„Date Everything“ ist seit wenigen Tagen erhältlich und markiert einen der wohl ungewöhnlichsten Releases dieses Jahres. In seinem Kern ist „Date Everything“ eine Visual Novel, verquirlt mit Dating-Sim-Mechaniken, einer kräftigen Portion absurdem Humor, wie man ihn vielleicht aus „Katamari Damacy“ oder auch „Undertale“ kennt. Doch unter der Oberfläche steckt mehr als ein charmantes Schrägspiel – es ist ein unterhaltsamer Trip durch Zeit, Bedeutung und die Liebe in all ihren Farben und Formen, ohne Grenzen. Was zunächst wie ein schriller Gag klingt, entpuppt sich als ein visuell charmantes, emotional vielschichtiges Dating-Sim-Erlebnis mit einer einzigartigen Prämisse und enormer erzählerischer Tiefe, die Genre-Anhänger und Neulinge gleichermaßen neugierig machen dürfte.
Schon in der Einleitung entfaltet sich die originelle Idee: Man spielt als arbeitsloser Protagonist, der von AI ersetzt wurde – bis ein mysteriöses Paket ankommt: eine Brille namens „Dateviator“, die „Directly Acknowledge a Thing’s Existence“ (D.A.T.E.) ermöglicht. Fortan erwachen Hausgegenstände, abstrakte Konzepte oder sogar Gefühle zum Leben und können gedatet werden. Das Spiel fühlt sich dabei wie eine evolutionäre Weiterentwicklung der Indie-Dating-Sim-Tradition an, mit experimentellem Herz und Meta-Humor, der gelegentlich an „Everything is Love“ erinnert, ohne je kopiert zu wirken.

Die Handlung kreist um dieses einfache Setting in einem einzigen Haus, das zur Spielwelt wird. Pro Tag kann man maximal fünf neue „Dateables“ – also Dinge, Gefühle oder Objekte – daten und Beziehungen aufbauen, die in Liebe, Freundschaft oder Hass münden. Jede Interaktion beeinflusst die eigenen Attribute wie Smarts, Charm, Empathy oder Sass und schaltet neue Dialogoptionen frei. Ziel ist es schließlich, alle 100 Dateables „realize“ zu lassen – das heißt, sie vom abstrakten Gegenstand zur menschlichen Gestalt werden zu lassen.

Die Charaktere sind eine wilde, aber liebevoll ausgearbeitete Mischung: von der störrischen Haustür Dorian, über das temperamentvolle Waschmaschinenpärchen Washford und Drysdale, bis hin zum omnipräsenten Gefühl der Existential Dread namens Doug. Manche sind einfach witzig, manche provokant, andere überraschend verletzlich – oft spiegeln sie moderne gesellschaftliche Phänomene oder Beziehungstypen wider. Das Ganze wirkt wie ein surrealer Spin von Persona, Hatoful Boyfriend oder Everything is Love – nur komplett jenseits menschlicher Normen.

Gameplay-technisch bleibt „Date Everything!“ zugänglich, aber keineswegs oberflächlich. Die meiste Zeit verbringt man mit Gesprächen: Wer will Freundschaft, Liebe oder doch Hass? Die Gespräche sind verzweigt, voller Wortwitz, Anspielungen und situativem Humor. Freunde oder Liebhaber:innen erhöhen nicht nur Beziehungspunkte, sondern bringen auch neue Story-Zweige, kleine Minispiele und exklusive Szenen. Wer den falschen Dialogpfad wählt, kann schnell in einen Hass-Pfad wechseln – das erschwert den späteren Abschluss des jeweiligen Charakters, obwohl man ihn mit speziellen Items wieder „retten“ kann.

Demgegenüber steht der Sandbox-Aspekt: Der gesamte Haushalt ist frei begehbar in 3D gestaltet, mit animierten Szenen in Schranktüren, Stromkästen oder unter dem Bett. Einige Storyetappen spielen in imaginären Orten wie dem „Breaker Box Club“ – einem Nachtclub hinter dem Sicherungskasten, komplett mit Cocktails und Talentshows. Die Balance aus lockerer Erkundung, Humor und ansatzweiser Puzzle-Mechanik erinnert indirekt an Undertale oder Katamari – ohne direkte Parallelen, aber mit vergleichbarer kreativer Freiheit.

Die Steuerung ist klassisch: Je nach Plattform bewegen wir uns per Maus oder Controller durch das Haus, haben eine Interaktionstaste für Objekte, es gibt die Dialogwahl per Cursor oder Button. Die Struktur pro Spieltag ist strikt limitiert auf fünf Dates – dadurch entsteht ein angenehm fokussierter Rhythmus, der an „Persona 5“ mit seinem Zeitplan erinnert, aber im Vergleich selbstverständlich deutlich reduziert ist. Der Schwierigkeitsgrad ist niedrig – niemand muss verzweifelt scheitern –, doch Entscheidungen fühlen sich oft bedeutsam an – nicht zuletzt, weil falsche Pfade verbaut sein können.
Visuell zeigt sich das Spiel als bunter Cartoon-Stil mit handgezeichneten Illustrationen (über 11.000 Assets) und rund 1,2 Millionen geschriebenen Wörtern. Jeder Charakter besitzt ein eigenes Voice Acting (insgesamt über 70.000 Sprachzeilen) und ein charakteristisches Artwork, was selbst einfache Objekte zum Leben erweckt. Bei der technischen Umsetzung liefert Unity auf PC sowie Konsolen stabile 60 FPS bei 1080p bis 4K – Performance ist durchweg solide, Ladezeiten minimal. Lediglich die Nintendo Switch-Version zeigt gelegentlich Ruckler und weicheres Bild, bleibt aber farbenfroh und charmant, auch im Handheld-Modus.

Der Soundtrack und die Vertonung sind herausragend: Reagiert in Visual Novels oft noch das geschriebene Wort und es wird auf eine Synchronisation verzichtet, wurde hier jedes Date aufwendig vertont. Bekannte Stimmen wie Felicia Day, Troy Baker, Laura Bailey, Neil Newbon, Ashly Burch, Emily Axford und viele mehr verleihen den Charakteren Persönlichkeit und Seele. Musikstücke begleiten einzelne Dateables und passen sich dem Beziehungsstatus an. Die Dialoge sind witzig, clever und oft emotional überraschend. Themen wie polyamore Beziehungen, Asexualität oder toxische Dynamiken werden nicht tabuisiert, sondern spielerisch und doch respektvoll behandelt.

Die Entwicklung dieses eigenwilligen Titels dauerte rund sieben Jahre und war wesentlich geprägt durch drei renommierte Voice Actor – Ray Chase, Robbie Daymond und Max Mittelman – welche das Studio Sassy Chap Games im Jahr 2018 gründeten. Ursprünglich war ein physisch-analytisches Spiel mit Escape-Room-Elementen angedacht, doch diese Linie verschwand zugunsten des heutigen offenen Sandbox-Konzepts. 2022 gewann man Team17 als Publisher, die Finanzierung erfolgte über Crowdfunding und private Förderung. Der enorme Script-Umfang und die Vielzahl an Charakteren sprechen für die ambitionierte Handschrift des Studios.

Zusammenfassend lässt sich sagen: „Date Everything!“ ist ein mutiger, experimenteller Liebes-Sim mit enormer emotionaler Bandbreite – absurd, berührend und oft urkomisch zugleich, da sich das Spiel selbst nicht wirklich ernst nimmt. Die Kombination aus scharfem Humor, überraschender Tiefe und hochwertigem Voice Acting macht es zu einem der originellsten Titel des Jahres 2025. Es ist absolut kein Must Play-Titel, aber für alle, die bereit sind, mit Staubsaugern zu flirten, Lampen zum Lachen zu bringen oder das Konzept von Existenzängsten zu umarmen, ist es ein echtes Highlight. Wenn du auch nur ansatzweise neugierig bist, wie es ist, eine Beziehung mit deinem Rauchmelder oder Existenzstörung einzugehen – probiert es aus!
Entwickler: Sassy Chap Games
Publisher: Team17
Erhältlich auf: PC, PS5, Xbox Series X/S, Nintendo Switch
Getestet auf: PS5
NB@30.07.2025
——— Hinweise & Disclaimer: ———
Zur Erstellung dieses Reviews wurde uns vom Publisher ein unentgeltlicher Key für das Spiel zur Verfügung gestellt. Wir danken vielmals für die Unterstützung, weisen aber darauf hin, dass dieser Umstand keine Auswirkung auf unsere Bewertung hat!
Wenn euch der Beitrag gefallen hat würde ich mich natürlich über eure Likes, Retweets, Abos oder auch Feedback freuen. Gleiches trifft aber auch zu, wenn ich eurer Meinung nach etwas hätte besser machen können. Konstruktive Kritik hilft bekanntlich nur, wenn man sie auch bekommt, also lasst es mich einfach wissen.
Die verwendeten Bilder und/oder Screenshots wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Autor selbst auf der Review-Plattform erstellt und dienen zur Unterstützung des Berichtes. Das Copyright an der dargestellten Sache, bzw. dem Spiel bleibt davon selbstverständlich unberührt.


Hinterlasse einen Kommentar