Seit dem Release der ersten Episode des, ursprünglich in sich abgeschlossenen, „Life is Strange“ war ich ein absoluter Fan des Coming of Age-Dramas. Entsprechend hoch waren auch meine Erwartungen an die Fortsetzung. Auch wenn Chloe und Max‚ Geschichte nur in Comic-Form weitergeht, war es um die Reihe alles andere als still. Neben dem 2017er Prequel „Life is Strange: Before the Storm„, ist 2018/2019 „Life is Strange 2„, bevor gerade mit „Life is Strange: True Colors“ eine weitere Fortsetzung erschienen ist. Hatte mich Before the Storm noch gut unterhalten, so hatte ich zugegebenermaßen mit Teil 2 meine Probleme, da das Konzept als Roadtrip für mich zu wenige Handlungsoptionen und Charakterentwicklung geboten hat, was für mich immer die Stärke der Reihe dargestellt hat. Die Hoffnung lastet daher auf True Colors, ob es eine Rückkehr zu Alter Stärke wird. Um das herauszufinden wurde mir das Spiel freundlicherweise vom Publisher für mein Review zur Verfügung gestellt, einen Einfluss hat dieser Umstand jedoch selbstverständlich nicht.

Und gleich zu Beginn macht das Spiel einiges anders, als die bisherigen Teile: So wurde das Spiel dieses Mal nicht von dontnod, den Entwicklern des ersten und zweiten Teils entwickelt, sondern von Deck Nine, für die die Reihe jedoch auch kein komplettes Neuland darstellt, da die sowohl das Prequel entwickelt und auch das Remaster für PS5, das Ende des Monats erscheint, auf die Beine gestellt haben. Weiter erscheint das Spiel nicht mehr in Episodenform, sondern direkt als komplette Veröffentlichung, verfügt über eine leistungsfähigere Engine und verfügt als erster Teil der Reihe über eine komplett deutsche Synchronisation und nicht Untertitel.

In True Colors begleiten wir die junge Alex Chen, die in das verschlafene Bergdorf Haven Springs reist, um ihren Bruder zu besuchen, der dort seit ein paar Jahren lebt. Alex und ihr Bruder Gabe haben in ihrer Jugend eine ganze Menge mitgemacht, was auch der Grund ist warum sich beide seit nunmehr acht langen Jahren nicht gesehen haben. Doch aus der unbeschwerten Familienzusammenkunft wird durch ein dramatisches Ereignis in kürzester Zeit eine Verschwörung auf höchster Ebene, in die weite Teile des kleinen Ortes verstrickt sind und es liegt an uns dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. – Und auch wenn diese Beschreibung leider auf einer sehr hohen Flughöhe bleiben muss, um Spoiler zu vermeiden, denn immerhin ist die Geschichte in derart narrativen Erlebnissen der Hauptaugenmerk, dem sei zumindest gesagt, dass die Geschichte eine echt mitreißende Achterbahnfahrt mit überraschenden Wendungen ist…

Dabei hat man sich eindeutig auf die Stärken der Reihe besonnen und geht gleichzeitig auch Punkte an, die viele am zweiten Teil gestört hatten. So spielt sich die komplette Handlung wieder größtenteils in einem weitläufigen Areal ab, das sich Episode zu Episode auch etwas verändert und zeitgleich mit neuen Gebieten aufwartet, ab und gibt uns eine Möglichkeit uns mit der Stadt und seinen vielen Einwohnern zu beschäftigen. – Und ja, richtig gelesen, es gibt dennoch unterschiedliche Episoden im Spiel auch wenn die Veröffentlichung direkt als komplettes Spiel erfolgt. Diese Aufteilung ist dieses Mal aber eher als Stilmittel zu sehen und wartet nach jeder Episode mit der bewährten Übersicht der großen und kleinen Entscheidungen und einer Statistik in Relation zu den Entscheidungen aller Spieler auf. Zusätzlich wird dieser kurze Cut zwischen den Episoden als Zeitsprung genutzt, da zwischen den Episoden immer etwas Zeit im Spiel vergangen ist, um die Handlung zu unterstützen. Entgegen verwirrender Infos zum Spiel handelt es sich jedoch nicht um den einzigen Speicherpunkt, denn selbstverständlich verfügt das Spiel über ein Autosave und sichert unseren Fortschritt in regelmäßigen Abständen, auch innerhalb der Episoden.

Gameplay-technisch handelt es sich auch bei True Colors um eine Form des Adventures mit starker Konzentration auf die Geschichte und die Entscheidungen des Spielers, die sowohl kleine, aber auch große Auswirkungen auf den Verlauf und letztendlich auch das Ende haben können. Das funktioniert dabei so ähnlich wie bei den Spielen von Telltale, bietet aber im direkten Vergleich mehr spielerische Freiheit. Zusätzlich ist die Spielwelt auch abseits der Story gespickt mit optionalen Gesprächen, Sammelaufgaben, Nebenmissionen und einer Reihe von Minispielen. All das trägt dazu bei, dass sich die Spielwelt lebendig und plausibel anfühlt, wie im echten Leben halt.

Anders verhält es sich hingegen mit Alex‘ Superkraft, deren Implementierung ebenfalls ein festes Element der Reihe darstellt. Max konnte die Zeit zurückspulen, Chloe verfügt über Gabe ihre Worte als Waffen zu verwenden, Daniel beherrschte Telekinese und Alex hat die Macht der Empathie. Sie kann die Stimmung der Menschen anhand farbiger Auren sehen und bekommt dadurch tiefe Einblicke in die Gefühle der Menschen, ihre Erinnerungen und ihr tiefstes Inneres. Das mag zunächst erst mal unspektakulär klingen, eröffnet aber nicht nur viel Potential für Charakterentwicklung, sondern wird auch für die meisten Rätsel verwendet, wenn wir beispielsweise einer Frau mit angehender Demenz helfen müssen sich an ein bestimmtes Ereignis zu erinnern, oder herausfinden müssen, wie wir einen Charakter, der uns eher feindselig gegenübersteht, überzeugen können uns zu helfen. Diese Kraft birgt allerdings auch ihre Tücken, denn wenn die Emotionen zu stark sind nehmen diese komplett Besitz von Alex und können teilweise auch zu irrationalen, oder gar gewalttätigen Episoden führen, denen sich Alex dann nicht verwehren kann. Darüber hinaus gibt es aber selbstverständlich auch klassische Rätsel, in denen wir über Gespräche neue Informationen gewinnen, oder auch Gegenstände an einer Stelle finden müssen, um sie an anderer zu benutzen, klassische Adventure-Kost eben.

Technisch ist das Spiel auch ein massiver Schritt nach vorne, was auch auf der mittlerweile älteren Konsolengeneration eine wirklich gute Figur macht. Zwar muss man dort auf den Einsatz der adaptiven Trigger und die verkürzten Ladezeiten verzichten, doch in Sachen Performance sind die Unterschiede eher unscheinbar. Nichtsdestotrotz lässt die neue Engine besonders in Sachen Detailgrad und Beleuchtung ihre Muskeln spielen. War die Grafik in den Vorgängern eher ein wenig verwaschen ist hier alles klar, deutlich und strotzt vor vielen kleinen Details, bei denen Alex für die meisten sogar eine Aktion, oder wenigstens einen Kommentar übrig hat. Und ein echtes Wow für die tollen Kompositionen mit Lichteffekten, die allgemeine Stimmung und den herausragenden Soundtrack, der hoffentlich auch noch eine physische Veröffentlichung spendiert bekommt.

Insgesamt hatte ich durch den durchwachsenen zweiten Teil wirklich meine Bedenken, die aber im Nachhinein vollkommen unbegründet waren. Man hat sich wieder auf die Stärken der eine besonnen, eine mitreißende Geschichte mit interessantem Setting und Charakteren auf die Beine gestellt und uns, nachdem Sean aus Teil 2 keine eigene Superkraft hatte und daher eher passiv agieren musste, wieder die Kontrolle gegeben. Zwar ist Teil eins mit seiner Zeitreise-Mechanik immer noch mein persönlicher Favorit, ich habe einfach ein Faible für Zeitreisen, doch True Colors ist dem ersten Teil eng auf den Fersen. Die neue Engine kann sich mehr als sehen lassen und schürt bereits immense Vorfreude auf das Remaster von Teil eins und Before the Storm, das auf der gleichen Engine laufen soll und endlich hat man sich von der separaten Veröffentlichung der einzelnen Episoden verabschiedet und gleichzeitig eine deutsche Synchro mitgeliefert, die sich wirklich sehen lassen kann, auch wenn das Original einen Tick authentischer daherkommt. Einzig ein paar kleine Bugs, wenn NPCs an der Levelarchitektur hängengeblieben waren zum Release noch vorhanden, die aber mit Sicherheit zeitnah ausgebaut werden, wenn sie noch nicht behoben sein sollten, denn es wurden bereits Patches ausgerollt. Für Fans der Reihe und Freunde von narrativen Abenteuern eine absolute Empfehlung von denen es gerne mehr geben könnte!
Entwickler: Deck Nine
Publisher: Square Enix
Erhältlich auf: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, Nintendo Switch (erscheint jedoch später)
NB
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