Wenn es ein Studio gibt, das die Kunst der gelungenen Fortsetzung beherrscht, dann ist es Sucker Punch. Nach Klassikern wie Sly 2: Band of Thieves und inFAMOUS 2 gelingt dem Team aus Bellevue mit Ghost of Yotei ein weiterer Beweis, dass man Fortsetzungen nicht einfach nur entwickeln, sondern perfektionieren kann. Fünf Jahre Arbeit nach Ghost of Tsushima haben ein Spiel hervorgebracht, das nicht nur die Stärken des Originals weiterdenkt, sondern dessen Konzept zu seiner endgültigen Form führt.

Der Sprung ins Jahr 1603 markiert dabei einen mutigen Neuanfang. Statt erneut in die Rolle des legendären Jin Sakai zu schlüpfen, übernimmt man die Kontrolle über Atsu, eine Onryō, getrieben von Schmerz, Verlust und einem tiefen Wunsch nach Rache für den Mord an ihren Eltern. Ihr Ziel: die Yōtei Six, eine Gruppe von Verrätern, deren Schatten über der gesamten Region Ezo liegt. Über zwei miteinander verwobene Zeitebenen entfaltet sich eine Geschichte, die von Erinnerung, Schuld und Vergeltung erzählt. In spielbaren Rückblenden erlebt man Schlüsselmomente aus Atsus Vergangenheit, wodurch sich ihr Charakter Schicht für Schicht offenbart. So entsteht ein narrativer Rhythmus, der das Jetzt und das Damals kunstvoll ineinander übergehen lässt und die emotionale Tiefe der Handlung unterstreicht. Während Atsus Rachefeldzug die Hauptachse bildet, versteht es das Spiel, dem Spieler zugleich Freiheit und Struktur zu geben. Ghost of Yotei öffnet seine Welt in Etappen, genug, um Entdeckergeist zu fördern, ohne in Beliebigkeit zu verfallen. Anders als etwa Assassin’s Creed Shadows, das völlige Freiheit im Vorgehen gewährt, bleibt Sucker Punch bei einer gelenkten Dramaturgie, die das Erzählerische stärkt. So wird die offene Welt von Ezo, rund um den majestätischen Mount Yōtei, zum lebendigen Schauplatz einer persönlichen wie epischen Reise.

Die Insel selbst ist eine Offenbarung: Weite Schneelandschaften, neblige Täler, dampfende Quellen und stillgelegte Tempel formen eine Welt, die atmet, rauscht und flüstert. Spielerische Freiheit entsteht hier nicht durch Marker oder Questlisten, sondern durch Neugier. Eine dichte Nebeldecke verhüllt die Karte zu Beginn, und erst wer wirklich reist, entdeckt – kein bequemes Abhaken, sondern echtes Erkunden. Hinweise erhält man von Dorfbewohnern, durch Gespräche oder Verhöre; man folgt Gerüchten, nicht Wegpunkten. Das Spiel belohnt Entdeckerdrang auf natürliche Weise – sei es durch ein verborgenes Artefakt, eine verlassene Hütte oder eine Spur, die zur nächsten Mission führt. Bekannte Aktivitäten aus Tsushima kehren zurück, Bambusübungen, Fuchsbaue, heiße Quellen und werden durch neue, stimmungsvoll integrierte Aufgaben ergänzt. So kann man etwa Sumi-E-Gemälde anfertigen, Wolfsnester aufspüren oder Kopfgelder auf gesuchte Banditen annehmen. Nichts wirkt willkürlich platziert; jedes Element fügt sich organisch in die Landschaft ein. Belohnungen wie neue Ausrüstung, Charms und kosmetische Upgrades erzeugen ein wohltuendes Fortschrittsgefühl, das sich nie nach Grind anfühlt, sondern nach persönlichem Wachstum.

Atsus Weg ist gefährlich, und auch im Kampf bleibt Ghost of Yotei fordernd. Das Stancesystem des Vorgängers wurde zugunsten eines vielfältigen Waffenrepertoires überarbeitet. Fünf Hauptwaffen, vom vertrauten Katana über das wuchtige Odachi bis hin zur grazilen Kusarigama – bieten unterschiedliche Vorteile gegen verschiedene Gegnertypen. Die Kämpfe verlangen Anpassung, Reaktionsvermögen und Strategie. Unterstützt wird das durch Fernkampfoptionen wie Bogen und Flinte, ergänzt durch Werkzeuge wie Rauchbomben, Feuerklingen oder Blendgranaten. Jede Waffe, jeder Schlag fühlt sich präzise, wuchtig und bedeutungsvoll an, ein Tanz aus Stahl und Intuition. Zudem kehrt das Spirit-System zurück, das Spezialangriffe und mächtige Finisher ermöglicht. Neue Fertigkeiten und Upgrades in verzweigten Skilltrees erlauben es, Atsu individuell zu formen. Wer mag, kann sogar den Weg des lautlosen Schattens wählen, wenngleich das Spiel diesmal stärker den offenen Konflikt favorisiert. Ein kleiner, aber feiner Bonus ist der Wolf, der in Kämpfen sporadisch erscheint und als unberechenbarer, aber kraftvoller Verbündeter agiert, ein schönes Symbol für die wilde Unberechenbarkeit dieser Welt.

Auch technisch beeindruckt Ghost of Yotei auf ganzer Linie. Die Landschaften rund um Mount Yōtei zählen zu den schönsten, die derzeit auf der PS5 zu sehen sind. Sonnenlicht, das sich in Schneefeldern bricht, Rauch, der über Dörfer zieht, und Blätter, die im Wind tanzen, das Spiel ist ein Gedicht in Bewegung. Zwar wirken manche Nebenfiguren im Nahbereich etwas detailarm, doch dieser kleine Schönheitsfehler fällt angesichts der überwältigenden Kulisse kaum ins Gewicht. Besonders im Ray-Tracing-Pro-Modus läuft das Spiel stabil und makellos, ein echter Next-Gen-Titel in jeder Hinsicht.

Sucker Punch hat außerdem den DualSense-Controller in einer Tiefe integriert, die ihresgleichen sucht. Das haptische Feedback, die adaptiven Trigger und die kreative Nutzung des Touchpads, etwa zum Spielen eines Instruments, Malen von Sumi-E-Bildern oder Ziehen des Schwerts, machen Ghost of Yotei zu einem haptischen Erlebnis. Selbst das Schmieden einer Klinge oder das Kochen am Lagerfeuer erhält durch subtile ewegungssteuerung eine greifbare, fast intime Qualität. Abgerundet wird das Erlebnis durch drei ästhetische Bonusmodi: Neben dem zurückkehrenden Kurosawa-Modus mit klassischem Schwarz-Weiß-Look gibt es den intensiveren Miike-Modus mit Blut, Dreck und enger Kamera sowie den stilisierten Watanabe-Modus, der das Spiel mit Lo-Fi-Beats und melancholischem Flair versieht. Alle drei sind Hommagen an japanische Kunst und Filmgeschichte – eine liebevolle Verneigung vor der kulturellen Seele des Spiels.

Am Ende ist Ghost of Yotei nicht einfach nur eine Fortsetzung, sondern eine Weiterentwicklung, die das Herz des Originals versteht und es zugleich erweitert. Es erzählt eine Geschichte von Rache, Verlust und Selbstfindung, eingebettet in eine offene Welt, die Entdeckung, Freiheit und Schönheit miteinander verwebt. Mit seiner ausgereiften Erzählung, dem tiefen Kampfsystem, der brillanten technischen Umsetzung und dem Mut, das Bekannte zu verfeinern statt zu ersetzen, setzt Sucker Punch einen neuen Maßstab für narrative Open-World-Games.

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