Es ist schon merkwürdig wie schnell den Spielen heutzutage ein Stempel aufgedrückt wird und sich (scheinbar) alle einig sind. Wie jüngst schon bei „The Callisto Protocol“ geschehen, ging es für „Forspoken“, das neue Action-RPG der „Final Fantasy XV“-Macher von Luminous Productions, in eine ähnliche Richtung. So sitzt das Spiel momentan auf einem Metascore von 65 und einem sogar noch schlimmer vernichtenden User Score von 3.5. Zum Vergleich sogar „Duke Nukem Forever“ hat einen User Score von 5.8… – Und ich möchte niemandem etwas vormachen, „Forspoken“ ist nicht perfekt, sogar weit davon entfernt, aber es ist mir Sicherheit nicht so schlecht wie es gemacht wird!

Wir spielen Alfre Holland, die sich aber von allen Fray nennen lässt. Sie ist als Waise recht mittellos in New York aufgewachsen und ist immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Doch das soll ein für alle Mal hinter ihr liegen, denn sie hat endlich genug Geld gespart, die es ihr und ihrem geliebten Kater Homer erlauben die Stadt und die schlechten Einflüsse endlich hinter sich zu lassen. Doch wie es immer so läuft nehmen die Dinge einen komplett anderen Verkauf und Fray steht vor den Trümmern ihres Lebens. Doch dann gelangt sie durch Zufall an einen mysteriösen Armreifen, der sie nach Athia, eine fremde Welt, die einer High Fantasy-Version unseres Mittelalters nachempfunden ist, transportiert.

Diese bedrohliche Welt wird von mächtigen Hexen, genannt Tantas regiert und von einer alles zerstörenden Macht, dem Break, in ihrer Existenz bedroht. Aus unerfindlichem Grund ist Fray gegen den Break immun und der mysteriöse Armreif, der mit ihrem Körper verbunden ist, spricht nicht nur plötzlich mit ihr, sondern verleiht ihr auch magische Kräfte. Aus diesem Grund betrachtet die Bevölkerung von Athia sie als ihre Retterin, obgleich sich Fray nicht so sieht und eigentlich nur einen Weg nach Hause sucht. Doch sowohl die Rettung von Athia, wie auch ihr Weg zurück sind miteinander verwoben. So ist Fray, die ihr Leben lang bemüht war nicht aufzufallen und nur für sich verantwortlich war, ohne ihr Zutun gezwungen eine klare Position zu beziehen und in den Kampf für Gerechtigkeit zu ziehen…

Die Geschichte zusammenzufassen ist gar nicht so einfach, da sich besonders in den ersten Spielstunden die Ereignisse überschlagen und durch die komplett unbekannte Welt mit ihren eigenen Normen viel Exposition auf den Spieler hereinbricht. Und dabei ist noch gar nicht die erwähnt worden, dass der Armreif plötzlich anfängt mit Fray zu sprechen und im Spielverlauf sowohl als Plot Device für Informationen, aber auch Unterhaltung und sonst Freund fungiert. Die Spielwelt verfügt über eine komplett eigene Gesellschaftsordnung, es gibt Elemente von Magie und Fabelwesen und erinnert damit an eine abgewandelte Version von Alice im Wunderland, wozu direkt zum Beginn auch ein paar ziemlich deutliche Referenzen eingebaut sind. Diese „Fish out of Water“-Version bringt aber auch Potential mit, denn für uns als Spieler ist die Welt ebenso neu, wie für Fray, weswegen man der narrativen Struktur und den nach und nach hinzu kommenden Gameplay-Elementen gut folgen kann.

Nach einem Prolog im modernen New York, der uns in die grundlegenden Mechaniken und eine stark geskriptete Einstiegsphase in Athia, die uns wiederum die ersten magischen Fähigkeiten, neben dem ersten Bosskampf präsentiert, entlässt uns das Spiel in die offene Spielwelt. Die Map ist zwar nicht die größte, aber dennoch ziemlich umfangreich, vergleichbar mit „Elden Ring„, oder „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“, verfügt über ein komfortables Schnellreisesystem, sofern wir Gebiete bereits besucht haben und unsere Möglichkeiten überall hin zu reisen werden sowohl durch Storyfortschritt, aber auch unsere Fähigkeiten eingegrenzt. Ähnlich wie man es von Metroidvanias kennt eröffnet ein Fähigkeitenzuwachs auch Möglichkeiten neue Bereiche in bekannten Gebieten freizuschalten, wobei sich dort meist nur Crafting Materialien und unterschiedliche Sammelobjekte befinden.

Es wäre schön, wenn man dort auch neue Quests, Bosse, oder besonders seltene Ausrüstungsgegenstände versteckt hätte, doch das scheint nicht der Fall zu sein, weswegen ich im späteren Spielverlauf nicht mehr viel Ambitionen hatte, die vorherigen Bereiche nach diesen Orten zu durchsuchen, zumal diese nicht explizit auf der Map vermerkt sind und damit sehr viel Trial and Error erfordern. Doch auch ohne diese versteckten Bereiche kann man sich keineswegs über zu wenig Inhalt bescherten, so gibt es eine Vielzahl von Haupt- und Nebenmissionen, die teilweise auch den Sammelobjekten einen Sinn verleihen.

Die Spielwelt an sich überzeugt ebenso wie das Kampf- und Fortbewegungssystem, denn so ist die Spielwelt in unterschiedliche Biome mit ihrer eigenen Topographie, Flora und Fauna, Architektur und selbstverständlich Gegnern aufwartet. Sind anfängliche Bereiche nur am ehesten mit unserem Mittelalter vergleichbar, sind die folgenden Bereiche grundlegend anders, von Steinwüsten, Canyons, bis hin zu Bereichen, die an Darstellungen der Hölle erinnern, wie man es besonders auf Plattencovern der 80er Jahre findet. Diese Bereiche gehen dabei fließend ineinander über und das komplette Spiel kommt ohne jegliche Ladepausen aus. Das ist noch beachtlicher, wenn man das Fortbewegungssystem betrachtet, denn auch wenn man im späteren Spiel, wie auch für das Backtracking im Rahmen der Story eher auf das Schnellreisesystem zurückgreift, das ebenfalls ohne Ladezeiten auskommt, macht auch das freie Fortbewegen wirklich Spaß.

Fray kann nämlich rennen wie ein geölter Blitz, den Magic Parcours, eine Fähigkeit, die ihr das Armband verleiht. Das sieht nicht nur unglaublich stylish aus, da das Spiel dabei nicht mit Licht- und Partikeleffekten geizt, sondern geht auch rasend schnell, besonders wenn man im Spielverlauf noch zusätzliche Fähigkeiten freischalten, die diese Art der Fortbewegung weiter unterstützen. Die Parcours-Fähigkeiten kommen auch in den Kämpfen zum Tragen, wenn wir blitzschnell von Gegner zu Gegner springen, Angriffen ausweichen und nebenbei mit unserem beachtlichen Arsenal an Zauberei austeilen. Wir haben neben einer ganzen Reihe von magischen Projektilen, die Standards wie Pistole, Schrotflinte, oder Sturmgewehr ersetzen auch eine umfangreiche Liste an Support Magie im Gepäck, womit wir Fallen legen, Gegner einfrieren, oder unsere Energie wieder auffüllen können. Und das ist nur der erste Skill Tree, denn mit fortschreitendem Spiel und besiegten Gegnern kommen zusätzliche Angriffsmechanismen und damit verbunden weitere Skill Trees dazu, was mich persönlich an Megaman erinnert hat, wo man auch die Kraft besiegter Bosse bekommen hat.

Das gesamte Bewegungs- und Kampfsystem könnte dabei in Anbetracht der Möglichkeiten schnell auf ein heilloses Durcheinander hinauslaufen. So hatte es mich bei der ersten Demo zugegebenermaßen auch noch etwas überfordert, da man ohne wirkliche Einführung mit vielen neuen Fähigkeiten auf einmal konfrontiert wird, doch im fertigen Spiel geht es wirklich gut von der Hand, da die Fähigkeiten Peu à Peu eingeführt werden und logisch aufeinander aufbauen. Spielerisch wie optisch erinnert das insgesamt sehr stark an „Infamous: Second Son“, wo wir am Ende auch komplett unterschiedliche Fähigkeiten hatten, die wir jederzeit wechseln und damit zu mächtigen Kombos verketten konnten, auch wenn „Forspoken“ sogar noch um einiges mehr bietet, als das eben erwähnte Game.

Erwähnenswert ist auch, dass es sich bei Spiel, das Konsolenexklusiv auf der PS5 erschienen ist um ein Spiel handelt, dass die Möglichkeiten der Hardware auch mehr als ausnutzt. Es mussten keine Kompromisse eingegangen werden, damit das Spiel gleichzeitig auf allem erscheint, das mit einem Gamepad ausgestattet werden kann, sondern sowohl die Grafik, die Ladezeiten, die Performance und die Unterstützung von adaptiven Triggern, 3D Audio und dem Lautsprecher im Dualsense schreien Nextgen. Das wird auch deutlich, wenn man auf die Spezifikation des PC Release blickt, denn das Spiel ist nur auf absoluten Highend PCs überhaupt lauffähig. Es ist immer noch erfrischend, wenn man mehr als zwei Jahre Nextgen ein Spiel vor sich hat, das sich wirklich nach Nextgen anfühlt. Auf der Konsole stehen dabei drei Darstellungsmuster zur Verfügung: Performance, Raytraycing, oder Darstellung, wobei ich persönlich mit dem Performance-Modus am besten gefahren bin, da er eine stabile Framerate von 60fps bietet, was die schnelle Action massiv unterstützt. Für Besitzer eines 120 Hz-Display stehen sogar noch höhere Framerates von bis zu 120fps zur Verfügung, was ich aber mangels eines solchen Displays nicht testen konnte.

Doch warum all der Hass gegenüber dem Spiel? – Wie gesagt, ist es keineswegs perfekt und einige der Kritikpunkte sind durchaus valide. Und dabei spiele ich gar nicht auf Bugs und vereinzelte Einbrüche in der Framerate an, denn natürlich gibt es beides. Doch die Einbrüche in der Framerate sind mir vielleicht an maximal drei bis vier sehr hektischen Stellen überhaupt aufgefallen und Bugs werden mit jedem Patch weniger, wobei auch diese die Ausnahme und keineswegs die Immersion zerstörend waren. Die meisten Leute kritisieren die abgeklärte Ghetto-Attitüde und teilweise unpassende Verwendung von Kraftausdrücken. Und das kann ich bedingt nachvollziehen. Man hätte wirklich auf viele Teile davon verzichten können und hätte dennoch nicht an Fray’s Herkunft gezweifelt und auch wenn man die Dialoge nicht komplett unterbinden kann, kann man sie über die Einstellungen reduzieren, was an sich schon tief blicken lässt, dass man sich bei Square Enix anscheinend darüber bewusst war. Was mich in diesem Zusammenhang aber mehr gestört hat, dass man während einem Großteil der Gespräche sich nicht bewegen kann, was viel stärker die Immersion bricht, als vereinzelte Schimpfwörter, wenn man warten muss bis die Personen fertig gesprochen haben und wir uns endlich wieder bewegen können.

Weiter gibt es besonders im ersten Drittel Probleme mit langsamen Pacing und einer Vielzahl von Informationen, die auf den Spieler einbrechen. Und im Grunde geht das Spiel erst nach dem ersten Drittel und nach dem ersten großen Boss auch erst richtig los, wir sind mit den meisten Fähigkeiten ausgestattet, haben einen Überblick wie die Gesellschaft und die Spielwelt strukturiert ist und können uns dadurch besser auf die Story und spannendere Kämpfe mit mehr als 2-3 Kleingegnern einlassen, wenn wir neben den anfänglichen Zaubern den zweiten Fähigkeiten-Baum und damit auch die ersten Nahkampf-basierten Angriffe bekommen haben. Und ich habe mich ehrlich gefragt, ob die meisten professionellen Medien, sowie die Spieler überhaupt soweit gespielt haben, um das ganze Potential überhaupt zu erkennen. Und letztlich habe ich noch einen kleinen Kritikpunkt was den Fotomodus angeht: Ich begrüße derartige Modi immer, besonders wenn es sich um derart Bild gewaltige Spiele handelt, aber zum einen wäre ein Shortcut nicht schlecht gewesen, damit nicht immer über das Hauptmenü gehen muss und dann finde ich es sehr schade, dass alle Bilder mit einem zwanghaften Wasserzeichen ausgestattet werden, was eine Verwendung als Desktop Hintergrund schon wieder unattraktiver macht.

Insgesamt hatte ich mit „Forspoken“ wirklich meinen Spaß, es ist zugegebenermaßen nicht perfekt, aber für mich persönlich ist es ein mehr als solides Spiel und ich kann die flächendeckende Kritik ebenso wenig nachvollziehen, wie ich es bei „The Callisto Protocol“ konnte. Natürlich hat es Unzulänglichkeiten, doch was ist schon perfekt? Hingegen muss man hingegen die frischen Ideen, das Design und die tolle Technik würdigen. Ich hatte durch die tolle Inszenierung und das gelungene Kampfsystem sogar sehr viel mehr Spaß als mit „Final Fantasy XV“, dem vorherigen Spiel der gleichen Entwickler und gleichzeitig einem Spiel, das sehr viel mehr Ansehen genießt als „Forspoken“. Ich habe knapp 23 Stunden für die Hauptstory und einen großen Teil der Sidequests gebraucht, wobei man bestimmt nochmal gute zehn Stunden rein stecken kann, wenn man alles Komplettieren möchte. Jeder, der etwas andere Open World-Spiele mag und neugierig geworden ist, sollte dem Spiel, trotz der Kritiken, eine reelle Chance geben. Als ersten Überblick gibt es im PSN auch eine Demo des Spiels, auch wenn die meines Erachtens nicht ganz repräsentativ ist, da der Abschnitt bereits aus der zweiten Spielhälfte stammt und die Vielzahl an Möglichkeiten aus Kampfsystem und offener Ausrichtung zugegebenermaßen etwas überfordern kann, wenn der natürliche Spielfortschritt, der damit einhergeht, fehlt. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich mich nicht von den Bewertungen habe abschrecken lassen, denn für mich ist „Forspoken“ ein kleines Highlight im noch recht jungen Jahr…
Entwickler: Luminous Prodcutions
Publisher: Square Enix
Erhältlich auf: PC, PS5
NB@08.02.2023
—Hinweise & Disclaimer—
Wenn euch der Beitrag gefallen hat würde ich mich natürlich über eure Likes, Retweets, Abos oder auch Feedback freuen. Gleiches trifft aber auch zu, wenn ich eurer Meinung nach etwas hätte besser machen können. Konstruktive Kritik hilft bekanntlich nur, wenn man sie auch bekommt, also lasst es mich einfach wissen.
Die verwendeten Bilder und/oder Screenshots wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Autor selbst erstellt und dienen zur Unterstützung des Berichtes. Das Copyright an der dargestellten Sache, bzw. dem Spiel bleibt davon selbstverständlich unberührt und verbleibt beim ursprünglichen Rechteinhaber.
Sieht cool aus
LikeLike