Der Niedergang von Telltale Games, den Machern von „The Walking Dead„, “ hat zweifelsfrei eine Lücke im Genre der narrativen Adventures hinterlassen. Und auch wenn das Studio vom Namen her wieder auferstanden ist, blieben neue Veröffentlichungen, abseits von „The Expanse“ und eines Re-Release der „Batman„-Spiele bisher aus. So sind bisher bereits mehrere avisierte Veröffentlichungen von „The Wolf Among Us 2“ ins Land gegangen und es gibt immer wieder Gerüchte, dass das Spiel endgültig eingestellt worden sei. Umso schöner, dass mit „Dispatch“ von Entwickler AdHoc Studio eine neue Hoffnung im Genre erschienen ist, die gestern Abend mit den letzten beiden Episoden die Staffel abgeschlossen hat.

(c) AdHoc Studio

„Dispatch“ ist ein episodisches narratives Adventure mit Strategie-Elementen, das Humor, Superhelden-Setting und Wahl-Mechaniken kombiniert. Wir verzichten selbstverständlich auf Spoiler, können euch aber nun sagen, ob sich das in 8 Episoden aufgeteilte Abenteuer zu spielen lohnt…

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Im Spiel schlüpft man in die Rolle von Robert Robertson III, vormals unter dem Superhelden-Namen Mecha Man bekannt. Nachdem sein Mecha-Anzug in einem epischen Showdown mit seinem Erzfeind zerstört wurde, sieht er sich gezwungen, bei der von der Firma Superhero Dispatch Network (SDN) betriebenen Leitstelle als Dispatcher einzusteigen – nicht mehr als klassischer Held, sondern als Büro-Manager für Einsätze von re-habilitierten Ex-Schurken, die nun in Heldenteams umfunktioniert werden.

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Die Welt ist eine moderne Metropole, in der Superhelden quer durch alle Gattungen agieren – Straßenkriminelle, Monster, Umweltkatastrophen, Corporate-Skandale und heroische Dramaeinlagen sind Alltag. Der Ton ist oft komödiantisch, erinnert aber zugleich an nostalgische narrative Serien und Spiele. Die Hauptfigur Robert ist nicht nur physisch „geblockt“, sondern auch psychisch: Der einst gefeierte Held steht nun vor der Herausforderung, sich neu zu definieren – als jemand, der keine Kräfte mehr besitzt, aber immer noch Verantwortung trägt. Daneben begegnet man einer Reihe von Charakteren: Ex-Schurken, die nun Heldenteams bilden, mit Eitelkeiten, Fehlern, Macken und hoher Erwartungshaltung; Kollegen in der SDN-Zentrale, die Büro-Politik, Pausenraum-Konflikte und Alltagsdrama liefern; eine Unternehmensleitung, die Profit, PR und Heldenimage jongliert; und nicht zuletzt die Stadt selbst als Bühne, auf der man merkt: Heldensein ist nicht nur Fäuste und Cape, sondern auch Entscheidungen, Verantwortung und Moral.

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Der zentrale Konflikt liegt im Inneren von Robert – sein Wunsch nach Rache, sein Gefühl, nutzlos geworden zu sein – sowie im Äußeren: Er muss sich mit einem Team befassen, das volles Potenzial hat, aber nur sporadisch funktioniert. Gleichzeitig gilt es, Helden in unübersichtlichen Einsätzen zu managen und dabei das Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Risiko zu wahren. Dieser Ansatz rückt „Dispatch“ nahe an eine Superhelden-Bürosatire wie eine Kreuzung aus „The Boys“ und „The Office“, so merkwürdig das auch klingen mag.

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Beim Gameplay verknüpft „Dispatch“ narrative Entscheidungsbäume mit strategischen Elementen und Quick Time Events, wobei letztere allerdings komplett optional sind. Wer nicht möchte kann sie komplett abschalten und längere Passagen der Zwischensequenzen damit eher als cineastische Erfahrung konsumieren. Die Entscheidungen und Dialoge folgen dem bekannten Schema: Man navigiert Dialoge und trifft Entscheidungen, oftmals unter Zeitdruck, mit teils langfristigen Konsequenzen. Darunter gibt es kleinere Entscheidungen, die den Verlauf der Geschichte nur in Nuancen beeinflussen und solche, die zu komplett anderen Szenen führen.

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Und dann gibt es noch die Strategie-Komponente, in der man den titelgebenden Dispatch für das eigene Heldenteam betreibt. Man jongliert zwischen Einsätzen über eine Strategie-Karte – man wählt, welches Helden-Team zu welcher Krise in der Stadt geschickt wird – und pflegt nebenbei die Dynamiken des Teams und der SDN-Organisation: Wer bekommt den Auftrag? Wer übernimmt Führung? Wessen Fähigkeiten eignen sich für welche Krise? Oder welche Beziehung baue ich zu welchen Helden auf?

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Besonders die Strategie-Komponente erfordert Weitblick und strategische Planung, damit die Einsätze erfolgreich verlaufen, keine Helden verletzt werden und das Ansehen von uns als Dispatcher nachhaltig steigt. Der Schwierigkeitsgrad bleibt aber an sich überschaubar: Es geht hier weniger um knackige Action, mehr um Story­erleben, Interaktionen mit dem Team und natürlich das Nachdenken über Konsequenzen. – das Spiel setzt mehr auf narratives Erlebnis als physische Herausforderung.

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Grafisch präsentiert sich „Dispatch“ mehr als solide – mit einem Stil zwischen Comic-Realismus und animierter Serienoptik, sieht das Spiel wie ein hochwertiger Zeichentrickfilm und weniger wie ein Videospiel aus. Besonders Charaktere wie Robert und sein Team wirken sehr ausdrucksstark, Dialogszenen sind mitreißend inszeniert und professionell vertont, die Umgebungen sind detailreich gestaltet.

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Die Animation ist nicht perfekt, aber ein Quantensprung im Vergleich zu den eher zweckmäßigen Animationen der Telltale Games. Auch der Soundtrack ist stimmig, mit Cinematic-Score und Synth-Elementen, passend zur Superhelden-Büro-Metapher („90s Hold Music“ inklusive). Technisch läuft das Spiel auf beiden Plattformen – PC und PS5 – flüssig, wobei auf PC je nach Hardware höhere Auflösung und Framerate möglich sind. Da das Spiel bisher nur auf diesen beiden Plattformen erschienen ist, sind Performance-Unterschiede minimal und die Optimierung insgesamt gelungen.

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Entwickelt wurde „Dispatch“ von AdHoc Studio, die zugleich auch Publisher sind – ein Full-inhouse-Projekt. Das Studio wurde 2018 gegründet von ehemaligen Mitarbeitern von Telltale Games wie Michael Choung, Nick Herman, Dennis Lenart und Pierre Shorette. Ihr erstes Originalprojekt ist „Dispatch“; zuvor hatten sie sich vor allem der Fortführung des erzählerischen Erbes von Telltale verschrieben und waren auch an der Entwicklung von „The Wolf Among Us 2“ beteiligt, das aber mittlerweile wieder komplett beim neuen Telltale Games verankert ist und sich leider in der Entwicklungshölle befindet.

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Nachdem ich alle 8 Folgen, jeweils mit einer Spielzeit von ungefähr einer Stunde und teilweise sogar mehrfach gespielt habe, kann ich mir erlauben ein Fazit zu ziehen: „Dispatch“ liefert ein sehr stimmiges Spielerlebnis für Liebhaber von erzählerisch getriebenen Spielen, die nicht primär auf Action oder komplexes Gameplay setzen, sondern auf Charakterentwicklung, Entscheidungen und eine Prise Management. Wer die Telltale-Spiele mochte, fühlt sich hier sofort heimisch – mit dem Zusatz von Helden-Management und Superhelden-Satire. Die Zielgruppe sind Spieler, die narrative Adventures genießen, Dialog-lastige Erlebnisse schätzen und sich auf ein episodisches Format freuen – um es konkret mit Telltale-Spielen zu vergleichen, am ehesten für  Fans von „The Wolf Among Us“, oder dem ebenfalls herausragenden „Tales from the Borderlands“.

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Allerdings muss man der Vollständigkeit halber erwähnen, dass auf hier die Entscheidungen bei mehrfachem Durchspielen weniger Ausschlag geben, als man zunächst vermutet, ebenfalls ein Erbe der klassischen Telltale-Spiele. Wer mehr Unteraktionsmöglichkeiten und Konsequenzen sucht sollte eher zu „Detroit Become Human“ oder „Until Dawn“ greifen, wo Entscheidungen mehr Konsequenzen haben. Trotzdem ist „Dispatch“ ein charmantes, humorvolles, gut inszeniertes Abenteuer, das zeigt, wie man Superhelden-Mythos, Büroalltag und Humor elegant verbinden kann und uns nebenbei so in den Bann nehmen, dass man bis zum Ende mit fiebert und sogar die ein oder andere Träne verdrückt… Ein absolutes Highlight und hoffentlich der Auftakt einer neuen Reihe!

Entwickler: AdHoc Studio

Publisher: AdHoc Studio

Erhältlich auf: PC, PS5

Getestet auf: PC

NB@13.11.2025

——— Hinweise & Disclaimer: ———

Zur Erstellung dieses Reviews wurde uns vom Publisher ein unentgeltlicher Key für das Spiel zur Verfügung gestellt. Wir danken vielmals für die Unterstützung, weisen aber darauf hin, dass dieser Umstand keine Auswirkung auf unsere Bewertung hat!

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