Es gibt viele Spielelaunches, die gelinde gesagt, hätten besser laufen können. Doch der Release von „MindsEye“ setzte dem noch eine Schippe drauf. Dabei hätte man schon hellhörig sein müssen, wenn so ein prominenter Release keinerlei Testmuster an Medien und Presse herausgibt. Da wir aber bekanntlich auch den vermeintlich schlechten Releases eine faire Chance geben, habe ich mir das Spiel selbst zugelegt und bin möglichst offen an die Sache heran gegangen…

„MindsEye“ ist ein actiongeladenes Science-Fiction-Abenteuer, entwickelt von Build a Rocket Boy. Es bewegt sich auf der Grenze zwischen linearem Third-Person-Shooter und pseudo-offener Welt und nutzt die Power der Unreal Engine 5 – ein visuell ambitioniertes Projekt, das auf Pioniergeist hoffen lässt, inhaltlich jedoch nicht voll überzeugt. Das Potential ist in vielen Punkten da, aber dann gibt es auch wieder nicht nachvollziehbare, oder gar veraltete Designentscheidungen, Probleme mit der Performance, spürbare Streckung der Spielzeit durch unnötig lange Missionswege und eine Gegner KI, die ihren Namen nicht wirklich wert ist. Doch klären wir zunächst einmal um was es eigentlich im Spiel geht:

Die Handlung dreht sich um Jacob Diaz, einen ehemaligen Soldaten, der ein neuronales Implantat namens „MindsEye“ trägt. Nach einem traumatischen Militäreinsatz, bei dem vieles schiefging, hat er große Lücken in seinen Erinnerungen, die anscheinend mit dem Implantat zu tun haben. Seine Suche nach Antworten führt ihn Silva Corp, einer Tech Firma, für die eindeutig Tesla und Space X die Vorlage waren, in der futuristischen Stadt Redrock – eine Art dystopisches Las Vegas unter kuppelartigem Dach. Die Geschichte verwebt Themen wie künstliche Intelligenz, Konzerngier und die Frage nach der eigenen Identität.

Nebencharaktere wie der skrupellose Konzernchef Marco Silva und die machtbewusste Bürgermeisterin Shiva Vega bringen zusätzliche Spannung in die düstere Welt. Erinnerungen an „Deus Ex: Human Revolution“ oder „Remember Me“ werden wach – doch ohne deren erzählerische Tiefe oder Kohärenz. Es ist eine dieser Geschichten, bei der man stellenweise mehr erwartet, als man am Ende bekommt – aber trotzdem weiterspielen möchte, weil die Atmosphäre funktioniert und sie spannend erzählt ist. Dennoch ist es schade, dass einige geplant schockierende Wendungen, zumindest bei mir, nicht richtig zünden wollten und die Auflösung am Ende der knapp 15-stündigen Kampagne viele offene Fragen zurücklässt.

Spielerisch setzt das Spiel auf bekannte Elemente: Third-Person-Shooter-Mechanik mit Deckungssystem, Fahrzeugsteuerung, kurze Kletter- und Stealth-Passagen sowie Minispiele, etwa zum Hacken oder Wiederbeleben. Das ist im Grunde alles Standard für moderne Spiele, wurde aber fast alles schon 1.000 Mal besser gemacht. So ist das Deckungssystem nur rudimentär umgesetzt, ein Wechsel von Cover zu Cover ist harkelig und eine Möglichkeit zum lautlosen Ausschalten von Gegnern gibt es erst gar nicht. Die Fahrzeugsteuerung fühlt sich zwar gut an, es fehlt aber an Varianz bei den Fahrzeugen, gibt keine Radiosender oder sonstige Untermalung und selbst ein LKW steuert sich nicht viel anders als ein Muscle Car. Zusätzlich gibt uns das Spiel zu jeder Zeit genau vor mit welchem Fahrzeug wir von A nach B fahren müssen, kein Vergleich zu GTA und Konsorten.

Dazu kommen absolut lineare Missionsverläufe mit maximal winzig kleinen Nebenpfaden. Das Problem liegt dabei weniger im Umfang als in der fehlenden Raffinesse und dass es meist nur einen richtigen und einen falschen Weg gibt und letzterer direkt zum Game Over führt. Das wäre alles nicht so dramatisch, wenn das Spiel es deutlich machen würde, was es von uns verlangt. Aber es gab gleich mehrere Missionen, bei denen ich manchmal nicht wusste, was konkret oder an welchem Ort zu sei. Das Gunplay fühlt sich altmodisch an – wenn auch etwas wenig Feedback und zu viel Gummi bei der KI. Gegner rennen unkoordiniert in die Schusslinie, Deckungen sind vorhersehbar und manchmal bleiben sie auch einfach wie angewurzelt in ihrer Ausgangsposition stehen und warten einfach auf ihr Ende.

Zwischen den Feuergefechten sitzt man oft minutenlang im Auto, hört Dialoge oder lauscht den Fahrtgeräuschen. Diese Autofahrten wirken wie ein Versuch, Tiefe zu erzeugen, wirken aber eher wie Füllmaterial. Auch die Steuerung leidet unter träger Responsivität, besonders bei feineren Bewegungen oder schnellen Perspektivwechseln. Das Leveldesign bleibt meist funktional – weitläufige Hallen, verspiegelte Bürotürme, verlassene Straßen – ohne große Höhepunkte. Der Schwierigkeitsgrad bleibt moderat, oft sogar unterfordernd, wenn man von einigen Spitzen absieht, die mitunter zu Frustmomenten führen können, wenn man die Mission nach einem Game Over neu starten und sämtliche Zwischensequenzen nochmal ansehen muss.

Allerdings grafisch kann sich „MindsEye“ fast uneingeschränkt sehen lassen. Redrock ist als Stadt glaubhaft inszeniert: Beleuchtung, Sandstürme, Glaspaläste – irgendwie ein Mix aus Cyberpunk und Nevada. Die Charaktermodelle, vor allem bei Nahaufnahmen in Cutscenes, sind detailliert, fast schon filmreif, wenn da nicht ein merkwürdiges Schimmern als Umrandung der Charaktere wäre. Das Lighting beeindruckt, gerade bei Sonnenuntergängen oder während nächtlicher Polizeieinsätze. Der Soundtrack untermalt die Handlung mit düsteren Synth-Klängen und orchestralen Spannungsmotiven – nicht originell, aber passend. Sprachausgabe (Englisch mit Untertiteln) ist solide, jedoch nicht überragend.

Technisch gibt es jedoch auch einige Baustellen. Auf der PS5 Pro, auf der dieser Test basiert, läuft das Spiel meist flüssig in 60 FPS, aber es gibt einige frühe Missionen, bei denen die Framerate in Sekundenbruchteilen in den niedrigen zweistelligen Bereich abfällt. Zusätzlich trüben auch Bugs und Glitches das Spielerlebnis: Clipping-Fehler, hängende NPCs oder Fahrzeugsprünge über Bordsteine. Selbst auf dem PC ist die Performance stark abhängig von der Hardware, wobei auch High-End-Systeme unter massiven Shader-Problemen leiden. Die Xbox-Version scheint am instabilsten zu laufen, mit häufigeren Framerate-Einbrüchen. Unterschiede in der Auflösung gibt es kaum – es sind vielmehr die Ladezeiten und Mikro-Ruckler, die auf manchen Plattformen negativ auffallen. Ich bin was sowas angeht normal recht schmerzfrei, doch durch die Häufigkeit der Probleme, gepaart mit den bereits erwähnten Unzulänglichkeiten in Bezug auf das Gameplay hat es mich wirklich gestört.

„MindsEye“ ist kein Remake, kein Remaster, keine Fortsetzung. Es ist ein eigenständiger Titel – allerdings stark beeinflusst von den Produktionen, an denen viele Teammitglieder zuvor gearbeitet haben. Kein Wunder, denn das Spiel stammt von Build a Rocket Boy, einem Studio unter der Leitung von Leslie Benzies, der früher bei Rockstar Games federführend an der GTA-Reihe beteiligt war. Die Ähnlichkeiten sind nicht zu übersehen – das Missionsdesign, die Autoabschnitte, die Erzählweise. Doch der Versuch, in diese Fußstapfen zu treten, endet eher als unbeholfene Hommage oder Kopie anstatt als echte Weiterentwicklung.

Der Entwicklungskontext ist dabei durchaus spannend. Build a Rocket Boy wurde mit großen Ambitionen gegründet. Man wollte nicht weniger als ein alternatives Spiele-Ökosystem schaffen. Doch interne Probleme, mehrfach verschobene Veröffentlichungstermine, kreative Richtungswechsel und ein hoher Erwartungsdruck haben ihre Spuren hinterlassen. Der Druck, nicht nur ein Spiel, sondern gleich eine ganze Plattform mit „Everywhere“ zu etablieren, dürfte die Entwicklung belastet haben. „MindsEye“ ist zwar als eigenständiges Spiel veröffentlicht worden, wirkt aber an vielen Stellen eher wie ein Showcase – mehr Demonstration als Produkt, ähnlich wie es seinerzeit auch mit „Dreams“ als Baukasten für Spieleentwicklung geplant war…

Was bleibt, ist ein Spiel mit tollen Ansätzen, guter Optik und einer faszinierenden Grundidee – das jedoch am eigenen Anspruch scheitert. Man merkt, dass hier kreative Leute am Werk waren, die Großes vorhatten. Aber es fehlt der letzte Schliff, das Herzblut, das man in Spielen wie „Control“ oder „Cyberpunk 2077“ trotz ihrer Probleme spürte. Der Vergleich mit GTA in allen Ankündigungen hat ebenfalls nicht gut getan, denn obwohl es einige Gemeinsamkeiten gibt, handelt es sich um grundsätzlich unterschiedliche Spiele, was sich am meisten in der fehlenden spielerischen Freiheit äußert.

Selbst nach einigen Patches und Updates ist „MindsEye“ leider eher eine Techdemo mit Story und nicht das Next-Gen-Erlebnis, das es hätte sein können. Trotz aller Kritik möchte ich aber nicht ausschließen, dass es Menschen gibt, für die dieses Spiel funktioniert. Ich hatte während meinem Durchspielen auch mehr Spaß damit, als es eigentlich verdient hätte. Es wird zwar definitiv keins meiner Lieblingsspiele und ich werde es voraussichtlich auch nicht nochmal Durchspielen, aber es gibt auch sehr viel schlechtere Spiele, wenn ich mich beispielsweise an das katastrophale „Skull Island: Rise of Kong“, „Concord“ oder auch „Redfall“ zurückerinnere. – Wer sich für futuristische Settings interessiert, gerne durch neonbeleuchtete Städte fährt und eine überschaubare, leicht zu konsumierende Story mag, wird hier zumindest optisch belohnt. Hardcore-Spieler und Mechanik-Fans hingegen werden schnell ermüden. Vielleicht wird das Spiel in einem Jahr – mit weiteren Patches, DLCs oder mitunter auch Community-Mods – ein Geheimtipp. Im jetzigen Zustand bleibt es ein ambitioniertes, aber enttäuschendes Erstlingswerk.

Entwickler: Build a Rocket Boy

Publisher: IO Interactive

Erhältlich auf: PC, PS5, Xbox Series X/S

Getestet auf: PS5 Pro

NB@02.07.2025

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