 ist eine gelungene Fortsetzung, die das Original respektiert, aber eigene Wege geht. Etwas weniger Seele, dafür mehr Tempo und Wucht, ein Spiel, das zeigt, dass Obsidian sein Handwerk versteht, auch wenn es diesmal nicht ganz den Blitz im Glas eingefangen hat.
——— Hinweise & Disclaimer: ———
Zur Erstellung dieses Reviews wurde uns vom Publisher ein unentgeltlicher Key für das Spiel zur Verfügung gestellt. Wir danken vielmals für die Unterstützung, weisen aber darauf hin, dass dieser Umstand keine Auswirkung auf unsere Bewertung hat!
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