„Gloomy Eyes“ hat sich im September 2025 still und heimlich in die Download-Stores geschlichen. Kein greller Blockbuster, keine Dauerwerbeschleife, sondern so ein Spiel, das man fast übersieht – bis man es startet und plötzlich merkt, dass man da eine kleine Indie-Perle in den Händen hält. Genretechnisch ordnet man es irgendwo zwischen Puzzle-Adventure, Geschicklichkeitsspiel und erzählerischem Indie-Kleinod ein, zieht es zweifelsfrei Inspiration von „Limbo“, „Escape Plan“ und vor allem „Little Nightmares„. Also kein Titel, der mit lauten Explosionen oder Loot-Systemen Aufmerksamkeit erzwingen will – sondern einer, der dich langsam hineinzieht, wie ein Märchenbuch, das man zufällig im Regal entdeckt und dann nicht mehr weglegen kann.

(c) Atlas V, Be Revolution Gaming, 3Dar, Fishing Cactus, ARTE France, Untold Tales

Die Geschichte hat etwas Märchenhaft-Nostalgisches: Die Sonne ist weg. Sie hat sich zurückgezogen, müde von der Menschheit, die ihren Glanz nicht zu schätzen wusste. Seitdem herrscht Dunkelheit – und mit ihr die Untoten. Zombies stapfen durch die Nacht, Menschen verbarrikadieren sich, und nur das Licht bietet noch Sicherheit. In dieser Finsternis treffen wir auf zwei Figuren, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen: Gloomy, ein kleiner Zombie-Junge mit glühenden Augen, der im Licht vergeht, und Nena, ein Menschenmädchen, das genau dieses Licht braucht, um zu überleben. Zwei Welten, die sich abstoßen sollten, aber trotzdem zueinander finden. Zusammen wollen sie das Unmögliche schaffen: Die Sonne zurückholen und eine Welt heilen, die längst aufgegeben hat.

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Das Ganze erinnert stilistisch an eine Mischung aus „Corpse Bride“, „Nightmare Before Christmas“ und „Coraline“. Düster, aber nie hoffnungslos. Schaurig-schön, aber immer mit Herz. Man fühlt sich sofort in diese Burton’sche Gothic-Welt versetzt, in der alles ein bisschen windschief, aber trotzdem voller Charme ist. Es ist verspielt, gruselig und wunderschön zugleich. Das Design der Dioramen lädt ein, genau hinzusehen – kleine Animationen, Details im Hintergrund, skurrile Figuren, die man fast übersehen könnte. Und genau das macht die Story des Spiels so besonders: Sie ist nicht nur eine Kulisse für Puzzlemechaniken, sondern ein kleines Märchen über Mut, Hoffnung und die Kraft, Grenzen zu überwinden.

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Gameplay-technisch setzt das Spiel auf ein cleveres Konzept: Man spielt quasi Koop mit sich selbst. Gloomy und Nena sind beide spielbar, und du wechselst auf Knopfdruck zwischen ihnen. Gloomy kann schwere Dinge tragen, werfen und bewegen, dafür darf er keinen Schritt ins Licht setzen – ein einziger Strahl, und es ist vorbei. Nena hingegen liebt das Licht, kann Schalter umlegen, Plattformen aktivieren und über Hindernisse springen – aber wehe, sie kommt Zombies zu nahe. So entsteht eine Art Ying-und-Yang-Spielweise: Was der eine nicht kann, erledigt der andere. Klingt simpel, wird aber schnell erstaunlich knifflig, wenn man beide Figuren gleichzeitig im Blick behalten muss.

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Die 14 Kapitel sind wie kleine Dioramen aufgebaut. Man kann die Kamera drehen, wie bei einem Spielzeugkasten, und entdeckt dabei oft versteckte Wege, Schalter oder Mechanismen. Das macht das Leveldesign spannend: Man muss Räume nicht nur durchlaufen, sondern wirklich „begreifen“. Wo fällt das Licht hin? Wo kann Nena hinein, wo bleibt nur Gloomy übrig? Manchmal gilt es, Lichtquellen umzulenken, Batterien einzusetzen oder ganze Plattformen zu verschieben. Und immer wieder muss man die beiden Figuren so koordinieren, dass sie sich gegenseitig helfen – zum Beispiel wenn Gloomy ein schweres Objekt bewegt, damit Nena einen Schalter erreichen kann.

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Der Schwierigkeitsgrad bewegt sich im gemütlichen Mittelfeld. Man muss schon mal überlegen, wo der nächste Schritt liegt, aber man rennt selten gegen eine unüberwindbare Wand. Frustmomente gibt es, wenn die Kamera mal nicht den richtigen Blickwinkel bietet oder wenn man unglücklich in einer Ecke steckenbleibt. Doch insgesamt bleibt das Balancing angenehm: fordernd, aber fair. Perfekt für ein Indie-Spiel, das eher Atmosphäre als knallharte Herausforderung verkaufen will. Die Steuerung funktioniert solide, reagiert flott und macht den Charakterwechsel zu einer Gewohnheit. Ab und zu verwirrt es, wenn beide Figuren zu nah stehen und man nicht sofort weiß, wen man gerade erwischt hat, aber das ist kein Beinbruch.

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Auch der Soundtrack ist eine Wucht. Statt bombastischer Orchesterklänge gibt es eine Mischung aus melancholischen Melodien, verspielten Motiven und stillen Momenten, die den Atem anhalten lassen. Besonders stark: der Erzähler, ein alter Friedhofswärter, der als Märchenonkel durch die Geschichte führt. Seine Stimme verleiht dem Ganzen das Gefühl, dass man einem Grusel-Märchenbuch lauscht. Wer schon mal bei Kerzenlicht alte Gothic-Geschichten gelesen hat, wird sich sofort zuhause fühlen.

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Technisch gibt es ein paar Unterschiede zwischen den Plattformen. Auf Xbox Series X und PS5 läuft alles flüssig, in hoher Auflösung, mit klaren Effekten und knackigen Texturen. Auf PC hängt es natürlich von der Hardware ab, aber mit halbwegs moderner Ausstattung sieht es ebenfalls hervorragend aus. Auf der Switch muss man Abstriche hinnehmen: weniger Details, etwas schwächere Schatten, manchmal ein leichtes Kantenflimmern. Aber auch dort bleibt das Spiel absolut spielbar und verliert kaum von seinem Charme.

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Spannend ist, dass das Spiel ursprünglich gar nicht als Spiel gedacht war. Die Wurzeln liegen in einem preisgekrönten VR-Kurzfilm. Was damals ein atmosphärisches Erlebnis für wenige Minuten war, haben die Entwickler jetzt in ein vollwertiges Spiel verwandelt – mit eigenen Puzzlemechaniken, mehr Kapiteln und einer deutlich erweiterten Geschichte. Es ist also kein Remake oder Remaster, sondern eine richtige Adaption – vergleichbar mit einem Buch, das verfilmt wird, nur dass hier aus einem Film ein Spiel geworden ist. Und es funktioniert erstaunlich gut: Man erkennt die DNA des Originals, aber gleichzeitig fühlt es sich frisch und eigenständig an.

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Die Entwicklung lag dabei in den Händen von Atlas V, Be Revolution Gaming, 3Dar und Fishing Cactus, zusammen mit ARTE France und Untold Tales als Publisher. Eine bunte Mischung von Studios, die schon vorher gezeigt haben, dass sie Lust auf ungewöhnliche Projekte haben. Fishing Cactus ist zum Beispiel bekannt für experimentelle Indie-Spiele, die mit Atmosphäre und Stil glänzen. Dass hier mehrere Teams zusammengearbeitet haben, merkt man: Es gibt eine Vielfalt an Ideen, aber gleichzeitig eine klare Linie in der künstlerischen Vision.

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Und jetzt die große Frage: Lohnt sich „Gloomy Eyes“? Ja, absolut – wenn man weiß, worauf man sich einlässt. Wer nach dem nächsten 100-Stunden-Open-World-Klopper sucht, wird enttäuscht sein. Wer Action à la „Devil May Cry“ erwartet, ebenfalls. Aber wenn man Lust auf eine stimmungsvolle Reise hat, auf ein Spiel, das mehr Märchen als Mechanik ist, dann ist man hier goldrichtig. Es ist die perfekte Herbstunterhaltung: ein bisschen schaurig, ein bisschen süß, mit einer warmen Decke und einer Tasse Tee genau das Richtige für graue Tage. Das Spiel ist wie ein kleiner Kürbis auf dem Fenstersims – unscheinbar, aber wenn man genau hinsieht, leuchtet er warm von innen heraus. Es ist ein Spiel, das man nicht wegen der großen Mechaniken oder wegen des Schwierigkeitsgrades liebt, sondern wegen seiner Stimmung, seiner Figuren und seiner liebevollen Gestaltung. Kurz, aber intensiv. Ein Indie-Schatz, den man nicht übersehen sollte!

Entwickler: Atlas V, Be Revolution Gaming, 3Dar, Fishing Cactus

Publisher: ARTE France, Untold Tales

Erhältlich auf: PC, PS5, Xbox Series X/S, Nintendo Switch

Getestet auf: Xbox Series X

NB@17.09.2025

——— Hinweise & Disclaimer: ———

Zur Erstellung dieses Reviews wurde uns vom Publisher ein unentgeltliches Muster für das Spiel zur Verfügung gestellt. Wir danken vielmals für die Unterstützung, weisen aber darauf hin, dass dieser Umstand keine Auswirkung auf unsere Bewertung hat!

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