Gylt“ war ein tolles Spiel und es gab nur ein Problem: Die Plattform auf der es erschienen ist, denn Google Stadia war schon bevor der Service komplett eingestellt wurde, alles andere als ein Kassenschlager. Umso freudiger hatte ich die Nachricht aufgenommen, dass die Exklusivität ebenso der Vergangenheit angehört, wie Stadia an sich. Ich habe mir das Spiel nun, nachdem ich es damals schon einmal durchgespielt hatte, nochmal auf der PS5 angesehen, um herauszufinden, ob es auch heute noch überzeugt. Denn zugegebenermaßen gab es auf Stadia viel Schatten und wenige Lichtblicke, anders aber moderne Konsolen, denn dort gibt es viele hochkarätige Spiele und es könnte durchaus sein, dass es damit weniger relevant sein könnte…

Man sollte sich keineswegs von der zunächst kindlichen Optik täuschen lassen, denn trotz familienfreundlicher Präsentation schreckt das Spiel nicht davor zurück ernste Themen, wie Mobbing, Einsamkeit und Ausgrenzung anzusprechen und damit thematisch in eine ähnliche Kerbe, wie „Contrete Genie“ schlägt, ein anderes Spiel, das leider größtenteils in Vergessenheit geraten zu sein scheint. „Gylt“ wurde vom spanischen Entwicklerstudio Tequila Works entwickelt, die mit „Deadlight“, „The Sexy Brutale“ und „Rime“ bereits ein paar wirklich gelungene Spiele abgeliefert haben, war ursprünglich exklusiv für die Streaming-Plattform erhältlich, wurde dort pünktlich zum Launch veröffentlicht und erscheint diesen Freitag auf allen gängigen Plattformen. Ich hatte die Gelegenheit mir das Spiel bereits vor dem Release intensiv anzusehen und teile nun meine Eindrücke mit euch.

Wir begleiten im Spiel die junge Sally, die auf der Suche nach ihrer vermissten Cousine Emily ist und sich plötzlich in einer alptraumhaften Version der Stadt à la Silent Hill wiederfindet, in der Chaos und Zerstörung herrscht und verzerrte Monster durch die Straßen laufen. Dabei beginnt alles erst mal recht simple: Sally hängt Vermisstenposter in der Stadt auf und alles wirkt normal. Als Dunkelheit hereinbricht und sie sich auf den Nachhauseweg macht wird sie von einer Gruppe Halbstarker verfolgt, sie darauf auch noch mit ihrem Fahrrad verunglückt, das dann unbrauchbar ist, flüchtet sie sich in die Gondel einer Seilbahn. Doch die Seilbahn an ihrem Bestimmungsort angekommen ist und die Türen der Gondel sich öffnen ist die Welt nicht mehr die Gleiche. Dunkelheit hat Einzug erhalten, es ist keine Menschenseele auffindbar und Spuren von Zerstörung, wie nach einem Erdbeben oder eine Militärschlag sind allgegenwärtig. Sally erspäht plötzlich ihre Cousine Emily, die vor etwas zu fliehen scheint und beschließt ihr zu folgen, doch das vordem Emily geflüchtet ist, ist nun auch hinter Sally her…

Von dort an offenbart das Spiel seine ganze morbide Schönheit und zeigt seine Muskeln als Schleichspiel. Denn entgegen Silent Hill sind wir besonders anfangs gezwungen gegen die Monster unseren Grips einzusetzen: Wir beobachten Laufwege, benutzen Lüftungsschächte, oder lenken die Gegner mittels geworfenen Sodadosen in eine falsche Richtung, während wir hinter ihrem Rücken vorbei schleichen. Im späteren Spielverlauf bekommen wir dann zwar auch eine Waffe in Form einer starken Taschenlampe, womit wir die Gegner durch die gezielten (Licht-)Beschuss auf gelb-markierte Schwachstellen ausschalten können, was aber oft nicht der beste Weg ist, zumal es auch Batterien, die als Munition fungieren verbraucht. Zwar findet man in der Regel immer genug Batterien, doch ein Kampf mit einem Gegner macht zwangsläufig leider Lärm und lockt weitere Gegner an, die uns dann mitunter überrennen können. So ist man meist besser beraten zu versuchen die Gegner zu umgehen, anstatt einen Frontalangriff zu starten. Dabei sind die Stealth-Mechaniken an sich solide Standardkost, indem über den Gegnern ein Indikator zu finden, der anzeigt, ob er entspannt ist, etwas vermutet oder uns sogar schon gesehen hat und sobald wir aus dem Sichtfeld verschwinden beginnt man erst nach uns zu suchen und kehrt irgendwann wieder zur Entspannungsposition zurück. Einzig eine Möglichkeit unerkannt um Ecken zu schauen vermisse ich an dieser Stelle generell, denn dadurch, dass so ein spezieller Move fehlt läuft man schnell Gefahr, dass man gesehen wird, wenn man sich an Ecken heran tastet. Aber das ist eher ein kleinerer Makel, den man getrost darauf schieben kann, dass ich manchmal zu voreilig vorgegangen bin, denn sonst macht das Spiel fast alles richtig.   

Technisch hatte das Spiel bereits 2019 überzeugen können und auch wenn man signifikante Verbesserungen und Anpassungen an die modernen Plattformen zwar nicht findet, kann sich das Spiel immer noch mehr als sehen lassen. Dabei muss man auch die Hintergründe zum Entwickler beleuchten. Denn waren die vorherigen Spiele von Tequila Works eher kleinere Indies mit recht reduzierter Optik, liefern die Spanier mit „Gylt“ ein Spiel ab, das sich nicht hinter AAA-Veröffentlichungen verstecken muss. Die Grafik wirkt sehr plastisch und erinnert vom Stil her sehr an die Comichaften Stop-Motion-Figuren à la Tim Burton und wartet mit vielen kleinen Details auf. Das Spiel findet dabei aus einer Third-Person-Ansicht mit einer frei-steuerbaren Kamera statt und wartet auf Grund des Gruselsettings mit einigen echt schönen Licht- und Schatteneffekten auf. Der Sound tut sein übrigens und ebenso wie die Figuren von Tim Burton inspiriert zu sein scheinen, so hat man für die Musik passenderweise Inspiration von Danny Elfman herangezogen, was natürlich in sich sehr stimmig ist.

Dabei läuft das Spiel überaus flüssig und während meinem Durchspielen gab es keinerlei Aussetzer in Sachen Framerate oder nachladende Texturen. Auch wenn das gewöhnlich nichts außergewöhnliches sein sollte, haben wir in der letzten Zeit immer wieder unfertige Veröffentlichungen mit technischen Problemen gesehen, weswegen es absolut positiv zu vermerken, dass es keine erkennbare Probleme mehr gibt. Auch wenn die Geschichte am Anfang recht simpel wirken mag und durch die übernatürlichen Elemente einen Twist bekommt, so ist der Kern dennoch ein viel ernsterer und die Probleme werden im Spielverlauf auf eine wirklich interessante Weise thematisiert, ohne zu sehr zu einem Appell mit erhobenem Zeigefinger zu verkommen. Denn wenn es um Themen wie Mobbing, Einsamkeit, oder auch Selbstzweifel geht, denen besonders heranwachsende Kinder ausgesetzt sind, wäre der größte Fehler so etwas halbherzig abzutun oder zu versuchen eine einfache Lösung zu präsentieren.

Ähnlich wie „Concrete Genie“ zuvor hebt man das vielschichtige Thema daher auf eine andere Ebene und verpackt es in eine dennoch unterhaltsame Geschichte. Dabei können die Elemente teilweise verstörend wirken, was aber durchaus gewollt sein dürfte und wirken anfangs unwirklich, werden aber im Spielverlauf durchaus folgerichtig thematisiert und warten auch mit einigen interessanten Wendungen auf, die man nicht unbedingt kommen sieht. Dabei empfiehlt es sich übrigens auch einen Blick links und rechts des Hauptgrades zu haben, denn es gibt einige Sammelobjekte und Elemente in der Spielwelt, die zwar nicht notwendig sind, aber dabei helfen der Geschichte mehr Tiefe zu verleihen, auch wenn das Ende für meinen Geschmack dann fast schon zu abrupt kommt. Es gibt lediglich einen Punkt, der mit am Storytelling nicht so wirklich gefallen hat und das sind die Zwischensequenzen, die im Grunde nicht mehr als recht spartanisch animierte Bilderfolgen sind und somit einen komplett anderen Artstyle, als der Rest des Spieles, verwenden und bei jeder neuen Instanz des Storytellings wieder etwas merkwürdig anmuten, was aber wahrscheinlich aus Budgetgründen notwendig war.

Insgesamt handelt es sich bei „Gylt“ immer noch um ein wirklich gelungenes Spiel. Es überzeugt nicht nur technisch, sondern auch spielerisch und zieht recht viele, obgleich passende, Anleihen bei Silent Hill und Alan Wake, während es dabei aber größtenteils familienfreundlicher bleibt. Die Spieler sollten aber auf keinen Fall zu jung sein, denn auch wenn es lediglich ein paar Instanzen mit Jumpscares gibt, sind die Gegner und die allgemeine Stimmung schon ziemlich gruselig und könnten sonst mitunter für Alpträume sorgen. Natürlich ist das auf keinem Niveau von modernen Psycho-Horror-Spielen, doch für junge Kinder ist es, trotz der verspielten Optik, nichts, auch wenn sich am Ende natürlich alles auflöst und dadurch etwas von der Bedrohung einbüßt. Die Geschichte unterhält gut und macht auch am Ende noch Sinn, obwohl mir das Ende an sich etwas zu abrupt kam und der finale Bosskampf etwas aufgesetzt gewirkt hat. Dennoch hat mich das Spiel über seine knapp 8-10 Stunden, die ich bis zum Ende gebraucht hab, wirklich gut unterhalten. Die Spielzeit mag für einige zwar etwas kurz wirken, kommt aber dafür auch ohne merkliche Füller aus, sondern bietet eine stringente Erzählung, die uns unmittelbar in ihren Bann zieht und nicht so schnell loslässt. Umso schöner ist es, dass das Spiel mit einem breiten Release nun endlich das Potential hat eine breite Masse zu erreichen, denn es lohnt sich ungemein…

Entwickler:      Tequila Works

Publisher:        Tequila Works

Erhältlich auf: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S

NB@04.07.2023

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Eine Antwort zu „PS5 Review: „Gylt“ #Gylt”.

  1. […] ihre böse Seite zutiefst offenbaren. Die Little Nightmares-Reihe oder das herausragende „Gylt“ kommt dazu in den Sinn oder nun definitiv auch „Out of Sight“, ein […]

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