Mit Anno 117: Pax Romana führt Ubisoft die traditionsreiche Aufbaureihe in die Ära des Römischen Reichs und bringt sie erstmals zum Release auch auf die PlayStation 5. Nach dem Erfolg von Anno 1800 steht das neue Kapitel vor einer doppelten Herausforderung: Es soll das vertraute Spielgefühl bewahren und gleichzeitig zeigen, dass komplexe Strategiespiele auch auf der Konsole funktionieren können. Ich habe die PS5-Version getestet, sowohl mit dem DualSense-Controller als auch mit Tastatur und Maus, und kam zu einem gemischten, aber insgesamt positiven Fazit.
Das Spiel versetzt uns in das Jahr 117 nach Christus, in die Zeit des sogenannten Pax Romana, der jahrzehntelangen Friedensperiode unter Kaiser Trajan. Historisch wie atmosphärisch ist das Setting hervorragend gewählt: Marmorne Villen ersetzen Fabrikhallen, Legionäre marschieren anstelle von Arbeitern, und Amphoren, Wein und Garum treten an die Stelle von Maschinen, Kohle und Stahl. Doch so groß der Zeitsprung auch klingt – spielerisch fühlt sich Anno 117 fast wie eine direkte Fortsetzung von Anno 1800 an. Aufbau, Wirtschaft, Bevölkerungsmanagement und Produktionsketten folgen denselben Prinzipien. Wer das Vorgängerspiel liebt, wird sich sofort zurechtfinden. Allerdings bedeutet das auch, dass Anno 117 sich eher wie ein riesiges thematisches Add-on anfühlt als wie ein echtes Sequel.

Der grundlegende Spielfluss bleibt unverändert und nach wie vor faszinierend. Man beginnt mit einfachen Siedlern, deren Bedürfnisse stetig wachsen, je weiter man aufsteigt. Jede höhere Gesellschaftsschicht verlangt neue Waren und Dienstleistungen, wodurch das Wirtschaftssystem zunehmend komplexer wird. Die Balance zwischen Ressourcen, Produktion und Handel bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Früher oder später stößt man auf die klassische Anno-Herausforderung: Die Heimatinsel liefert nicht alle Rohstoffe, also müssen neue Gebiete erschlossen oder Handelsrouten aufgebaut werden. Diese bewährte Dynamik ist nach wie vor unglaublich motivierend und macht auch in der römischen Variante großen Spaß.
Die PS5-Version bietet sowohl eine Kampagne mit erzählerischem Rahmen als auch den beliebten Endlosmodus. Letzterer lässt Spieler zwischen zwei Welten wählen: Latium als einsteigerfreundliche Karte und Albion, das durch seine sumpfigen Regionen und aggressiveren Nachbarn deutlich fordernder ist. Dazu kommen verschiedene Schwierigkeitsgrade und natürlich ein Mehrspielermodus, in dem man wahlweise kooperativ oder kompetitiv mit Freunden antreten kann. Für Einsteiger ist das ein enormes Paket, das viele Stunden Spielzeit bietet, bevor Routine einsetzt.

Technisch ist die Konsolenversion solide, aber nicht frei von Problemen. Mit dem DualSense-Controller zu spielen, ist zwar möglich, aber alles andere als ideal. Die Steuerung wirkt behäbig und unpräzise, und die Benutzeroberfläche ist zu dicht belegt, um wirklich komfortabel zu sein. Das ist kein exklusives Problem von Anno, sondern betrifft viele komplexe Strategiespiele auf Konsolen. Die gute Nachricht ist jedoch: Anno 117 unterstützt auf der PS5 Tastatur und Maus vollständig. Sobald beide Geräte eingesteckt sind, wechselt das Spiel automatisch in den entsprechenden Steuerungsmodus. Damit spielt es sich deutlich angenehmer, präziser und vertrauter – allerdings ist diese Variante natürlich eher für Schreibtisch-Setups geeignet als für den gemütlichen Platz auf der Couch.

Grafisch präsentiert sich die PS5-Version solide, aber nicht spektakulär. Die Detailtiefe und Texturen entsprechen in etwa der PC-Version auf niedriger Einstellung. Figurenmodelle laden teilweise mit Verzögerung, und Menüanimationen wirken stellenweise unsauber oder verpixelt. Auch kleinere technische Fehler trüben den Gesamteindruck: Eingefrorene UI-Elemente, wiederkehrende Tutorial-Hinweise oder Symbole, die sich nicht entfernen lassen, tauchen regelmäßig auf und erfordern oft einen Neustart des Spiels. Ubisoft hat zwar einige dieser Probleme bereits mit Patches adressiert, doch nicht alle Kinderkrankheiten sind verschwunden.

Positiv hervorzuheben ist die Performance. Das Spiel läuft weitgehend stabil bei 60 Bildern pro Sekunde, selbst in größeren Städten oder während komplexer Handelsrouten. Außerdem bietet die PS5-Version ungewöhnlich großzügigen Speicherplatz für Savegames – über ein Gigabyte steht zur Verfügung, was bei einem Aufbauspiel mit unzähligen Zwischenständen ein echter Segen ist.
Inhaltlich liefert die Kampagne klassische Anno-Kost: eine Abfolge von Aufgaben, die als lose Erzählung um den Aufbau römischer Provinzen dienen. Die Zwischensequenzen sind ansprechend inszeniert, doch manche Missionsziele wirken unausgegoren. Beispielsweise wird man an einer Stelle angewiesen, große Mengen an Fischsoße zu produzieren, obwohl das Ziel nur eine kleine Lieferung verlangt, eine Diskrepanz, die Ressourcenverschwendung fördert statt kluge Planung zu belohnen. Solche kleinen Logiklücken sind selten gravierend, wirken aber irritierend im ansonsten durchdachten Spielfluss. Letztlich bietet Anno 117: Pax Romana die gleiche fesselnde Mischung aus Planung, Wirtschaft und Aufbau, die die Reihe seit jeher auszeichnet. Das Spielprinzip ist nach wie vor hervorragend und zeitlos, doch echte Innovation sucht man vergeblich. Für Neulinge ist das kein Problem, für Veteranen fühlt es sich allerdings mehr nach einem neuen Anstrich als nach einem neuen Kapitel an.

Anno 117: Pax Romana ist ein gutes Spiel, aber kein großer Wurf. Es fesselt mit der altbewährten Anno-Formel und einem stimmungsvollen römischen Setting, bleibt aber zu nah an Anno 1800, um wirklich frisch zu wirken. Auf der PS5 ist es technisch solide, leidet jedoch unter schwacher Controller-Steuerung, vereinzelten Bugs und einer nur mäßig optimierten Benutzeroberfläche. Wer mit Maus und Tastatur spielt, erhält ein vollwertiges Anno-Erlebnis, doch PC-Spieler bleiben nach wie vor im Vorteil. Für Strategiefans ohne PC ist es trotzdem ein lohnender Einstieg in eine der besten Aufbaureihen überhaupt.
——— Hinweise & Disclaimer: ———
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