Mit dem unscheinbaren Namen „A Pizza Delivery“ ist gerade ein Spiel erschienen, das wahrscheinlich viele nicht auf dem Radar haben, aber das sich durchaus zum Kultspiel à la „Journey“ entwickeln könnte… Es handelt sich um ein narrativ getriebenes Adventure- bzw. Erkundungsspiel mit Puzzle-Elementen, das weniger auf hektische Action setzt, sondern mehr auf Atmosphäre, Reflexion und eine surreale Welt.
Die Geschichte führt uns in die Rolle von B, einer Pizzalieferantin, die ihre letzte Bestellung des Tages ausfahren muss – oder zumindest glaubt, es sei eine ganz gewöhnliche Auslieferung. Doch schon bald offenbart sich, dass die Fahrt weit mehr ist als ein simpler Job: B bewegt sich durch eine traumartige, veränderliche Welt – ein Zwischenreich oder „Nicht-Ort“, in dem Menschen hängen geblieben sind, voller Sehnsucht, Bedauern und Instabilität.

B wird von ihrem Roller begleitet, steuert durch Landschaften, die mal idyllisch wirken, dann wieder beklemmend und surreal: eine überflutete Wohnung, eine verlassene Stadt, Küstenabschnitte unter seltsamem Himmel. Unterwegs trifft sie auf eine Reihe von skurrilen, melancholischen Charakteren – Menschen, die in diesem Zwischenraum leben, jeder mit eigenen Träumen, Ängsten und Regrets. Durch das Angebot, ein Stück Pizza zu teilen, entsteht ein Dialog, eine Verbindung – und so erhebt das simple Mittel des Pizzateilens symbolisch Gewicht.

Der Ton ist nostalgisch-traurig zugleich: Man erinnert sich an Spiele wie „Journey“ oder filmische Momentaufnahmen wie in „Waking Life“ – das Gefühl, irgendwo zwischen Traum und Erinnerung unterwegs zu sein. Der Konflikt besteht weniger im klassischen Gut-gegen-Böse, sondern im inneren Stillstand, in der Suche nach Anschluss, im Fortschritt trotz Stillstand – Bs letzte Auslieferung wird zur Reise ins eigene Innenleben und in die Geschichten anderer. Die Welt-Darstellung ist bewusst fragmentiert, wechselhaft: Türen führen nicht, wohin man erwartet; Wege enden plötzlich; Zeiten und Orte vermischen sich. Das erzeugt eine melancholische Stimmung von „Hätte ich doch…“, „Wenn ich nur weitergefahren wäre…“. Das Spiel lebt von diesem Gefühl des schwebenden Übergangs, des Nicht-Ganz-Ankommens.

Das Gameplay des Spiels konzentriert sich auf ruhige Erkundung, kleine Rätsel und Gespräche mit Charakteren – kein hektischer Shooter, kein Open-World-Triple-A. Der Spieler steuert B auf ihrem Roller durch die Szenerie, erforscht Areale, stößt auf Hindernisse, muss Hebel aktivieren, Türen öffnen oder das Teilen der Pizza als Mechanik nutzen: trägt man die Pizza mit sich, kann man diese nicht in enge Gänge quetschen; lässt man sie zu lange im Regen stehen, wird sie unbrauchbar – solche kleinen Feinheiten geben dem Erlebnis Substanz.

Die Steuerung ist einfach: man fährt, lenkt den Roller, wechselt gelegentlich zwischen zu Fuß erkunden und ausliefern. Ein kleiner Kritikpunkt: Die Lenkung des Rollers fühlt sich stellenweise etwas schwammig an, was manche als störend empfanden. Das Level-Design ist episodisch: man fährt von Abschnitt zu Abschnitt, jeder Teilbereich hat eigene Charaktere und eine eigene Stimmung. Die Rätsel sind überschaubar, viele davon optional – man kann das Stück Pizza nicht unbedingt an alle Charaktere geben und trotzdem das Ende erreichen. Das sorgt für eine gewisse Leichtigkeit, aber auch dafür, dass das Erlebnis relativ kurz bleibt – etwa ein bis zwei Stunden.

Grafisch präsentiert sich das Spiel mit stilisierten 3D-Umgebungen, teils märchenhaft überhöht, teils betont leer und instabil. Die Farbpalette wechselt je nach Abschnitt: mal sanftes Abendlicht, mal düstere Industrieanlagen, mal naturhafte Brüche mit künstlichem Himmel. Das Spiel vermittelt eine wunderschöne, surreale Welt, die von Licht und Leere gleichermaßen lebt. Auf der PS5 läuft das Spiel flüssig und stabil – die Unterschiede zwischen den Plattformen sind gering. Auf dem PC können Spieler höhere Auflösungen und stabile 60 fps erwarten, während auf Konsolen 30 fps oder leicht reduzierte Details möglich sind.

Entwickelt wurde „A Pizza Delivery“ vom Indie-Schöpfer Eric Osuna und veröffentlicht durch Dolores Entertainment. Es ist Osunas Debüt-Titel und zeigt das Potenzial eines kleinen, künstlerisch orientierten Projekts. Der Kontext: ein Indie-Spiel, das weniger auf Kommerz, sondern auf Stil, Atmosphäre und persönliche Note setzt. Es reiht sich ein in die Bewegung moderner Narrative-Adventures, bei denen weniger das „Was“ als vielmehr das „Wie“ zählt. Spieler, die „Journey“, „Firewatch“ oder „Kentucky Route Zero“ lieben, finden hier eine ähnliche künstlerische Seele.

„A Pizza Delivery“ ist kein langes Blockbuster-Spiel mit hunderten Stunden Inhalt, sondern eine kurze, atmosphärisch dichte Expedition durch eine surreale Welt, getragen von Stimmung, visueller und narrativer Eleganz und kleinen menschlichen Begegnungen. Wer auf schnelle Action oder komplexe Spielmechaniken steht, wird hier möglicherweise enttäuscht sein – für alle anderen, die sich auf ein kleines Abenteuer mit Seele einlassen möchten, ist es eine lohnende Reise. Besonders empfehlenswert ist das Spiel für Menschen, die Narrative und Erkundung schätzen, die gerne innehalten, zuhören und zwischen den Zeilen lesen. Es ist ein Spiel, das man nicht „durchspielt“, sondern erlebt. Für Indie-Fans, narrative Spieler und all jene, die atmosphärische Erlebnisse suchen, ist es eine klare Empfehlung. Manchmal ist der Weg eben wichtiger als das Ziel.
Entwickler: Eric Osuna
Publisher: Dolores Entertainment
Erhältlich auf: PC, PS5, Xbox Series X/S
Getestet auf: PS5
NB@12.11.2025
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