Retro Review: „Dr. Jekyll and Mr. Hyde (NES)“ – Was bietet der Horror? #TBT #ThrowbackThursday

Ich habe es wirklich getan, ich habe mir das als schlechtestes NES-Spiel verschriene „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ zugelegt. Früher als, der Angry Video Game Nerd noch der Angry Nintendo Nerd war und auch wirklich noch über Spiele berichtet hat, hat er gleich mehrere Videos macht, in denen er die Welt vor diesem Spiel gewarnt hat. – Doch alles hat anscheinend nichts genutzt, denn ich halte es in meinen Händen. Und da das noch nicht verrückt genug ist habe ich mir sogar zusätzlich zum westlichen Release auch noch die japanische Famicom-Version zugelegt, die sich inhaltlich unterscheidet. Und das aller Verrückteste ist dann auch noch, dass ich das Spiel an sich gar nicht so schlecht finde!?! Bevor jetzt Leute anfangen ihre Mistgabeln zu wetzen und Fackeln anzuzünden, um mich aus der Stadt zu treiben schlage ich vor, dass ich einfach mal über das Spiel berichte.

Aber fangen wir besser ganz am Anfang an. Das Spiel wurde von Advance Communication Co., eine kleinen japanischen Softwareschmiede, die lange nicht mehr existiert aber damals einige Spiele auf der Konsole und dem Nachfolger veröffentlicht hat. Andere Veröffentlichungen sind zum der spaßige Sci-Fi-Dino-Shooter „Dynowarz“ (ja, sowas komisches gibt es wirklich!) auf dem NES oder auch das etwas merkwürdige „Super Godzilla“ auf dem SNES, doch keins der Spiele ist so berüchtigt, wie „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“. Es erschien 1988 gepublished von Toho in Japan und wurde knapp ein Jahr später, also 1989 von Bandai in den USA veröffentlicht.

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In Europa ist es nie erschienen, weswegen es wahrscheinlich hierzulande erst durch YouTube seine Bekanntheit erlangt hat. Dabei ist die Vorlage schon einmal nicht von schlechten Eltern, denn das Spiel basiert auf dem Buch „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ von Robert Louis Stevenson und ist zweifelsfrei ein Stück Weltliteratur, über einen genialen Wissenschaftler namens Dr. Jekyll, der sich nach einem missglückten Selbstexperiment im ständigen Kampf mit seiner animalischen und bösen Seite, die als Mr. Hyde bezeichnet ist, befindet.

Zugegebenermaßen bekommt man der gesamten Handlung des Buches im Spiel nicht besonders viel mit, aber immerhin ist der Wechsel der beiden Personen recht gut implementiert, auch wenn die Hintergründe, was für die damalige Zeit allerdings Usus war, nur im Handbuch erklärt wurden. Es ist der Hochzeitstag von Dr. Jekyll, der seine Verlobte, die junge Lehrerin Ms. Millicent heiraten möchte. Dazu muss er es lediglich von seinen Haus bis zur Kirche schaffen, wo seine Zukünftige auf ihn wartet. Doch er hat seine Rechnung leider ohne die anderen Dorfbewohner gemacht, denn jeder und alles hat es auf den armen Doktor abgesehen und versucht ihn davon abzuhalten die Kirche zu erreichen. Wir bewegen Jekyll dabei von links nach rechts durch 6 unterschiedliche Levels und haben jeweils das Ziel das Ende der Stage zu erreichen. Doch das ist mit einer Vielzahl an Gegnern und keiner wirklichen Art sich zu Wehr zu setzen nicht so einfach. Zwar hat Jekyll einen Stab in der Hand, mit dem man auch (zaghaft) Zustoßen kann, doch einen Effekt scheint dass auf die meisten Gegner nicht zu haben. Daher ist man besser beraten eher auszuweichen, denn mit jedem Treffer sinkt die Lebenskraft und steigt der Stressmeter des eigentlich friedlichen Doktors. Dafür verfügt man im Spiel gleich über zwei Balken. Zum einen gibt es den klassischen Lebensbalken als „Life“, den sich Jekyll und Hyde teilen. Dieser funktioniert sehr klassisch, denn mit jedem Treffer verschwindet ein Stück des Balkens und wenn er leer ist, ist das Spiel zu Ende. Zum anderen gibt es aber zusätzlich einen zweiten Balken, der komischerweise nur als „Meter“ bezeichnet ist, aber laut Handbuch eigentlich „Stress Meter“ heißt, was eindeutig mehr Sinn macht. Diese Balken zeigt das Gleichgewicht zwischen der guten Seite (= Jekyll) und der bösen Seite (= Hyde) und verhält sich unterschiedlich, je nachdem wen wir gerade spielen: Als Jekyll verringert er sich mit jedem Treffer und wenn er leer ist verwandeln wir uns in Hyde. Als Hyde können wir dann durch getötete Gegner den Meter wieder auffüllen, um uns wieder in Jekyll zu verwandeln und mit unserer Mission fortzufahren.

Der Modus um Jekyll funktioniert dabei antizyklisch. Wir durchlaufen zwar die gleiche Stage, aber dieses Mal von rechts nach links. Die Welt hat sich allerdings in diesem Modus ín Dunkelheit gehüllt und wird von abartigen Monstern beherrscht. Aber Hyde hat ein paar mehr Tricks drauf, als der gute Doktor und kann Projektile, die auf dem Cover prominent beworbene „Psycho-Wave“, verschießen, um sich in bester Shoot-em-up-Manier den angreifenden Gegnern zu entledigen, während der Bildschirm automatisch von scrollt und wir so schnell wie möglich versuchen müssen unseren „Meter“ wieder zu füllen. Und eile ist geboten, denn da sich Jekyll und Hyde in der gleichen Stage befinden kann es passieren, dass wir mit Hyde an der Stelle ankommen, wo sich Jekyll gerade befunden hat. Sollte das passieren, bedeutet das, dass das Böse in Jekyll für immer die Oberhand gewonnen hat, wir nicht mehr zu Jekyll zurückkehren können und „eine höhere Macht, um Schlimmeres zu verhindern, einen Blitz vom Himmel schickt“ um sowohl Jekyll, als auch Hyde zu eliminieren und das Spiel endet. Das sind übrigens nicht meine Worte, denn so wird diese Mechanik im Handbuch erklärt, auch wenn es meiner Meinung nach etwas zu hochtrabend ausgedrückt ist, habe ich es lediglich sinngemäß ins Deutsche übersetzt:

Handbuch
(c) Bandai

Haben wir es allerdings geschafft den Meter zu füllen, so verwandeln wir uns wieder in Jekyll zurück und obendrauf wird unsere Lebensenergie wieder aufgefüllt. Schaffen wir es nicht rechtzeitig oder unsere Lebensenergie wird komplett, egal ob im Jekyll– oder Hyde-Modus aufgebraucht so endet das Spiel. Doch in Sachen Continues ist das Spiel sehr freigiebig, denn es scheint dabei keine Begrenzung zu geben und bei Fortsetzen nach dem Game Over starten wir wieder mit voller Lebensenergie und vollem Meter am Anfang des jeweiligen Levels, in dem wir uns gerade befunden haben.

So habe ich es nach etlichen Versuchen auch geschafft das Spiel zu beenden. Dabei sei erwähnt, dass es zwei unterschiedliche Enden im Spiel gibt. Das schlechte Ende wird erreicht, wenn Jekyll die 6 Levels beendet und die Kirche erreicht. Zwar trifft er dann dennoch auf seine Angetraute und kann sie ehelichen, doch das böse in ihm und in der Welt ist nicht besiegt. Schafft man es hingegen mit Hyde als ersten an der Kirche anzukommen, so wird dem Spieler ein Bosskampf gegen Letule, einen Dämon, der für das böse in der Welt von Jekyll verantwortlich ist, vorgesetzt und wenn man diesen besiegt scheint das böse gebannt. Niemand stellt sich Jekyll mehr auf seinem Weg in die Quere und alles scheint gut zu sein, obwohl der letzte Funke des bösen immer noch in Jekyll lebt… – Also auch wenn das letztere als das „gute Ende“ gezählt wird und gerade der Bosskampf frischen Wind in das Spiel gibt, so sind beide Enden nicht wirklich als gut zu werden. Aber wenn es nach dem Spielspass geht so sollte man auf jeden Fall versuchen das Ende mit dem Bosskampf in Angriff zu nehmen, was sogar im Direktvergleich etwas leichter ist, wenn man weiß wie es funktioniert: Denn man spielt das Spiel ganz normal bis zum Anfang von Level 6, wo man sich absichtlich treffen lassen sollte, um sich in Hyde zu verwandeln. Von dort an spielt man Hyde und versucht so weit zu kommen, wie es geht. Wenn man sich wieder in Jekyll verwandet wiederholt man den Vorgang, bis man als Hyde bei der Kirche ankommt. Man muss sich dabei keine Sorgen zu machen an die Stelle zu kommen, wo sich Jekyll befindet, denn sobald Hyde in der letzten Stage ankommt weicht er von selbst auf die Dächer der Gebäude aus und man kann nicht mehr an den gleichen Platz, wie Jekyll kommen und in Folge dessen auch nicht vom Blitz getroffen werden. Zwar sind gerade diese letzten Abschnitte auf Grund von vielen Angreifern, Projektilen und einigen Instant-Death-Sprungpassagen auch nicht ohne, aber der Bosskampf und das Ende, das zum Greifen nah sind entlohnen dafür, spätestens wenn Letule das zeitliche segnet:

BossEnd

Und auch wenn die Enden in beiden Versionen des Spiels gleich ablaufen, so gibt es dennoch inhaltliche Änderungen zwischen der Amerikanische und der japanischen Version des Spiels, die als „Houma ga Toki“ betitelt ist. So ist die japanische Version zum einen guten Tick schwerer und die Gegner fügen uns mehr Schaden zu. Allerdings beinhaltet die japanische Version mehr Levels, als die amerikanische. Zwar gibt es in beiden Spielen insgesamt 6 Levels, die man als Jekyll durchlaufen muss, doch zwei Stages wurden aus der japanischen Version bei der Portierung entfernt und durch angepasste Dopplungen von anderen Levels ersetzt und zusätzlich einige Gegnertypen und andere Inhalte in der weggelassenen Stages entfernt. So gibt es nur in der japanischen Version eine gewisse Art von Damen, die dem Doktor gegen Bezahlung „helfen“ seinen Stress loszuwerden, was natürlich mit dem familienfreundlicheren Bild der Konsole in den USA nicht so gut zusammenpasst. Ich gehe daher auch nicht weiter ins Detail und auch wenn man logischerweise nichts sieht, so lässt diese Mechanik meiner Erachtung nach keine abweichende Interpretation zu. Abseits davon sind mir keine gravierenden Änderungen aufgefallen, auch wenn es etwas merkwürdig ist, dass die entfernten Level und die darin auftretenden Sprites gefühlt etwas schlechter aussehen, auch wenn es sich um Sprites handelt, die auch in anderen Bereichen des Spiels auftreten.

Vergleich

Insgesamt ist das Spiel grafisch wenig spektakulär und verwendet immer die gleichen Elemente wieder. So gibt es zwar eine überraschend vielschichtige Gegnervarianz, die teilweise an festen Punkten spawnen, aber in anderen Instanzen auch zufallsgeneriert auftreten, doch insgesamt gibt es wirklich schönere NES-Spiele. Man muss in diesem Zusammenhang auf jeden Fall bedenken, dass es sich um ein sehr frühes Spiel der Konsole handelt und die Entwickler erst im Laufe der Zeit die Grenzen des Möglichen ausgetestet haben. Deswegen sieht auch beispielsweise das erste „Super Mario Bros.“ um Längen schlechter aus, als der dritte Teil, um nur ein Beispiel zu nennen. Und besonders die frühen NES, bzw. Famicom-Spiele, wie man auch in meinem Review zum „Nintendo Classic Mini Famicom – Shonen Jump Version lesen (und sehen) kann, sehen teilweise verboten aus. Aber es gibt auch inhaltliche Probleme: So hätten die Hitboxes der Gegner viel mehr Finetuning gebraucht, denn mal wird man von einer Bombe, die neben einem explodiert kauf tangiert und in anderen Momenten befindet man sich einen halben Screen entfernt und büßt dennoch die Hälfte der Lebensenergie ein. In anderen Instanzen scheinen manche Treffer auch mal gar nichts zu machen und in anderen schon, was leider wahnsinnig inkonsequent ist und zugegebenermaßen für den ein oder anderen Wutausbruch während dem Spielen geführt hat und gerade im Jekyll-Modus macht es im Grunde überhaupt keinen Sinn eine Waffe zu haben, wenn sie gegen 99,9% der Gegner, also wenn man von den Bienen absieht, nutzlos ist. Die Musik hingegen kann sich dafür mehr als nur sehen lassen und ist trotz der Limitierungen des Systems ziemlich vielschichtig mit gruseligen Untertönen geworden und passt gut zur leicht bedrohlichen Grundstimmung des Spiels, auch wenn das Hauptthema ursprünglich für den Fantasy-Plattformer „Rygar“ geschrieben wurde und vom Komponisten Michiharu Hasuya, der an beiden Spielen arbeitete, einfach mit leicht angepasster Tonhöhe wiederverwendet wurde.

Es gibt viele Unzulänglichkeiten, was das Spiel angeht, doch so verteufeln sollte man es dennoch nicht. Mir ist zwar auch klar, dass die Reviews des Angry Video Game Nerd immer mit einem Augenzwinkern zu verstehen sind und er hat sogar einen ziemlich tollen Real-Life-Trailer zum Spiel produziert, der diese Parodie nochmal auf die Spitze treibt, die ganzen Probleme darin aufgreift und den ich euch daher auch hier verlinke:

Bei „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ handelt es sich zweifelsfrei um kein herausragendes Spiel. Die Steuerung ist ziemlich schwammig, der Verlauf wahnsinnig monoton und teilweise kryptisch, aber dennoch hatte ich mit dem Spiel eine ganze Menge Spaß, während ich es für das Review nochmal komplett durchgespielt habe. Eindeutig setzt nach einer gewissen Eingewöhnungszeit ein Lerneffekt ein, der dafür sorgt, dass man besser mit dem Spiel zurechtkommt und da es unendliche Continues gibt ist es mit etwas Durchhaltevermögen und dem Know How, wie man das gute Ende erreichen kann auch gar nicht so schwer. Und auch wenn die japanische Version in Sachen Inhalt und Umfang auf jeden Fall vorzuziehen ist, so ist das Cover der amerikanischen Version einfach Badass und hatte mich lange angesprochen, bevor ich überhaupt ein NES hatte. Und auch wenn die erste Momente mit dem Spiel frustig sein können, sollte man ihm dennoch trotz der zumeist negativen Meinung der Allgemeinheit durchaus mal eine Chance geben.

NB@26.09.2019

——— Hinweise & Disclaimer: ———

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