Seit dem ersten Life is Strange bin ich der Reihe absolut verfallen. Die Geschichte um Freundschaft, Liebe, Mord und Zeitreise hat bei mir einfach einen Nerv getroffen. Auch das Prequel „Before the Strom“ fand ich überaus gelungen, auch wenn es bei weitem Nicht die Höhe des ersten Teils erreichte. „Life is Strange 2“ fand ich anfangs interessant, doch im Verlauf hat mich das Spiel leider verloren. „True Colors, der chronologisch dritte Teil, der sich wiederum mehr auf die Stärken der Reihe besonnen hat, war hingegen wieder sehr mitreißend, konnte sich aber dennoch nicht mit dem ersten Teil messen, weswegen ich entsprechend hohe Erwartungen an den insgesamt fünften Teil der Reihe hegte, da dieser als direkte Fortsetzung des ersten Teils ein Wiedersehen mit der Protagonistin Max Caulfield versprach.

„Life is Strange: Double Exposure“ ist der neueste Teil der beliebten Adventure-Reihe, die von Dontnod Entertainment gestartet wurde, die aber mittlerweile von Deck Nine entwickelt wird. Seit dem ersten Spiel im Jahr 2015 hat sich die Serie durch ihre tiefgründigen Geschichten und emotionalen Entscheidungen einen festen Platz in den Herzen vieler Spieler gesichert. Doch kann der als „Double Exposure“ an die Erfolge der Vorgänger, bzw. besonders den herausragenden Erstling anknüpfen und ein ebenso emotionales, wie mitreisendes Abenteuer erzählen, das die Reihe groß gemacht hat?

Die Geschichte von „Double Exposure“ setzt zehn Jahre nach den Ereignissen des ersten „Life is Strange“ an. Welches Ende wir beim ersten Teil gewählt haben, können wir zu Beginn des Spiels wählen, damit die Geschichte inhaltlich eine Fortsetzung „unserer“ Geschichte ist, auch wenn der Impact eher klein ist. Max Caulfield, die Protagonistin des ersten Teils, ist nun eine erwachsene Frau und unterrichtet selbst Fotografie an der renommierten Caledon Universität. Sie hat die Erlebnisse in Arcadia Bay lange hinter sich gelassen und seitdem auch keine übernatürliche Fähigkeiten mehr, bis ein dramatisches Ereignis Max erneut in ein Netz aus Geheimnissen und übernatürlichen Phänomenen verstrickt, aber auch neue Kräfte erweckt…

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Statt der Fähigkeit die Zeit zurückzudrehen kann Max zwischen zwei parallelen Realitäten hin- und herwechseln, die sich in einigen Punkten voneinander unterscheiden und dadurch für einige interessante Rätsel sorgt. Das Herzstück sind allerdings die Entscheidungen, die der Spieler trifft, denn diese haben weitreichende Konsequenzen und beeinflussen den Verlauf der Geschichte erheblich. Besonders beeindruckend sind die moralischen Dilemmata, die den Spieler immer wieder vor schwierige Entscheidungen stellen. Entgegen anderer Spiele haben wir bei diesen Entscheidungen keinerlei Zeitdruck, das Spiel erwartet hingegen, dass jede Entscheidung wohl überlegt ist, denn auch wenn die meisten Entscheidungen keine Auswirkungen auf den allgemeinen Verlauf der Geschichte haben, so beeinflussen sie maßgeblich einzelne Schicksale.

Im Vorfeld hatte ich mehrfach in der Berichterstattung über das Spiel gelesen, dass das Spiel durch seine direkte Verbindung zum ersten Teil auch viele bekannte Gesichter zurückbringen würde, doch das ist nicht der Fall. Abseits von Max ist der komplette Cast, begründet durch das neue Setting, komplett neu. Immerhin sind in der Spielwelt auch 10 Jahre vergangen, Max hat bewusst ihre Vergangenheit hinter sich gelassen und Bekannte Gesichter wären schon fast fehl am Platz gewesen. Einzig in alten Fotos, Anspielungen und der Historie von Max‘ Smartphone bekommt man Hinweise auf Personen aus ihrer Vergangenheit, weswegen das Spiel auch grundsätzlich für Neueinsteiger geeignet ist.

Das Gameplay des Spiels bleibt den Wurzeln der Serie treu, bringt aber auch einige Neuerungen mit sich. Wie gewohnt liegt der Fokus auf der Erkundung der Umgebung, dem Lösen von Rätseln und dem Treffen von Entscheidungen. Die übernatürlichen Fähigkeiten von Max spielen erneut eine zentrale Rolle, wobei die Mechanik der Dimensionswechsel eine interessante Ergänzung darstellt. Wir besuchen im Verlauf der in fünf Episoden angelegten Geschichte immer die gleichen Orte wieder, die sich mit der Zeit verändern und sich in den Parallelwelten zusätzlich unterscheiden. Da Max immer noch Fotografin ist, spielt auch der Einsatz von Fotografie wieder eine zentrale Rolle.

Leider ist das Gameplay nicht ohne Schwächen. Einige Spieler könnten die stark geführte Spurensuche und die limitierten Möglichkeiten der Dimensions-Mechanik als enttäuschend empfinden. Die Detektivarbeit von Max fühlt sich manchmal zu linear an und lässt wenig Raum für eigene Entdeckungen. Als alter Adventurespieler hätten die Rätsel etwas knackiger ausfallen können, auch wenn der Fokus der Entwickler zweifelsfrei auf der Geschichte und nicht den Rätseln lag. Und wer überlegt sich die Ultimate Edition zuzulegen, der wird wahrscheinlich enttäuscht, denn für die 20 Euro Aufpreis bekommt man nur ein paar Kostüme und drei kurze Szenen in denen Max mit einer zugelaufenen Katze interagiert. Mich persönlich wundert es etwas, dass diese Szenen bewusst aus dem Hauptspiel herausgelöst wurden und als DLC vertrieben werden und für den Preis hab ich leider mehr erwartet.

Technisch ist das neue Spiel im Vergleich zum ersten Teil ein Quantensprung und setzt auf die neueste Version der Unreal Engine. Die Areale, aber besonders die Charaktere sind so detailliert wie nie zuvor in der Reihe. Selbst kleine Nuancen der Emotionen lassen sich aus den Gesichtern ablesen und verleihen der Geschichte damit noch mehr Authentizität. Auch wenn der erste Teil mit seinen handgezeichneten Hintergründen immer noch schön anzusehen ist, hat mich das neue Spiel in dieser Hinsicht wirklich positiv überrascht. Auch die Dialoge und Charakterinteraktionen sind tiefgründiger und realistischer geworden. Max ist nun eine erwachsene Frau, und ihre Dialoge spiegeln ihre Reife und die neuen Herausforderungen wider, mit denen sie konfrontiert ist.

Sowohl Text und Vertonung sind dieses Mal komplett lokalisiert und lassen sich über unabhängig voneinander einstellen, wenn man beispielsweise englischen Ton mit deutschen Texten haben möchte. Die deutsche Synchro ist durchaus gelungen, auch wenn das Original noch etwas authentischer wirkt, was besonders an den herausragenden Sprechern, allen voran Hannah Telle als Max und Olivia AbiAssi als Safi, liegt. Telle hat Max bereits im ersten Teil, sowie im DLC „Farewell“ zu „Before the Strom“ ihre Stimme geliehen und wie beim Charakter im Spiel merkt man auch in ihrer Darbietung und Stimme eine spürbare Entwicklung des Charakters.

Auch wenn die Reihe von Dontnod ins Leben gerufen wurde, ist der heutige Entwickler Deck Nine auch seit langem mit der Reihe vertraut. Das früher als Idol Minds bekannte Studio aus Colorado hat neben dem Prequel „Before the Storm“ auch „True Colors“ entwickelt und auch das Remaster von „Life is Strange“ und „Before the Storm“ im Rahmen der sogenannten „Arcadia Bay Collection“ verantwortet. Diese Kenntnis der Reihe wird auch beim aktuellen Teil deutlich, da man es geschafft hat auch diese direkte Fortführung von Geschichte und Charakter ebenso plausibel wirken zu lassen.

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Mit diesen Voraussetzungen hätte das Spiel im Grunde ein absoluter Hit werden sollen. Und bis zum Ende der dritten Episode hätte ich das auch genauso unterschrieben, doch in den letzten beiden Episoden kommt das Spiel leider etwas ins Straucheln. So werden leider einige Story-Stränge plötzlich fallengelassen und der Wechsel der Welten wird nur noch wenig eingesetzt und die Handlung wird insgesamt linearer. Die letzte Episode, die ähnlich wie beim ersten Teil auch Alptraum-Elemente aus Max‚ Vergangenheit aufleben lässt, und das Ende machen dann allerdings wieder einige Punkte gut, auch wenn die Geschichte inhaltlich nicht ganz abgeschlossen ist, was wahrscheinlich in einer Fortsetzung wieder aufgegriffen wird.

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Insgesamt hat mir „Life is Strange: Double Exposure“ auch trotz der kleinen Kritikpunkte wirklich gut gefallen. Das Spiel lohnt sich für Fans der Serie und Neueinsteiger gleichermaßen. Die packende Story, die tiefgründigen Charaktere und die emotionalen Entscheidungen machen das Spiel zu einem unvergesslichen Erlebnis. Die Rückkehr von Max als Protagonistin und die Weiterführung ihrer Geschichte sind besonders für langjährige Fans ein Highlight. Die technischen Verbesserungen und die neuen Gameplay-Mechaniken tragen ebenfalls zur Attraktivität des Spiels bei. Es wäre schön gewesen, wenn auch alle Nebenhandlungen aufgelöst worden wären, denn gerade die vierte Episode ist etwas kurz geraten und hätte damit durchaus noch genug Raum geboten. Allerdings kann das auch Teil des größeren Plans für das nächste Spiel der Reihe sein, denn eine Mid-Credit-Szene in bester Marvel-Manier und das konkrete Versprechen „Max Caulfield will Return“! – Hoffen wir nur, dass es nicht nochmal 9 Jahre dauert…

Entwickler: Deck Nine

Publisher: Square Enix

Erhältlich auf: PC, PS5, Xbox Series X/S, Nintendo Switch

Getestet auf: Xbox Series X

NB@28.11.2024

——— Hinweise & Disclaimer: ———

Zur Erstellung dieses Reviews wurde uns vom Publisher ein unentgeltlicher Key für das Spiel zur Verfügung gestellt. Wir danken vielmals für die Unterstützung, weisen aber darauf hin, dass dieser Umstand keine Auswirkung auf unsere Bewertung hat!

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2 Antworten zu „Review: „Life is Strange: Double Exposure“ #LifeIsStrange #DoubleExposure #LGBTQ+”.

  1. […] Life is Strange: Double Exposure: Max Caulfield kehrt zurück in einem neuen Abenteuer, das sie zwischen zwei Zeitlinien hin- und herreisen lässt, um den Mord an ihrer Freundin aufzuklären. Die emotionale Story und die neuen Fähigkeiten machen dieses Spiel zu einem Muss für Fans der Serie. […]

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  2. […] Records: Bloom and Rage“ von Don’tnod, dem Pariser Studio, das sich spätestens seit „Life is Strange“ und „Tell Me Why“ einen festen Platz in den Herzen narrativer Spieler erobert hat. Als […]

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