Manchmal kommt es mir so vor, als ob es plötzlich schick ist irgendetwas blöd zu finden. Das zieht sich durch alle Facetten unseres täglichen Lebens, sei es in den frühen 90ern, wo angeblich niemand zu McDonald’s gegangen ist, da für die Rinderzucht für den Fast Food-Giganten der Regenwald abgeholzt wird, und es dennoch in den Filialen immer brechend voll war oder auch bei den Filmen von Uwe Boll, die im Grunde niemand mag und dennoch fast jeder angeschaut hat, um sich danach darüber aufzuregen. Man mag von den Filmen von Uwe Boll halten was man will, aber ich kann für mich nur sagen, dass Uwe Boll, den ich mal auf einem Screening von „Heart of America“ getroffen habe, ein wirklich netter Mensch ist, der das Kind beim Namen nennt und einige sehr interessante Einblicke über die Macht der Filmindustrie bietet.
Und nun hat es auch mal wieder ein Videospiel in ähnlicher Weise erwischt. Und ich muss ja zugeben, dass ich beim ersten Trailer auch nicht wirklich vom Spiel überzeugt war, da es sich doch stark von der Marke Contra entfernt. Doch nachdem ich von ToLL Relations GmbH & Co. KG, der PR-Agentur, die im Auftrag von Konami arbeitet einen kostenfreien Code für Spiel zum Testen bekommen habe, habe ich mir das Spiel mit einem offenen Geist angesehen und komme zu dem Schluss, dass die Harsche Kritik im Netz nur bedingt gerechtfertigt ist. Zwar handelt es sich vielleicht um ein nicht so gutes Contra, aber nicht per se um ein schlechtes Spiel, eine Aussage, für die man zwangsläufig etwas ausholen muss. Das Spiel wurde von Konami in-house entwickelt und ist seit dem 24.09.2019 auf PC, PS4, Xbox One und Nintendo Switch erhältlich. Die Geschichte knüpft direkt an „Contra III: The Alien Wars“ an und ist in den Ruinen unserer Zivilisation, bzw. hauptsächlich der Stadt „The Damned City“, dem Epicenter der Alien-Invasion angesiedelt, wo die wenigen Überlebenden nach und nach verrückt werden. Es gibt lediglich eine Handvoll Menschen, denen der Alienkontakt nichts auszumachen scheint und aus einigen diesen Menschen setzt sich unsere Gruppe von Söldnern zusammen, die bereitwillig nach Ground Zero einfallen, um Monster auszuschalten und Loot einzusammeln. Viel mehr Story gibt es nicht, aber das ist zugegebenermaßen auch beim Rest der Serie nicht der Fall gewesen. Das zeigt sich auch in den Missionen der Kampagne, denn obgleich diese in Einzelmissionen aufgeteilt ist, ist das Ziel in jedem Level das gleiche: Kämpfe dich durch den Levelschlauch, schalte auf dem Weg Gegner aus und triff am Ende auf einen Boss, den es zu besiege gilt, um das Level abzuschließen. Soweit, so bekannt. Neu sind dabei allerdings, dass es eine Hub-Welt, unterschiedliche Charaktere, Spielmodi und einige RPG-Elemente gibt, die man aus der Reihe bisher nicht kannte.
So wird bekannt das Spiel am Anfang wirklich klassisch und wirft uns nach einem Animierten Introfilm direkt in die Aktion, die allerdings nur als Tutorial fungiert. Denn nach dieser kurzen Einführung, das uns in die gegenüber anderer Teile der Reihe veränderten Mechanik und Ansicht einführt, werden wir in die Hub-Welt, quasi ein begehbares Missionsmenü entlassen. Dabei handelt es sich um ein kleines Camp, wo sich unsere Illustre Runde von Kämpfern, die aus Kaiser, einem an den typischen Contra-Soldaten angelehnten Arnold Schwarzenegger-Verschnitt mit großer Wumme und einem mechanischen Arm mit Bohrer, Ms. Harakiri, einer Attentäterin, die einen Alien-Symbiont in sich trägt, der ihr übermenschliche Kräfte verleiht und nach Blut giert, The Gentleman, eine abgedrehte Alien-Frankenstein-Kreatur, die trotz ihres wilden Aussehens über die feinsten Manieren verfügt und Hungry Beast, kurz H.B., einen riesigen Cyborg-Panda, der alles vernichtet, das ihm in den Weg kommt, aufhält. Dabei versucht man mit den unterschiedlichen Figuren die aus anderen Actionspielen, wie zum Beispiel der Borderlands-Reihe vertretenen Charakterklassen aufzugreifen, denn jeder Charakter hat seine eigenen Vor- und Nachteile und wir können diese nach Lust und Laune wechseln. Zusätzlich findet man im Camp noch unterschiedliche Schusstrainingsstände, den Waffenmeister, die Missionsauswahl für den Singleplayer und den Zugang zu den unterschiedlichen Multiplayer-Modi des Spiels. Der Singleplayer gliedert sich dabei in die Kampagne und zusätzliche „Exploration“ Missionen, die sich auch zusammen mit einem Freund im Couch-Co-Op spielen lassen, was eine wirklich schöne Sache ist, zumal immer mehr Spiele den Couch-Co-Op zu Gunsten eines Online-Multiplayers weglassen. Und gerade der Co-Op ist wirklich toll geworden, denn man kann ihn sogar mit 4 Spielern spielen, anstatt nur mit zwei, wie beim Erstling.
In den Missionen verdienen wir XP, Geld und finden Ressourcen, die wir zum einen für die Optimierung unserer Charaktere, aber auch der Waffen verwenden können. Die Verbesserung der Stats durch XP wird automatisch gutgeschrieben und wird sowohl auf dem Charakter und seiner Primär- und Sekundärwaffe aus Stufe verzeichnet. Gegen Geld und den Einsatz von Ressourcen kann man dann neue Waffen kaufen oder die vorhandenen Waffen verbessern und neue Addons craften. So kennt man das aus unzähligen Spielen bereits, doch neben diesen Optimierungen gibt es im Camp noch die Möglichkeit unsere Charaktere beispielsweise durch plastische Chirurgie mit einem neue Gehirn oder einem neuen Torso auszustatten, was zwar keinerlei optische Veränderungen mit sich bringt, aber seine Stats und Fähigkeiten verbessert. So hält er danach zum Beispiel mehr Schaden aus, startet mit mehr Spezialangriffen in ein Level oder kann verschießt Doppel-, anstatt Einzelschüsse, was mein persönlicher Favorit ist, wenn man die Optimierung mit Kaiser ausrüstet, da er dann den zweiten Schuss mit seinem Bohrer durchführt. Besonders witzig ist dabei, dass für die Operationen unterschiedliche Ärzte auswählbar sind und die Operation sogar schief gehen kann, was dann genau den entgegengesetzten Effekt hat. So bleibt die Optimierung des Charakters ein Glücksspiel…
Doch all das bisher erwähnte ich glaube ich nicht der Grund warum das Spiel so einen negativen Backlash bekommen hat. Dafür sind meiner Meinung weder die RPG-Elemente, noch die nicht vorhandene Geschichte verantwortlich, sondern es gibt einige optische und spielerische Änderungen, die ich auch nur bedingt gutheißen kann. Schauen wir uns die Punkte mal genauer an, die meiner Meinung nach einen großen Effekt auf die Wahrnehmung haben. Denn war Contra bisher immer ein 2D-Run and Gun mit Plattformerpassagen, das in bestimmten Abschnitten manchmal in eine (fake) 3D-Verfolgeransicht wechselte, doch unterschied sich massiv von der Darstellung im aktuellen Contra, denn „Contra: Rogue Corps“ verfügt über eine weites-gehend isometrische 3D-Ansicht mit vordefinierten Kameraperspektiven, die nur für kleine Abschnitte mal in eine Seitenansicht oder eine Rückenansicht wechselt. Die Steuerung bedient sich Anleihen bei Twin-Stick-Shootern und so steuern wir mit dem linken Stick unseren Charakter und mit dem rechten Stick die Zielrichtung der momentan ausgewählten Waffe, wobei der Schuss dann erst per Tastendruck durchgeführt wird. Jeder Charakter bringt dabei immer zwei Waffen mit in den Kampf, die über einen Tastendruck gewechselt werden können. Zusätzlich kann jeder Charakter springen, einen Dash durchführen, in einen Rage-Modus schalten, um kurzzeitig mehr Schaden auszuteilen und eine stark-limitierte Anzahl von Spezialattacken durchführen, die besonders hilfreich sind, wenn wir von einer Übermacht von Gegnern umzingelt sind. Die Steuerung geht nach einer kurzen Eingewöhnung gut von der Hand, auch wenn ich leider sagen muss, das gerade das Schussverhalten im Vergleich zu älteren Contra-Spielen etwas abfällt. Denn nicht nur können unsere Waffen überhitzen und zwingen uns dann entweder zum Wechseln der Waffe oder Abwarten von zwischen 3 und 5 Sekunden (je nach Charakter und Waffe), bis die Waffe wieder einsatzbereit ist, sondern die Schussrichtungen sind leider etwas zu limitiert. Konnte man beim ersten „Contra“ auf dem NES bereits flüssig in alle erdenklichen Richtungen feuern, so ist man hier auf 8 Richtungen auf der horizontale um unseren Charakter herum beschränkt. Ein hochschießen ist leider nicht möglich und wenn ein Gegner zum Beispiel auf einem Auto steht und wir auf der Straße haben wir mit dem normalen Schuss keine Möglichkeit ihn zu treffen, außer wir springen oder begeben uns auf anderem Wege auf die gleiche Höhe wie er, was uns dann aber auch in Gefahr bringen kann. Und letztendlich muss ein wirklich nerviger Punkt noch erwähnt werden: Ein Timelimit! – Denn jedes Level verfügt über ein fixes Timelimit, in der man das Level beendet haben muss. Am Anfang sind die Zeiten relativ moderat, doch gerade wenn man in die fortgeschrittenen Missionen voranschreitet kann es schon einmal eng werden, wenn man etwas trödelt. Und da die Zeit sogar weiter läuft, wenn man das Spiel pausiert, um beispielsweise mal kurz ums Eck zu verschwinden oder sich was zu trinken holt kann das schon zu einigen Frustmomenten führen, wenn es plötzlich heißt, dass die Mission gescheitert ist und man einfach wieder in die Hub-Welt zurückgesetzt wird und nochmal neu beginnen kann. Braucht man so was wirklich, bzw. sind solche restriktiven Mechaniken heute noch zeitgemäß?
Ebenfalls ist die Grafik keinesfalls auf der Höhe der Zeit und sieht schon gar nicht wie ein Spiel eines großen Publishers wie Konami aus. Wenn ich es nicht besser wüsste, dass Konami selbst am Hebel saß würde ich fast so weit gehen zu sagen, dass man sich ein Indie-Spiel eingekauft hat und lediglich in letzter Sekunde Anpassungen vorgenommen hat, um die Popularität der Contra-Lizenz zu nutzen, was aber nicht der Fall zu sein scheint. Aber das A-Team von Konami saß mit Sicherheit nicht an dem Spiel, denn die Level sind, bis auf wenige Ausnahmen recht unspektakulär und verwenden die gleichen Assets, wie Autowraks und zerstörte Gebäudeelemente immer wieder. Das soll zwar nicht heißen, dass es nicht ein paar wirklich schicke Kompositionen à la „The Terminator“ oder anderen Science-Fiction-Filmen gibt, doch die Varianz hätte durchaus etwas größer sein können, zumal die Texturen alle eher auf PS3-Niveau sind. Allerdings muss man in diesem Zusammenhang durchaus die Gegnervarianz, Anzahl und allgemein loben, dass das Spiel trotz vielen Gegnern auf dem Bildschirm und jeder Menge an Explosionen ohne Slowdowns, außer wenn diese bewusst als Stilmittel eingebaut wurden, auskommt und flüssig läuft, denn in diesem Bezug gibt es meiner Meinung nach nichts zu meckern. Gleiches gilt für die allgemeine Präsentation, denn auch wenn sich die Levels inhaltlich immer aus ähnlichen Versatzstücken zusammensetzen, so ist die Inszenierung dennoch toll und gerade in Sachen Bosskämpfe haben sich die Entwickler einiges einfallen lassen, um den Charme der Reihe einzufangen und einige wirklich abgedrehte Dinge auf den Spieler loszulassen.
Insgesamt hatte ich in der knapp 15-stündigen Kampagne und einigen Wiederholungen einzelner Abschnitte, um einen besseren Score und mehr Loot freizuschalten eine Menge Spaß mit dem Spiel. Es ist kein per se schlechtes Spiel und ich denke, dass viele dem Spiel auf Grund seiner radikalen Neuerungen im Vergleich zu klassischen Contra-Spielen etwas Unrecht tun. Zwar bin ich selbst mit Dingen, wie dem Timelimit und dem Überhitzen von Waffen nicht ganz konform, doch gerade an die Ansicht gewöhnt man sich recht schnell und es gibt dennoch viele Referenzen an die Ursprünge der Reihe zu entdecken. Spiele der klassischen Contra-Machart findet man heute zwar noch im Indie-Bereich, wie das ziemlich gute „Blazing Chrome“, aber ich kann Konami durchaus verstehen, dass sie die Marke auch weiterentwickeln wollen. Und auch wenn es einige Punkte gibt, an denen man durchaus noch einiges nachzubessern hat, so liefert das Spiel dennoch genau das, was es abliefern soll: Spaß! – Gerade wenn man mit mehreren Spielern zusammenspielt gibt es momentan kaum etwas Besseres auf dem Markt. Einfach das Hirn ausschalten und Horden von Gegnern nieder metzeln. Hier wäre es nur schön, wenn es noch mehr Optionen an Charakteranpassung oder Charaktermodellen gäbe. So vermisse ich zum Beispiel einen Charakter, der an „Propotector“, die Version von Contra, die wir hierzulande bekommen haben, angelehnt ist. Doch da Konami bereits entgegen dem vorherrschenden Trend mit Mikrotransaktionen und Season Pässen angekündigt hat, dass sie vollkommen gratis weiteren Inhalt, wie Missionen und Charaktere für das Spiel nachliefern wollen, können wir also gespannt sein, was die Zukunft für das aktuelle Contra bereit hält.
NB@01.10.2019
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Also ich teile ja absolut deine Ansicht, dass manche Produkte/ Games zu unrecht verteufelt werden oder schlechte Kritiken einfahren, die bei persönlicher Betrachtung nicht ganz nachvollziehbar erscheinen und eigentlich nur das entlarven, was sie in dem Moment sind: eine subjektive Meinung einer Person oder Gruppe. Soviel dazu. Aber für mich hat sich das Spiel schon selbst mit dem Time Limit ins Abseits geschossen. Sorry, Contra hin Neuausrichtung her, aber die sinnlose Hektik brauch ich einfach nicht. Klar macht das manchmal Sinn. Wenn die Story es hergibt, zB der klassische Selbstzerstörungs-Timer und man muss die Basis fluchtartig verlassen. Klar. Das gibt Action und Spannung und macht vor allem eines: Sinn!
Aber so ein Time Limit per se? Nö danke, lass ma. Gibt ja genug andere gute Games.
Just my 2 cents.
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Guter Tipp. Das Spiel macht echt ziemlich Spaß
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