Switch Review: „Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise“ #DeadlyPremonition2

Selten ist mir ein ehrliches Review so schwer gefallen, wie bei „Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise“, denn es gibt im Grunde kaum Punkte, die es zu einem guten Spiel machen. Die Technik ist mehr als betagt, dennoch ist die Performance stellenweise eindeutig zu viel für die Switch, was sich in langen Ladezeiten, Pop-Ins und in Ausnahmesituationen sogar FPS im einstelligen Bereich niederschlägt und dennoch hatte ich selten mit einem Spiel so viel Spaß. So viel sogar, dass man während dem spielen die nervigen Punkte größtenteils ausblenden kann, was man zweifelsfrei genauer ausführen muss. Dankenswerter Weise wurde mir für meinen Bericht eine kostenfreies Muster von Nintendo bereitgestellt, was aber logischerweise keinen Einfluss auf meine Bewertung hat.

Und auch wenn es einfacher wäre das Spiel einfach anhand starrer Kriterien, oder anhand einer Bewertungskala einzuordnen, so hatte ich es zugegebenermaßen fast erwartet, dass es differenzierter werden wird. Immerhin war es mit dem Erstling auch nicht viel anders und heute zählt dieser trotz all seiner Unzulänglichkeiten zu den Kultspielen der letzten Konsolengeneration und hat erst Ende letzten Jahres ein aufwendiges Re-Release, das ebenfalls auf der Switch (unter dem Titel „Deadly Premonition Origins“) erhältlich ist, erfahren. Anscheinend gibt es eben Spiele, die man mehr als großes Ganzes beurteilen muss.

Denn schon beim Erstling zeichnete sich das spielerische Äquivalent zum Autorenkino oder Arthaus, also Filme, die abseits der breiten Masse operieren und meist eine stark ausgeprägte Handschrift mit sich bringen. Und so verhält es sich eben auch mit Deadly Premonition, das auch mehr als deutlich der künstlerische Ausdruck seines Schöpfers, Swery 65 ist, der heute teilweise auch auf die Nummer an seinem Namen verzichtet und gleichermaßen wie Suda 51 als Enfant Terrible der Spielebranche zählt.

Das Spiel beginnt mit einem Verhör eines alten, offenbar kranken und sehr gebrechlichen FBI-Agenten Francis York Morgan, dem charismatischen, obgleich sehr exzentrischen und leicht verrückten Protagonisten des ersten Teils, der von zwei Kollegen zu einem seiner früheren Fälle befragt wird, bei dem es in den Berichten „Ungereimtheiten“ gibt. – Ohne auf diesen Punkt genau einzugehen, damit nichts vom ersten Teil gespoilert wird, den man unbedingt gespielt haben sollte, um alles zu verstehen, muss man wieder feststellen, dass Geschichte und Realität etwas auseinandergehen. Spieler des ersten Teils werden gleich verstehen worauf ich anspiele, denn man kann sich nicht immer sicher sein, was in den Erzählungen des Protagonisten Wahrheit ist und welche Elemente unter Umständen abgeändert oder geschönt wurden, als York beginnt die Erlebnisse des besagten Falls nachzuerzählen, was mit einer Introsequenz, die Anleihen bei James Bond hat, die hauptsächliche Handlung des Spiels startet.

Die Geschichte führt York in eine Kleinstadt im Hinterland von Louisiana namens Le Carré, in der Nähe von New Orleans. Und auch wenn die Stadt auf den ersten Blick so wirkt, als ob das schlimmste Verbrechen in der Stadt die unachtsame Überquerung der Straße sein könnte, schwelen unter der Fassade dunkle Geheimnisse. Orientierte sich der erste Teil dabei eher an Serien wie „Twin Peaks“, so ist die Handlung des zweiten Teils insgesamt weniger Konfus und orientiert sich eher am klassischen Film Noir mit ausgewählten Fantasy-Elementen, wie es unter anderem Filme wie „Angel Heart“ oder Spiele aus der Gabriel Knight-Reihe tun und rundet das Ganze mit einer Prise selbstreferenziellem Humor ab. So strotzt die Geschichte vor Klischees über die Südstaaten und das Genre, das Hauptcharakter York bereitwillig offen adressiert, was zu einigen überraschend ernsten, wie aber auch lustigen Situationen führt.

Dabei ist das Spiel im Jahr 2005 angesiedelt und spielt damit sogar vor den Ereignissen des ersten Teils, als es York doch eher zufällig in die kleine Südstaaten-Stadt verschlägt. Doch, als er von dem mysteriösen Tod einer jungen Dame, namens Lise, erfährt, die anscheinend bei lebendigem Leib zerstückelt und damit rituell geopfert wurde. York fühlt sich auf Grund der merkwürdigen Umstände umgehend zum Fall hingezogen und beginnt in Zusammenarbeit mit dem ansässigen Sherriff und dessen Tochter Patricia, die uns über weite Teile der Geschichte als Sidekick und „Stimme der Vernunft“ zur Seite steht, zu ermitteln, was ihn natürlich auch wieder in die düstere Parallelwelt, genannt „Otherworld“ führt, die man bereits aus dem ersten Teil kennt. So stellt York zwar schon innerhalb der ersten Spielstunden den Mörder von Lise, doch damit kommt die Geschichte erst richtig in Fahrt…

Dabei besticht das Spiel zum einen durch ein interessantes Spielprinzip, das klassische Adventure-Mechaniken mit Survival Horror-Elementen, größtenteils optionalen Minispielen und sogar einigen Simulations-Einflüssen paart. Wir steuern York in der 3rd-Person-Verfolgeransicht und können über Button-Prompts mit der Spielwelt und NPCs interagieren. In einigen Instanzen müssen wir Tatorte untersuchen. Dazu wechselt das Geschehen in die First-Person und wir können unterschiedliche Hotspots untersuchen, was spielerisch an klassische Adventures erinnert. Diese Mechaniken spielen sich alle in der offenen Spielwelt ab, die über Tag- und Nachwechsel, der an eine interne Spieluhr, die dauerhaft weiterläuft gekoppelt sind. Mit fortschreitender Zeit kommen auch die Simulations-Einflüsse zum Tragen, denn York muss regelmäßig schlafen und essen, da sonst seine Stamina und Energie nachlassen. Doch das ist noch nicht alles, denn wir müssen auch auf seine Hygiene achten und wenn wir York nicht duschen oder rasieren fangen nach ein paar in-Game-Tagen Fliegen an um ihn herum zu fliegen und sein Bart wächst. Und weiter müssen wir auch regelmäßig seine Garderobe wechseln und reinigen lassen, damit die Leute nicht anfangen über ihn zu reden.

Wir erkunden die Spielwelt, entgegen dem ersten Teil, wo wir noch mit einem Auto unterwegs waren, dieses Mal mit einem Skateboard. Was erst einmal abstrus klingt wird sogar logisch in die Geschichte eingebettet und funktioniert überraschend gut. Man darf zwar kein Tony Hawk erwarten, denn York kann keine Tricks ausführen, aber insgesamt ist man durch die Fortbewegung um einiges mobiler, als beim ersten Teil, wobei die Spielwelt in etwa die gleiche Größe hat. Da die in-Game Uhr kontinuierlich weiter läuft und die Missionen an bestimmte Zeiten (und in einzelnen Fällen sogar Wochentage) in der Spielwelt gekoppelt sind, können wir auch einiges an Zeit abseits der eigentlichen Story vertun. So gibt es in der Spielwelt diverse Sammelobjekte, Stunts, die wir mit dem Skateboard abfahren können, versteckte Skurrilitäten und einige Minispiele, wie eine überraschend vielschichtige Bowling-Simulation, die man auch im Rahmen der Story einmal spielen muss. Und dann gibt es noch die klassischen Survival-Horror-Elemente, die zum einen in der offenen Spielwelt und in abgesteckten in die Story eingebetteten Dungeons zum Tragen kommen.

Die Dungeons laufen nach klassischem Schema ab und erlauben das freie Erkunden von Albtraumhaften Versionen von bestimmten Gebäuden, die fest mit der Story verzahnt sind und meist mit einem Bosskampf enden. Wir steuern York durch diese Areale und können uns entweder mit unserer Waffe, sowie Nahkampfangriffen zur Wehr setzen und gegen Gegner kämpfen. Ähnlich sieht es mit der offenen Spielwelt aus. Denn die offene Spielwelt  wird jede Nacht in der Zeit zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens in die Otherworld transportiert, alles wird in blutrotes Licht getaucht und Monster bevölkern die Straßen der Stadt. Einziger Unterschied ist, dass es dabei kein konkretes Ziel und auch keinen Boss gibt, sondern der Horror automatisch mit dem Ablauf der Zeit endet. 

Technisch lässt das Spiel leider viele Wünsche offen und sieht stellenweise nicht wie ein Spiel auf einer aktuellen Konsole aus. Dabei sieht die Grafik auf den ersten Blick zwar gar nicht so schlecht, da man anstatt Realismus als Stilmittel auf eine Comichafte Cellshading-Grafik setzt. Jedoch bringen die Ambitionen der Entwickler immer wieder das Grundgerüst ins Wanken. In geschlossenen Räumen und abgegrenzten Bereichen fällt lediglich auf, dass stellenweise Assets recycelt werden, oder einige Bereiche etwas leer und Arm an Details daherkommen, doch in den Außenbereichen geht die Technik leider regelmäßig in die Knie. Denn in den Außenbereichen fungiert die komplette Stadt Le Carré als offene Spielwelt im Sandbox-Design, die neben jeder Menge Haut- und Nebenmissionen auch viele liebevoll erstellte Bereiche bietet, die keine Relevanz für Missionen haben.

Besonders wenn wir via Skateboard durch die Areale fahren und wenn noch einige NPCs oder Gegner auf dem Bildschirm sind, leidet die Framerate ungemein und sinkt teilweise bis in den einstelligen Bereich. Weiter fallen die immensen Ladezeiten auf, die jedes Mal zum Tragen kommen, wenn wir ein Gebäude betreten, oder verlassen und die zwischen 30 Sekunden, bis 1 Minute dauern können. Weiter ist schade, dass nicht alle Gespräche vertont sind und gerade Nebenmissionen und Gespräche abseits der Hauptgeschichte ausschließlich gelesen werden können, was die Immersion leider ziemlich trübt, zumal die Vertonung, obgleich nur in englischer Sprache, sehr stimmungsvoll und witzig geworden ist.

Wer bereits mit dem Erstling nichts anfangen konnte, wird bestimmt auch mit dem Zweiten Teil seine Meinung nicht ändern, sei es aus technischer, oder auf Grund der Erzählstruktur und Geschichte. Doch gleiches kann man auch für die Fans des ersten Teils sagen, denn wer bereit ist über die Unzulänglichkeiten hinweg zu sehen erlebt eines der interessantesten und eigenwilligen Spiele des Jahres, wenn nicht gar der Konsolengeneration. Besonders zu erwähnen ist dabei die furchtbar schrullige Art des Protagonisten, der sich ständig im Austausch mit seinem imaginären Freund befindet und mit ihm von Schlussfolgerungen zum aktuellen Fall bis hin zu Trash Filmen der 80er Jahre alles bis zum letzten Detail bespricht. Besonders witzig sind dabei seine Weltanschauungen, die seit dem Setting des Spiels im Jahr 2005 schon lang überholt sind. So diskutiert York ziemlich ausführlich den Michael Bay-Film „Die Insel“, dem er prophezeit zu DEM Film zu werden, der die Kinogeschichte nachhaltig prägen wird und sogar ein eigenes Genre, namens „Inselfilme“, zu begründen…

Ich hatte auf jedem Fall, trotz den Abzügen in der B-Note sehr viel Spaß mit dem Spiel und es hat mich die knapp 23 Stunden, die ich gebraucht habe es durch zu spielen bestens unterhalten. Ich habe dabei einige, aber bei weitem nicht alle Nebenaufgaben erledigt, wodurch sich die Spielzeit schätzungsweise nochmal über 10 weitere Stunden verlängern lässt. Auch wenn das Spiel offenkundig nicht ohne Makel ist, werden auch viele nervige Elemente des Erstlings ausgemerzt und liefern ein insgesamt sehr viel runderes Spielerlebnis, abseits der Standards der Spieleindustrie, ab. Bitte mehr davon!

Entwickler: Toybox, Inc.

Publisher: Rising Star Games

Erhältlich auf: Nintendo Switch

NB@31.07.2020

——— Hinweise & Disclaimer: ———

Wenn euch der Beitrag gefallen hat würde ich mich natürlich über eure Likes, Retweets, Abos oder auch Feedback freuen. Gleiches trifft aber auch zu, wenn ich eurer Meinung nach etwas hätte besser machen können. Konstruktive Kritik hilft bekanntlich nur, wenn man sie auch bekommt, also lasst es mich einfach wissen.

Die verwendeten  Bilder und/oder Screenshots wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Autor selbst erstellt und dienen zur Unterstützung des Berichtes. Das Copyright an der dargestellten Sache, bzw. dem Spiel bleibt davon selbstverständlich unberührt und verbleibt beim ursprünglichen Rechteinhaber.

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