Dass Indies nicht gleichzusetzen mit „billig“ sind, ist spätestens seit dem überragenden „Hellbade: Senua’s Sacrifice“ kein Geheimnis mehr. Selbst ein kleines Team kann, sofern es genug Hingabe hat, auch mit kleinem Budget durchaus beeindruckende Spiele auf die Beine stellen, die selbst große Titel mit Teams in den Schatten stellen. So gerade wieder geschehen mit einem Spiel, das ich zugegebenermaßen erst über einen Twitter-Post kennengelernt habe und im ersten Moment mit einem Dark Souls verwechselt habe. Und wo Dark Souls-Entwickler From Software mittlerweile nahezu 300 Mitarbeiter stark ist, wurde „Mortal Shell“ in der Hochphase von gerade mal 15 Leuten entwickelt, von denen aber lediglich 4 Leute zum Kernteam zählten und der Rest lediglich stundenweise mitgearbeitet hat. Das klingt alles mehr als abstrus, Grund genug sich das Spiel einmal genauer anzusehen, wofür mir dankenswerter Weise vom Entwickler ein kostenfreier Review-Code für die Xbox One überlassen wurde, was aber selbstverständlich keinen Einfluss auf meine Bewertung hat.

Gleich zu Beginn muss man den Entwicklern von Cold Symmetry, wie auch dem Publisher Playstack, ein großes Kompliment aussprechen, denn diese geringe Personenstärke zeigt sich absolut nirgendswo und auch wenn keine genauen Informationen zum Budget bekannt sind, so wurde hier jeder Cent genau an die richtige Stelle investiert und einzig beim Marketing, was bei großen Produktionen einen Großteil des Budgets verschlingt, wurde der Rotstift angesetzt, weswegen das Spiel immer noch so etwas, wie ein Geheimtipp ist.

Entgegen „Code Vein“, einem anderen Souls-like, über das ich erst kürzlich berichtet habe, nimmt uns „Mortal Shell“ zu keiner Zeit an die Hand und wirft uns direkt ins kalte Wasser. Wir erfahren weder einen genauen Kontext, wer wir sind, in welcher Welt wir uns befinden und bekommen auch keinerlei Hilfestellung in Form von Quest-Beschreibungen, oder ähnlichem. Wenn man nicht genau aufpasst und den ein oder anderen subtilen Hinweis in Form eines Kameraschwenks nicht mitbekommt, kann man im Grunde sogar ohne die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände durch die Welt ziehen und wird schnell, bzw. eher früher als später, das zeitliche segnen.

Wir steuern dabei einen körperlosen Geist, eine schemenhafte Gestalt ohne jegliche Erinnerung an ihr Leben und kämpfen uns von der Welt der Toten wieder in die Welt der Lebenden, wo wir die sterbliche Hülle (= Mortal Shell) von gefallenen Kriegern einnehmen können, die wir dann durch die düsteren Lande steuern und uns sowohl deren Körper, wie aber auch die speziellen Fähigkeiten zu Nutze machen. Insgesamt gibt es davon vier unterschiedliche Kämpfer, die wir beherbergen können und die jeweils ihre eigenen Fähigkeiten, samt Skills, was das Spiel dabei etwas von anderen Vertretern des Genres abhebt. So müssen wir uns nicht händisch auf ein Setup festlegen, sondern können unterschiedliche Stile ausprobieren und je nach Situation auch hin- und herwechseln.

Den Anfang macht der etwas langsame, aber dafür gut ausbalancierte Harros, ein Ritter, der zum Beginn leider für eine ziemlich hohe Lernkurve sorgt, da bei wenigen Treffern das zeitliche segnet. So braucht es etwas anfängliche Hingabe, bis man mit der leicht verzögerten Steuerung soweit verinnerlicht hat und nicht jeder kleine Gegner eine tödliche Bedrohung darstellt. Doch mit anderen Charakteren sieht das dann schon ganz anders aus, wie Wechsel zur zweiten Hülle, Tiel deutlich machte. Er hat viel mehr Stamina für Schläge und Ausweichmanöver, was die Kämpfe, zumindest für mich, einfacher gestaltete. Weiter gibt es noch Eredrim, der zwar einen riesigen Lebensbalken, aber dafür kaum Stamina hat Solomon, der einen großes Repertoire an Special Moves im Gepäck hat.

Jeder Charakter kommt dabei mit eigenen Special Moves, Ausrüstungsgegenständen und einem eigenen Skill Tree daher, weswegen man besonders am Anfang genau überlegen sollte für was man die hart-verdienten Ressourcen ausgibt. So empfiehlt es sich erst einmal die unterschiedlichen Charaktere auszuprobieren, um herauszufinden welcher einem am ehesten liegt. Weiter bietet diese Mechanik vor dem Ableben noch eine zweite Chance, denn wenn unser Lebensbalken aufgebraucht ist sterben wir nicht sofort, sondern wir werden aus der Hülle herausgeschleudert und können entweder in unserer schwachen Form weiterkämpfen, versuchen wieder in die Hülle zu steigen, oder laufen feige davon. Alles valide Optionen, die je nach Situation angebracht sein können und immer noch besser sind, als direkt zu sterben und am letzten Speicherpunkt aufzuwachen. – Denn wie bei den anderen Souls-Spielen verlieren wir dabei unseren eingesammelten Vorrat an „tar“ und „glimpse“, was das Äquivalent zu den Seelen darstellt und als Währung für das Aufleveln und Einkaufen verwendet wird. Nach dem Ableben haben wir die Gelegenheit unseren Verlust am Punkt des Todes wieder einzusammeln, doch sterben wir vorher noch einmal, ist beides für immer verloren. Um tar und glimpse zu sichern müssen wir speichern, was aber auch in typischer Genre-Tradition die Gegner respawnen lässt und daher sparsam eingesetzt werden sollte.

Entgegen anderer Souls-likes, wie das bereits erwähnte „Code Vein“, oder auch das wirklich gelungene „Nioh 2„, gibt es in „Mortal Shell“ nur vier unterschiedliche Waffen zu entdecken, von denen wir die erste im Intro bekommen und die anderen jeweils einem Boss abluchsen müssen. Dafür gibt es aber auch noch eine komplett eigene Mechanik in Form des sogenannten „Harden“-Systems. Das erlaubt es uns nämlich uns kurzzeitig in eine Steinfigur zu verwandeln, die einen Schlag absorbieren kann, was sich sogar taktisch in Kombos einbauen lässt. Natürlich unterliegt das einem Cooldown, weswegen man das entsprechende Timing braucht und die Fähigkeit nicht spammen kann, was am Anfang wirklich etwas Übung braucht.

Von der technischen Seite ist das Spiel auf wirklich hohem Niveau und besticht sowohl durch düsteres, wie auch detailliertes Charakter- und Weltendesign. Und entgegen der größten Inspirationsquelle von der Souls-Reihe, wird in Sachen Weltendesign eher Zelda referenziert, da wir neben der Hub-Welt in drei ziemlich unterschiedliche Dungeons reisen, die jeweils mit ihrer eigenen Identität aufwarten. Zwar ist das Spiel alles andere als leicht und die Entwickler haben eine etwas perfide Vorliebe Gegner im toten Winkel als Hinterhalt zu platzieren, doch mit etwas Eingewöhnungszeit erkennt man diese faulen Tricks. Die Welt bietet eine Menge zu entdecken und große Teile der Geschichte eröffnen sich auch nur durch ebendiese Erkundung, das Lesen von verstreuten Dokumenten und die Interpretation von allen, was man findet.

Auch wenn der Einstieg etwas steinig ist, gerade die erste Hülle nicht unbedingt die beste Wahl für den Anfang ist und man sich darauf einstellen sollte, dass man gerade zu Beginn viele Bildschirm-Tode erleben wird, bis man die Steuerung entsprechend verinnerlicht und die anderen Hüllen gefunden hat. Diese sind alle nicht weit von Start entfernt, doch etwas versteckt. Doch danach begeistert das düstere Setting mit seinem ganz eigenen Charme und besonders wenn man sich vor Augen führt wie klein das Entwicklerteam wirklich war, ist das Ergebnis mehr als herausragend und muss sich nicht hinter den Genre-Größen verstecken.
Entwickler: Cold Symmetry
Publisher: Playstack
Erhältlich auf: PC, PS4, Xbox One
NB@09.09.2020
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