Bis vor ein paar Jahren gab es ein Überangebot an Musikspielen. Für jeden Geschmack war etwas dabei und die kreativen Ideen der Hersteller mit allerlei Periferie waren vielschichtig. Beschränkte man sich bei Guitar Hero und Rock Band zunächst auf eine Gitarre und bei Singstar auf Mikrofone, gab es binnen kürzester Zeit sogar ganze Drum Sets, Turntables. Allerdings war der Trend von heute auf morgen auch wieder vorbei und das letzte Franchise, das bis heute überlebt hat und annähernd in diese Richtung geht ist Just Dance, wobei auch diese Reihe im Grunde nur noch eine Fußnote darstellt.

Umso überraschender war es für mich jedoch, dass das Genre zum Launch der herausragenden PSVR2 vor knapp zwei Wochen gleich zwei neue Spiele und gleichzeitig komplett neue potentielle Franchises bekommt, die ich mir beide intensiv für euch angesehen habe. Für die Gitarrenfreunde gibt es mit „Unplugged Air Guitar“ die Möglichkeit die Bühnen der Welt zu erobern und mit „Drums Rock“ mittels Schlagzeug den Mächten der Unterwelt Einhalt zu gebieten. Mit wurden dankenswerterweise beide Spiele kostenfrei zum Testen überlassen, was aber selbstverständlich keinen Einfluss auf meine Bewertung hat.

Den Anfang machen wir mit „Unplugged Air Guitar“, der eine virtuelle Luftgitarre von Entwickler Anotherway und Publisher Vertigo Games das ursprünglich 2021 auf dem PC veröffentlicht wurde und nun seinen Sprung auf Sony’s Virtual Reality-Brille schafft. Setzte man auf dem PC auf Fingertracking und verzichtete auf sämtliche Controller, setzt man auf PSVR mangels Alternativen auf die Sense-Controller. Es bleibt also herauszufinden, ob die Immersion dadurch etwas getrübt wird.

Direkt beim ersten Start des Spiels wird deutlich, dass das Spiel eine Liebeserklärung an Rockfans sein soll und gleichzeitig alle Klischees bedient. So starten wir in einem engen Backstage-Bereich, die Wände sind mit Fotos und Postern übersät, die Luft ist verraucht und alles wirkt etwas dunkel und siffig, was natürlich an reduzierter Beleuchtung und leeren Bierflaschen liegen kann. – Im Grunde so wie jeder Proberaum und Backstage-Bereich aussieht, den ich persönlich bisher gesehen habe. Auch wenn das Spiel größtenteils auf eine Story verzichtet gibt es ein grobes Grundgerüst in Form von Tutorials und unterschiedlich große Venues, in denen wir uns nach und nach beweisen müssen und unsere Fanbase aufbauen. Betreut werden wir dabei von Steel Panther-Gitarrist Satchel, der uns die Techniken und gleichzeitig den Rock n Roll Was of Life beibringt.

Der Fortschritt im Spiel ist thematisch in Alben strukturiert, jedes Album wartet mit fünf Songs und einer eigenen Location auf, die es zu erobern gilt. Wir beginnen anfangs in kleinen Bars und spielen uns am Ende bis in große Arenen. Um das nächste Album und die nächste Location frei zu schalten gilt es beim Spielen Herausforderungen zu erfüllen, die beispielsweise eine bestimmte Punktzahl, eine fehlerfreie Akkordfolge, oder auch eine goldene Schallplatte sein können. Die meisten Herausforderungen sind dabei recht simpel und werden automatisch während dem Spielen erreicht.

Wir können zwischen Links- und Rechtshänder-Gitarre wählen und stürzen uns ins Getümmel. Der eine Sense-Controller steuert die Griffhand, der andere lässt uns in die Saiten schlagen, was überraschend differenziert ausfällt, da jede Saite korrekt erkannt wird, wenn wir sie schlagen. Die Griffhand wird über die beiden Schultertasten, die in den meisten Spielen für das Greifen zuständlich sind, gesteuert. Entgegen der PC-Version, die mittels Fingertracking alle Finger berücksichtigt gibt es auf PSVR2 weniger Varianz in den Griffen, was in Anbetracht von 2 Tasten vs. 5 Finger logisch nachvollziehbar ist. Doch das fällt nicht wirklich negativ auf, da man durch unterschiedliche Kombinationen und Schlagtechniken für genug Abwechslung sorgt, um das Gitarrenspiel zumindest halbwegs plausibel erscheinen zu lassen. Unterstützt wird das ganze vom haptischen Feedback, sodass man in Kombination mit der Optik im Spiel wirklich glaubt eine Gitarre in der Hand zu halten. Schade ist lediglich, dass die Gitarre in der Luft festgetackert ist, wenn wir sie einmal eingestellt haben und wir so während dem Spielen nicht „über die Bühne“ laufen können. Doch abseits davon reagiert sie wirklich realistisch und wir können den Hals auch beim Spielen hin- und herreißen.

Die Locations sind zwar allesamt ziemlich dunkel und werden nur durch spärliche Beleuchtung und Handydisplays in der Menge erhellt, wirken aber gerade aus diesem Grund ziemlich realistisch und besonders das Gefühl zum ersten Mal in der großen Arena zu stehen war echt ziemlich beeindruckend. Allerdings sehen wir während dem Spielen nicht besonders viel davon, denn wir müssen immerhin eine Performance abliefern. Dazu blicken wir größtenteils nach unten zum Gitarrenhals, wo im Takt der Musik Noten gespielt werden müssen. In bester Guitar Hero-Manier schalten wir bei Ketten von fehlerfreien Eingaben diverse Multiplier frei, die unsere Punkte in die Höhe schnellen lassen. Eine fehlerhafte Eingabe hingegen nullt den Multiplier, liefert einen akustischen Fehler in der Musikabfolge und führt mitunter auch zum Game Over, wenn wir zu viele Fehler machen.

Damit kein Frust aufkommt stehen aber unterschiedliche Schwierigkeitsgrade zur Verfügung, die sowohl die Anzahl der Noten, aber auch die Komplexität der Griffe verändern. Wenn es dennoch zu ungewollten Fehleingaben kommt empfiehlt sich mitunter ein Blick in die Einstellungen, denn da Musik und Eingabe mitunter einer leichten Verzögerung unterliegen kann man das in den Einstellungen korrigieren, um es nicht schwerer zu machen, als es sein soll.
Da Musikspiele oft mit ihrer Auswahl an Songs stehen und fallen schauen wir uns auch einmal die Trackliste des Spiels einmal genauer an:
- Alt-J – Left Hand Free
- Bumblefoot – Overloaded
- The Clash – Should I stay or should I go
- Dandy Warhols – Behemian like you
- The Electric Alley – Searching for the truth
- Extreme – Get the Funk out
- Freak Kitchen – My new hair cut
- Garbage – I think I’m paranoid
- The Hives – Hate to say i told you so
- Jet – Are you gonna be my girl
- The Knack – My Sharona
- Louis and the Shakes – On One
- Lynch Mob – Wicked Sensation
- Lynyrd Skynyrd – Free Bird
- Norman Greenbaum – Spirit in the Sky
- Ozzy Osbourne – Flying High Again
- Rush – Tom Sawyer
- Steel Panther – Eyes of the Panther
- T. Rex – Children of the Revolution
- The Offspring – The kids aren’t alright
- The Yeahtones – Lightning
- Tenacious D. – Roadie
- Weezer – Say it ain’t so
Was dabei auffällt ist, dass die Liste von Songs eher übersichtlich ausfällt und zwar namhafte Interpreten enthält, jedoch meiner persönlichen Empfindung nach eher auf die B-Liste der Songs ausweicht. Das fällt besonders bei Tenacious D., Lynyrd Skynyrd und Ozzy Osbourne auf, wo sich gefühlt „Tribute“, „Sweet Home Alabama“ und „Crazy Train“ besser gemacht hätten. Bei anderen Interpreten stimmt die Auswahl hingegen die die Faust aufs Auge, wie „Are you gonna be my Girl“ von Jet, oder auch „Should I stay or should go“ von The Clash. Doch gerade weil das Spiel auf dem PC schon seit Ende 2021 erhältlich ist und dort bereits zwei Songpacks mit weiteten Songs von Slayer, Gossip, Rob Zombie, Muse und Pantera, denen sogar ein eigenes DLC-Paket gewidmet wurde, bekommen hat, wäre es schön gesehen, wenn diese zum Launch ins Spiel integriert worden wären, anstatt diese eventuell später separat zu vertreiben.

Insgesamt bleibt das Erlebnis, so beeindruckend es aus einem technischen Gesichtspunkt auch sein mag, wenn man bedenkt, dass man komplett ohne physisches Instrument in der Hand zu halten das echte Gefühlt hat Gitarre zu spielen, hinter seinem Potential zurück. Die Reduzierung auf zwei Tasten am Sense-Controller im Vergleich zum Tracking von 5 Fingern am PC, funktioniert entgegen meiner Erwartungen überraschend gut und fällt nicht wirklich negativ auf. Interessant wäre aber zumindest ein alternatives Eingabeschema mit Fingertracking über die Verwendung der PS5-Kamera gewesen, aber es kann gut sein, dass Sony diese Möglichkeit abgelehnt hat. Schade ist auch die etwas dünne Setlist, die zwar mit einigen Klassikern aufwartet, aber über ihrem Potential zurückbleibt. Ich hoffe wirklich, dass wir hier weitere Songpacks nachgeliefert bekommen. Ebenfalls schade ist dass es keinen wirklichen Story-Modus gibt, denn gerade mit einem Mentor wie Satchel hätte man gefühlt noch ein paar Interaktionen einbauen können, da die kurzen Einspieler schon fast untergehen. Nichts desto Trotz ist es schön, dass das Genre der Musikspiele in VR ein Revival startet und in Anbetracht der Potentials von „Unplugged Air Guitar“ bin ich persönlich gespannt, ob man mit ein paar Updates die kleinen Fehler noch ausbauen kann.
Entwickler: Anotherway
Publisher: Vertigo Games
Erhältlich auf: PC, PS5 (PS VR2)
NB@08.03.2023
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