Jüngere Leser werden es wahrscheinlich gar nicht mehr mitbekommen haben, aber die erfolgreiche GTA-Reihe war nicht immer die ironische 3D-Sandbox mit Fokus auf starke Charaktere und Geschichten, die wir heute kennen. Denn der erste Teil der Reihe feierte 1997 sein Debüt und das unterschied sich damals noch ziemlich anders: Das Spiel bot zwar eine recht offene Spielwelt, war aber noch nicht gespickt mit unzähligen Aktivitäten, sondern war im Kern eher linear angelegt. Die Charaktere waren eher blasse Stereotypen und blieben im direkten Vergleich eher gesichtslos und der gravierendste Unterschied war wahrscheinlich die Optik, immerhin waren der sowohl der erste, aber auch der zweite Teil noch in Topdown-Ansicht.

Auch wenn das ziemlich anders war, als das GTA, das wir heute kennen und diese Beschreibung an sich erst mal negativ klingen mag, hatte mich das Spiel schon damals gefesselt. Umso interessierter war ich an „Rustler“, dem neuen Release von Modus Games, die das Spiel dabei als „Grand Theft Horse“ bezeichnen, da es quasi ein „GTA im Mittelalter“ ist. Entwickelt wurde das Spiel von Jutsu Games, die bisher lediglich ein anderes Spiel entwickelt hatten, von dem ich persönlich noch nie etwas gehört hatte. Doch jeder fängt zugegebenermaßen mal klein an. Und auch wenn das FMV-Intro des Spiels auf den ersten Blick zwar ein wenig zum Fremdschämen wirkt, ist es dennoch lustig gemacht und greift gleichzeitig die Essenz des Spiels ziemlich gut auf.

Ebenso wie das PS1-Original von Rockstar’s Vorzeigeserie sehen wir das Spiel aus einer isometrischen Topdown-Ansicht und spielen einen Kleinkriminellen, der sich von kleinen Raubzügen bis zum Gangsterboss erheben möchte. Unser Protagonist, lediglich betitelt als “Guy”, was im englischen sowohl eine unspezifische Bezeichnung, wie auch ein Vorname sein kann, ist eigentlich Bauer, fühlt sich aber zu höherem berufen. So müssen wir zwar anfangs noch das Feld unserer Familie bestellen, streben aber höhere Positionen, in diesem Fall konkret das sogenannte Grand Tournament an, um damit Frauen zu beeindrucken zu können. Dass das jedoch mit viel Arbeit verbunden sein kann sucht Guy allerdings einfachere Wege, sich seinen Platz zu erschleichen, statt zu erarbeiten. So räumen wir Mitbewerber aus dem Weg, helfen einer Gruppe religiöser Alkoholschmuggler ihre Ware unters Volk zu bringen, überfallen den ein oder anderen Geldtransport, vermöbeln ungehobelte Barden, oder begeben uns gar auf die Suche nach dem heiligen Gral.

Die Geschichte wird dabei weniger in Form von echten Zwischensequenzen, sondern mehr in Interaktionen und Gesprächen mit NPCs erzählt, weiß aber in den meisten Fällen durch interessante Ideen und lustige Dialoge zu überzeugen. So nimmt sich das Spiel beispielsweise überhaupt nicht ernst, die größeren Städte verfügen über primitive Ampelsysteme, die Polizei(-Pferde) sind mit Blaulicht ausgestattet und wir finden auch unzählige Referenzen aus Film-, Fernsehen, oder Popkultur. So dauert es beispielsweise nicht lange, bis man mit den Rittern der Kokosnuss interagiert, die auch Aufträge für uns haben, oder gegen den mächtigen Schwarzen Ritter kämpft, was genauso abläuft, wie im klassischen Film von Monty Python. Die Missionen sind dabei ziemlich abwechslungsreich und die Spielwelt erlaubt uns selbstverständlich auch den Sandbox-typischen Quatsch, den wahrscheinlich jeder schon in diesen Spielen gemacht hat. Es wäre allerdings etwas schöner, wenn die teils echt lustigen Gespräche vertont wären, was aber leider nicht der Fall ist. Hingegen machen die Figuren beim unterhalten nur komische „Grunzlaute“, wie man es beispielsweise auch als Banjo Kazooie und Konsorten kennt und die man auch leider nicht ausstellen kann.

Spielerisch ist das auch stark an GTA angelehnt, verfügt aber durch das Mittelalter-Setting über einen stärkeren Fokus auf Nahkampf. Zwar gibt es auch Bögen und Armbrüste, doch im Vergleich dazu gibt es eine viel größere Anzahl unterschiedlicher Schwerter, Äxte, Speere, usw. die jeweils auch ihre eigenen Vor- und Nachteile mit sich bringen, bzw. sich im Kampf gegen unterschiedle Typen, oder Anzahlen von Gegnern eignen. Da Autos im Mittelalter noch Mangelware waren beschränken sich die Fortbewegungsmittel auf Pferde, Kutschen, oder unsere eigenen Füße, wobei es aber dennoch Varianz bei den Pferden gibt, die sich in Geschwindigkeit, Ausdauer und Aussehen zeigen. Und selbstverständlich können wir Pferde auch über „Pimp-a-Horse“ vom Aussehen her verändern lassen, um die Polizei abzuschütteln und unser Wanted-Level wieder zurückzusetzen, denn gerade auf höheren Stufen werden die Gegner ganz schön aggressiv…

Von der technischen Seite ist das Spiel leider ein zweischneidiges Schwert, denn es gibt leider, trotz der eher simplen Optik, immer wieder Slowdowns. Weiter ist gerade die Steuerung der Pferde ziemlich sensibel, was zur Folge hat, dass man schnell übersteuert, oder dann an Bäumen, Sträuchern, oder sonstiger Levelarchitektur hängen bleibt. Ebenso hätte die Karte des Spiels etwas mehr Details vertragen können, da man auf ihr oft nicht genau erkennt, wo Begrenzungen existieren, die mitunter einen Umweg erfordern, um von A nach B zu kommen. Auf der Haben-Seite ist aber auf jeden Fall, zumindest was die PS5 angeht, die Unterstützung der adaptiven Trigger des DualSense hervorzuheben, die uns durch unterschiedliche Feedbacks ein haptisches Feedback zu Guy’s Ausdauer geben. Es ist schön, dass auch Entwickler außerhalb von Sony’s First Party langsam anfangen die neue Technik zu implementieren, was mit wenigen Ausnahmen immer noch Mangelware ist.

Insgesamt ist „Rustler“ ein spaßiger Exkurs ins (nicht so düstere) Mittelalter auf Basis eines Proto-GTA. Die Geschichte an sich ist zwar eher unspektakulär, hält aber einige überaus witzige Quests und Dialoge bereit, die zu gefallen wissen. Lediglich von der technischen Seite gibt es ein paar Kritikpunkte und auch die doch eher reduzierte Präsentation, was besonders bei den Gesprächen, durch fehlende Vertonung, ins Auge springt, könnte durchaus Spieler abschrecken. Gerade durch das witzige FMV-Intro werden diesbezüglich höhere Erwartungen geschürt. Dennoch unterhält das Spiel in seiner moderaten Spielzeit von knapp 8-10 Stunden und ich bin persönlich gespannt, ob wir vielleicht in ein paar Jahren ein „Rustler 2“ präsentiert bekommen, der die kleinen Kritikpunkte ausmerzt und insgesamt vielleicht etwas mehr Production Value spendiert bekommt. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall, denn das Potential ist auf jeden Fall vorhanden.
Entwickler: Jutsu Games
Publisher: Modus Games
Erhältlich auf: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, Nintendo Switch
NB@24.09.2021
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