Es ist selten, dass Spiele ähnlich minimalistisch, wie „Dull Gray“, eines der letzten Spiele, das überhaupt auf der PS Vita herauskommen sollte, bevor man die Schließung des Stores (vorerst) aufgehoben hat, daherkommt und dennoch so viel zu sagen hat. Denn auch wenn das Spiel nur aus ein paar rudimentären Animationen, die passenderweise alle in „grau“ gehalten sind, besteht, hat man es geschafft eine überaus dichte Atmosphäre aufzubauen, die mich persönlich stark an das Buch „The Road“ von Cormac McCarthy, oder auch Filme, wie „Snowpiercer“, oder „The Revenant“ erinnert haben.

Das kommt größtenteils durch die bedrückende Stimmung und die schiere Ausweglosigkeit, in der sich die Protagonisten wiederfinden, wo gleichzeitig existenzielle Fragen und der freie Wille thematisiert werden. Besonders die Frage nach dem freien Willen hält uns als Spieler einen Spiegel vor und kann gleich zu mehreren unterschiedlichen Enden für die Protagonisten, wie auch uns führen.

Wir „spielen“ dabei Kiryusha, wobei Spielen wirklich nicht wörtlich zu nehmen ist, da das gesamte Gameplay aus jeweils zwei unterschiedlichen Antworten besteht, deren Abfolge dann aber überraschenderweise den weiteren Verlauf der Geschichte bestimmt. Kiyusha ist ein kleiner Junge, der mit seiner Mutter auf einer langen und scheinbar endlosen Reise befindet, wo sie auf den sogenannten Navigator treffen, der vom Jungen konstant eine Entscheidung aus zwei Alternativen verlangt, die bestimmen welcher Arbeit er irgendwann mal nachgehen möchte.

Die Reise führt uns vorbei an Geysiren, über riesige Schluchten, die wir per Gondel überqueren und lässt uns, obgleich überaus selten, wenn überhaupt nur in irgendwelchen zerstörten Gebäuden rast machen. Die Welt scheint leer, ist übersät von Eis und alles, was wir sehen, ist grau. Dennoch bleibt die Frage unverändert: „Lamplighter“, oder „Tallyman“. – Egal wer sonst unseren Weg kreuzt, die Verwandtschaft, ehemalige Freunde und Liebhaber der Mutter, vollkommen egal, am Ende des Tages ist die Frage immer gleich…

Ein „Lamplighter“ muss das Transportnetzwerk am Leben halten, was in Anbetracht der feindlichen Außenwelt keine leichte Sache ist. Die meisten, die diese Profession ergreifen werden nicht alt. Das beste Beispiel ist Kiryusha’s Vater, denn er war Lamplighter und ist bereits seit einiger Zeit tot. Ein „Tallyman“ hingegen ist ein Spion für das Regime und lebt meist in Wohlstand, obwohl ihn diese Berufswahl oft zum sozialen Außenseiter macht, da die Leute immer fürchten bespitzelt zu werden. Doch am interessantesten ist dabei, dass wir unsere Antwort nie fertig aussprechen können, sondern unsere Mutter uns unterbricht und an unserer Stelle antwortet. So wird uns unsere einzige Entscheidung im Spiel auch noch konsequent abgenommen, bis der Navigator am Spielende eine finale Entscheidung verlangt, die dann unmittelbar das Spielende einläutet.

Das Spiel verfolgt neben Fragen über den freien Willen und Konsequenzen von Entscheidungen auch einen offensichtlich künstlerischen Ansatz. Denn die Kulisse der Spielwelt sehen aus wie Kreidezeichnungen, und je weiter wir in der Geschichte voranschreiten, umso mehr Details sieht man in der Zeichnung. In den Abschnitten, in denen wir Entscheidungen treffen sind zweigeteilt, links sehen wir kleine Detailzeichnungen, die das geschriebene Wort auf der rechten Seite untermalen. In diesem Abschnitten spielt sich die eigentliche Handlung ab, was von der Durchführung stark an Visual Novels erinnert, aber von der Präsentation eher Seiten in einem Buch sein könnten. Ohne Zweifel wird nicht jeder mit dem Artstyle warm, aber mich persönlich reizen derartige Experimente immer.

Einzig die Spielzeit kann man dem Spiel negativ angreifen, denn in knapp 15 bis maximal 30 Minuten, je nachdem wie schnell man liest, ist das Ende erreicht. Zwar gibt es davon mehrere, nicht nur das Lamplighter– und das Tallyman-Ende, was man eigentlich erwarten würde, doch die Varianz ist eher minimal und resultiert eigentlich nur in unterschiedlichen Endscreens. Hier wäre wirklich etwas mehr schön gewesen, auch wenn die Handlung wahrscheinlich nicht mehr getragen hätte.

Insgesamt war „Dull Grey“ eine wirklich interessante, wenn auch etwas unausgewogene Erfahrung. Die Fragestellungen, die das Spiel aufwirft regen durchaus zum Denken an, doch etwas mehr Interaktivität und Variation hätte dem Spiel nicht geschadet. Gerade zum regulären Preis von 4,99€ habe ich etwas mehr erwartet. So wird es wahrscheinlich nur eingefleischte Trophäenjäger ansprechen, denn die 16 Trophäen (0 x Bronze, 5 x Silber, 10 x Gold, 1 x Platin), für die man zwar mehrere Durchgänge braucht, sind aber beim Skippen der Dialoge in etwa 10 Minuten freigeschaltet. Das Spiel erscheint am 05. Mai für PS4, PS Vita, Xbox One und Nintendo Switch, wobei es, wie leider bei Publisher Sometimes You, kein CrossBuy gibt.
Entwickler: Provodnik Games
Publisher: Sometimes You
Erhältlich auf: PS4, PS Vita, Xbox One, Nintendo Switch
NB@30.04.2021
——— Hinweise & Disclaimer: ———
Wenn euch der Beitrag gefallen hat würde ich mich natürlich über eure Likes, Retweets, Abos oder auch Feedback freuen. Gleiches trifft aber auch zu, wenn ich eurer Meinung nach etwas hätte besser machen können. Konstruktive Kritik hilft bekanntlich nur, wenn man sie auch bekommt, also lasst es mich einfach wissen.
Die verwendeten Bilder und/oder Screenshots wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Autor selbst erstellt und dienen zur Unterstützung des Berichtes. Das Copyright an der dargestellten Sache, bzw. dem Spiel bleibt davon selbstverständlich unberührt und verbleibt beim ursprünglichen Rechteinhaber.