Ein Genre, das heute nahezu in Vergessenheit geraten ist, ist der 2D-Run-and-Gun-Shooter. Umso schöner, dass Zenovia Interactive und Retroware sich an die Wiederbelebung gewagt haben. In bester Retro-Manier mischt das Spiel Side-Scrolling-Action mit Galerie-Shooter-Elementen – ganz so, als würde man „Contra“, „Gunstar Heroes“ und „Wild Guns“ gleichzeitig spielen…

Die Handlung des Spiels entführt uns in ein düsteres New York des Jahres 2055, eine Stadt im Würgegriff krimineller Syndikate und korrupter Polizeistrukturen. Vier der sechs Bezirke werden von rivalisierenden Verbrecherorganisationen beherrscht, und selbst die NYPD ist längst nicht mehr die Instanz der Gerechtigkeit, sondern ein Teil des Chaos. Im Zentrum steht die aufstrebende „Family“, ein Zusammenschluss mafiöser Gruppen, die ihren Platz unter den Verbrecherclans behaupten wollen.

Als Spieler schlüpft man in die Rollen von Angelo Morano oder Mariana Vitti, zwei Auftragskillern mit sehr unterschiedlichen Hintergründen. Angelo wurde als Waisenkind von Don Venatori aufgenommen, sein Leben geprägt von Loyalität, Schuld und dem unerreichbaren Wunsch nach dem Ausstieg aus einem Milieu, in dem es keine Gnade gibt. Mariana hingegen stammt aus einer wohlhabenden Familie, rutschte in die Kleinkriminalität ab und fand später in der Family den Nervenkitzel, den sie suchte. Gemeinsam stehen sie im Zentrum eines Machtkampfs, der sich gegen korrupte Polizisten, gegnerische Syndikate und die eigenen Dämonen richtet. Die Ästhetik erinnert stark an 80er-Jahre-Neon-Noir: ein Hauch „Blade Runner“, etwas „Scarface“, alles in leuchtend stylisierter Pixel-Optik.

Beim Gameplay schlägt das Spiel eine Brücke zwischen klassischer Retro-Action und modernen Impulsen. Es kombiniert das schnelle Run and Gun der alten Side-Scroller mit den „Zielen auf mehreren Ebenen“-Mechaniken eines Galerie-Shooters. Gegner greifen aus Vorder- und Hintergrund an, wodurch man kontinuierlich zwischen den Ebenen wechselt – ein Prinzip, das an „Wild Guns“ erinnert, aber gleichzeitig das dynamische Tempo anderer Genre-Vertreter beibehält. Eine zentrale Mechanik ist die Bullet Time, mit der sich Projektile nicht nur verlangsamen, sondern auch gezielt zurücklenken lassen. Dies erzeugt spektakuläre Momente, in denen ein feindlicher Schuss im Zeitlupentempo umgelenkt wird und einen Boss mitten in seiner Angriffskombo trifft. Ergänzt wird das Gameplay durch freischaltbare Upgrades, die Waffen stärken, neue Fähigkeiten freischalten und die Spielweisen anpassen.

Neben einem Story-Modus gibt es mehrere Schwierigkeitsgrade sowie einen gnadenlosen Arcade-Modus, der nur ein einziges Leben zulässt und damit beim ein oder andere Erinnerungen an die Arcade wecken mag. Das Level-Design zeigt abwechslungsreiche Settings: die chaotischen Straßen der Bronx, die überfüllten Tech-Märkte Brooklyns oder die strahlenden Hochhausgärten Manhattans. Bosskämpfe bestehen aus mehreren Phasen, oft mit überraschenden Angriffsmustern. Die Steuerung ist präzise, nicht überladen, aber mit genügend Tiefe für Veteranen.

Grafisch setzt das Spiel auf opulente 32-Bit-Pixel-Art, reich an Details und mit beeindruckender Farbpalette. Die neonbeleuchteten Straßenschluchten, brennenden Gebäude und futuristischen Märkte erzeugen ein lebendiges, fast filmisches Bild. Figuren und Gegner sind hervorragend animiert, besonders die Effekte während der Bullet Time stechen hervor. Auf den aktuellen Konsolen läuft das Spiel flüssig, mit stabilen Bildraten und hoher Auflösung. Selbst in massiven Schussgefechten bricht die Performance nicht ein. Auf der Nintendo Switch fällt die Auflösung zwar im direkten Vergleich etwas niedriger aus, bleibt aber auch dort stabil und sauber.

Der Soundtrack unterstreicht die Atmosphäre perfekt: Synthwave-Beats, treibende elektronische Rhythmen und dystopische Klangteppiche. Der Komponist Gonzalo Varela liefert hier einen Sound, der gleichermaßen nostalgisch wie modern klingt. Die Soundeffekte sind klar, druckvoll und geben jeder Waffe ein eigenes Gewicht.

Hinter dem Projekt steht Zenovia Interactive, ein kleines Indie-Studio, das sich auf Retro-Action spezialisiert hat. Ihr bisher größter Erfolg war „Steel Assault„, ein Titel, der für sein schnelles Gameplay und seine hochwertige Pixel-Art bekannt ist. Retroware, die auch hinter dem jüngst veröffentlichten „AVGN 8-Bit“ stecken, übernimmt die Rolle des Publishers und bringt das Spiel in die internationale Distribution. Die Entwicklung von Neon Inferno zog Künstlerinnen, Pixel-Illustratoren und Sounddesigner aus verschiedenen Ländern an. Die Figurengestaltung, an der unter anderem Tsukasa Jun beteiligt war, trägt maßgeblich zur unverwechselbaren Optik bei. Der Creative Director betonte vor Veröffentlichung mehrfach, dass man dem Spiel zusätzliche Politur, Balance-Anpassungen und Feinschliff zukommen ließ, was sich im Endprodukt sichtbar bemerkbar macht.

Insgesamt ist „Neon Inferno“ ein packendes Retro-Erlebnis, das auf den ersten Blick nostalgisch wirkt, aber im Detail viele moderne Ideen integriert. Es bietet rasantes Gameplay, starke Stilistik, fesselnde Musik und eine überraschend dichte Geschichte. Die Mischung aus klassischem Run-and-Gun und erweiterten Galerie-Mechaniken schafft ein eigenständiges Spielerlebnis, das Fans alter Pixel-Shooter genauso anspricht wie moderne Spieler, die ein intensives Actionspiel suchen. Wer neonfarbene Cyberpunk-Welten liebt oder einfach wieder ein Spiel mit dem Flair früherer Spielhallen erleben möchte, sollte das Spiel unbedingt im Blick behalten.
Entwickler: Zenovia Interactive
Publisher: Retroware
Erhältlich auf: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, Nintendo Switch
Getestet auf: Xbox Series X
NB@31.12.2025
——— Hinweise & Disclaimer: ———
Zur Erstellung dieses Reviews wurde uns vom Publisher ein unentgeltlicher Key für das Spiel zur Verfügung gestellt. Wir danken vielmals für die Unterstützung, weisen aber darauf hin, dass dieser Umstand keine Auswirkung auf unsere Bewertung hat!
Wenn euch der Beitrag gefallen hat würde ich mich natürlich über eure Likes, Retweets, Abos oder auch Feedback freuen. Gleiches trifft aber auch zu, wenn ich eurer Meinung nach etwas hätte besser machen können. Konstruktive Kritik hilft bekanntlich nur, wenn man sie auch bekommt, also lasst es mich einfach wissen.
Die verwendeten Bilder und/oder Screenshots wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Autor selbst auf der Review-Plattform erstellt und dienen zur Unterstützung des Berichtes. Das Copyright an der dargestellten Sache, bzw. dem Spiel bleibt davon selbstverständlich unberührt.


Hinterlasse einen Kommentar