Ich muss ehrlich sein, dass ich mich zwar wahnsinnig auf „Assassin’s Creed Shadows“ gefreut habe, aber gleichzeitig befürchtet hatte enttäuscht zu werden. Das liegt zum einen an mehreren Verschiebungen und zum anderen am Setting des Spiels, denn dabei handelt es sich das Nonplusultra der Settings eines Assassin’s Creed-Spiels, das seit unzähligen Jahren ganz oben auf den Wunschlisten der Fans steht. Unter Berücksichtigung, dass Ubisoft im letzten Jahrzehnt eher nach der Maxime „größer ist besser“ agiert und sich die Reihe immer mehr von ihren Wurzeln entfernt hatte, eine durchaus berechtigte Angst. Zusätzlich muss man sich die Frage stellen, ob das Spiel in einer Welt post „Ghost of Tsushima„, „Rise of the Ronin“ und vielen anderen, überhaupt noch eine Daseinsberechnung hat?

„Assassin’s Creed Mirage“ war allerdings schon ein Weg in die richtige Richtung, also bestand immerhin noch Hoffnung. Lasst uns daher gemeinsam herausfinden, was den Spieler im Japan des 16. Jahrhunderts, einer Ära voller Intrigen, Konflikte und kultureller Blüte, erwartet. Weiter gilt es zu analysieren, ob das Spiel sowohl als Ableger der renommierten Reihe, aber auch im Vergleich zur Konkurrenz mit ähnlichem Setting überzeugen kann…

Die Geschichte entfaltet sich vor dem Hintergrund des späten Sengoku-Zeitalters, einer Zeit, in der Japan von Bürgerkriegen und Machtkämpfen zerrissen war. Spieler schlüpfen dabei gleich in die Rollen zweier Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Fokus liegt dabei zunächst auf der jungen Naoe, einer geschickten Shinobi aus der Provinz Iga, die getrieben von persönlichem Leid einen Rachefeldzug beginnt und die eher klassische Assassin’s Creed-Geschichte durchlebt. Der zweite Protagonist ist Yasuke, ein ehemaliger afrikanischer Sklave, der mit portugiesischen Geistlichen nach Japan gekommen ist und unter Oda Nobunaga zum Samurai und Feldherr wurde. Yasuke ist dabei von der historischen Figur gleichen Namens inspiriert, obwohl man sich damit auch einige Freiheiten erlaubt hat.

Nach einem kurzen Tutorial als Yasuke in die grundlegende Steuerung wechselt die Perspektive für die ersten Spielstunden zu Naoe. Erst nach circa 5-6 Stunden kreuzen sich die Pfade der beiden Protagonisten und sind von dort an gemeinsam unterwegs, wobei es sowohl Missionen gibt, die auf den jeweiligen Charakter zugeschnitten sind, aber auch solche, die uns selbst entscheiden lassen, mit wem wir die Mission angehen, was inhaltlich zu grundlegend unterschiedlichen Verläufen der Missionen, aber zum gleichen Ende führt.

Die Unterscheidung liegt in den Fähigkeiten und dem damit vorgegebenen Spielstil: Während Naoe für ihre Meisterschaft in der Kunst des Ninjutsu und ihre Fähigkeit zur lautlosen Infiltration bekannt ist, zeichnet sich Yasuke durch seine beeindruckende Stärke und sein Können im offenen Kampf aus. Diese Dualität erinnert an klassische Erzählungen wie jene in „Shogun“ oder Filmen wie „Kagemusha“, die die Komplexität und Tiefe des feudalen Japans perfekt einfangen.

Inhaltlich fühlt sich „Assassin’s Creed Shadows“ wie eine Hommage an die goldene Ära der Serie an – eine Rückkehr zu den Wurzeln, gepaart mit einigen modernen Mechaniken, ohne jedoch so radikale Schritte zu gehen, wie beispielsweise Origins. Das Gameplay bietet eine ausgewogene Mischung aus Stealth und direkter Konfrontation.

So kann sich Naoe flink wie eine Katze über die Dächer bewegen, nutzt den Schatten zu ihrem Vorteil und schaltet Gegner lautlos aus, während Yasuke wenig subtil agiert und stattdessen alles in seinem Weg in Schutt und Asche legt, egal ob es sich dabei um Horden von Gegnern oder die ein oder andere Tür handelt. Dieser Kontrast zieht sich durch das gesamte Spiel: Naoe’s Bewegungen sind fließend, und die Steuerung fühlt sich intuitiv an, was an die geschmeidigen Parkour-Elemente früherer Serienteile erinnert. Yasuke hingegen bringt eine rohe Kraft ins Spiel. Seine Kämpfe sind intensiv, mit realistischen Waffenwirkungen und zerstörbaren Umgebungen, die das Gefühl vermitteln, inmitten eines epischen Samurai-Duells zu stehen. Der Schwierigkeitsgrad ist fordernd, aber fair, und belohnt strategisches Denken und Anpassungsfähigkeit.

Gerade im direkten Vergleich mit früheren Ablegern wie „Assassin’s Creed Valhalla“ oder „Odyssey“ wird deutlich, wie viel mehr Fokus „Shadows“ auf Stealth und präzise Kampfmechanik legt. Die riesigen Open-World-Schlachten früherer Titel sind einer konzentrierteren, atmosphärisch dichten Welt gewichen. Es fühlt sich an, als hätte Ubisoft Quebec die Essenz von „Assassin’s Creed“ wiederentdeckt – das heimliche Anschleichen, das Beobachten aus den Schatten, das tödliche Zuschlagen im richtigen Moment. Das soll allerdings nicht bedeuten, dass die RPG-Elemente keine Rolle mehr spielen, jedoch liegt es größtenteils am Spieler wie tief diese gehen, da viele Einstellungen optional sind.

Es gibt immer noch Levels für Charaktere, Gegner, Gebiete und Ausrüstung, aber das System wurde insoweit gestreamlint, dass man nicht stundenlang die Stats bis aufs kleinste vergleichen muss. Ebenso ist auch kein direktes Todesurteil in ein zu schweres Gebiet zu reisen, auch es das Spiel unwahrscheinlich schwer macht. Das Spiel gibt uns große Freiheit in den Einstellungen mit direkten Auswirkungen auf diese Mechaniken. Gleiches betrifft auch das Kampfsystem, das zwar immer noch eindeutig von den Souls-Spielen inspiriert ist, aber sich optional auch auf 1-Button-Kombos zurückstellen lässt, was fast dem Kampfsystem der alten Teile entspricht.

Analog dazu können wir auch das Gameplay insoweit einstellen, dass uns Missionsmarker direkt bis zum nächsten Ziel führen oder ob wir das Ziel durch virtuelle Brotkrumen, also weiter verzweigte Zwischenschritte in den Missionen selbst identifizieren wollen. So müssen wir beispielsweise Leute belauschen, versteckte Hinweise finden, mal mehr oder weniger kryptischen Wegbeschreibungen folgen und stellenweise richtige Schlussfolgerungen treffen, wo oder wer konkret das Ziel ist. Das steigert nicht nur die Spielzeit, sondern auch die Variation innerhalb der Missionen, zumal es sehr viel erfüllender ist selbst die Lösung gefunden zu haben, anstatt nur einem Missionsmarker gefolgt zu sein.

Unvermeidlich drängt sich bei diesem Setting der Vergleich zu Sucker Punch Productions’ gefeiertem „Ghost of Tsushima“ auf. Beide Titel lassen Spieler in eine stilisierte Version des feudalen Japans eintauchen, beide erzählen Geschichten von Ehre, Verrat und kulturellem Wandel. Und tatsächlich teilen sie einige Gemeinsamkeiten: die wunderschön inszenierten Landschaften, die intensive Auseinandersetzung mit japanischer Geschichte und die Möglichkeit, sowohl als lautloser Schattenkrieger als auch als ehrvoller Samurai zu agieren.

Doch „Assassin’s Creed Shadows“ unterscheidet sich in mehreren Aspekten deutlich. Während „Ghost of Tsushima“ stark auf cineastische Präsentation, eine persönliche, intime Geschichte und stilisierte Kämpfe setzt, bleibt „Shadows“ eher seiner eigenen Serien-DNA treu. Es ist systemischer, spielmechanisch dichter. Hier geht es weniger um meditative Momente auf einem Pferd in den Weiten Tsushimas, sondern vielmehr um politische Intrigen, den Assassinen-Orden und die jahrzehntelange Mythologie, die die Reihe aufgebaut hat. Auch die RPG-Elemente, wie das individualisierbare Ausrüstungssystem, das Skill-Tree-Design und die notorischen Synchronisationspunkte, heben „Shadows“ klar von der eher reduzierten, fokussierten Spielerfahrung in „Ghost of Tsushima“ ab. „Shadows“ ist mehr Spiel, „zufällig“ angesiedelt im feudalen Japan, während „Tsushima“ mit reduzierten Gameplay-Elementen eher das Setting und die Inszenierung zelebriert und sie quasi zum Hauptcharakter erhebt. So könnte das erstgenannte mit kleinen Anpassungen überall spielen, letzteres auf keinen Fall, ohne große Teile seiner Identität aufzugeben.

Zudem ist die spielerische Dualität zwischen Naoe und Yasuke ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Wo „Ghost of Tsushima“ nur Jin Sakai bietet, stellenweise auch mit seiner inneren Zerrissenheit und Einsamkeit spielt, lassen sich hier zwei komplett verschiedene Spielstile erleben – das leise, schnelle, tödliche Vorgehen mit Naoe oder die wuchtige, brachiale Präsenz von Yasuke. Dieses Wechselspiel bringt eine spielerische Tiefe, die bei „Ghost of Tsushima“ bewusst zugunsten der Story-Immersion vernachlässigt wurde.

Grafisch setzt das Spiel neue Maßstäbe. Die detailreiche Darstellung der japanischen Landschaften, von blühenden Kirschbäumen bis hin zu majestätischen Tempeln, ist atemberaubend. Besonders beeindruckend ist die dynamische Beleuchtung, die nicht nur zur Atmosphäre beiträgt, sondern auch spielerische Auswirkungen hat, indem sie Schatten für Stealth-Mechaniken nutzt und der Wechsel der Jahreszeiten, der an Fortschritte in der Geschichte gekoppelt ist. Der Soundtrack ergänzt das visuelle Erlebnis perfekt, mit traditionellen japanischen Instrumenten, die die emotionale Tiefe der Handlung unterstreichen. Technisch läuft das Spiel auf der Xbox Series X in nativer 4K-Auflösung bei stabilen 60 FPS, was ein flüssiges und immersives Spielerlebnis gewährleistet. Auf anderen Plattformen wie der PlayStation 5 und dem PC sind ähnliche Leistungswerte zu verzeichnen, wobei die Performance je nach Hardware dezent variieren kann und das Spiel auf Konsolen auch die Wahl zwischen Performance- oder Grafikmodus bietet.

Entwickelt wurde „Assassin’s Creed Shadows“ von Ubisoft Quebec, einem Studio, das bereits für Titel wie „Assassin’s Creed Odyssey“ verantwortlich war. Und anscheinend hat man die Kritik an „Odyssey“ durchaus ernst genommen, denn sonst wäre man wohl kaum so viele Kompromisse eingegangen, um alle Spieler zufrieden zu stellen. Als Publisher fungiert Ubisoft, das mit dieser Veröffentlichung erneut seine Fähigkeit unter Beweis stellt, historische Settings mit packendem Gameplay zu verbinden. Die Entwicklung des Spiels begann kurz nach der Fertigstellung von „Assassin’s Creed Valhalla“ und dauerte etwa vier Jahre. Besonderes Augenmerk legte das Team auf die authentische Darstellung der japanischen Kultur und Geschichte, wofür Historiker und Kulturberater hinzugezogen wurden. Diese Sorgfalt spiegelt sich in der Tiefe und Glaubwürdigkeit der Spielwelt wider.

Insgesamt muss man sich eingestehen, dass „Assassin’s Creed Shadows“ ein herausragender Titel geworden ist, der sowohl Neueinsteiger als auch langjährige Fans der Serie begeistern wird. Die gelungene Kombination aus packender Handlung, vielseitigem Gameplay und beeindruckender Präsentation macht es zu einem Muss für Liebhaber von Action-Adventures und historisch inspirierten Spielen. Wer schon immer davon geträumt hat, in die Rolle eines Ninja oder Samurai im feudalen Japan zu schlüpfen, findet hier eine vielschichtige, fordernde und wunderschön inszenierte Spielerfahrung. Das Setting und die Mechaniken der Reihe passen perfekt zusammen, auch wenn das Spiel im Vergleich zu „Tsushima“ erzählerisch und atmosphärisch etwas nüchterner bleibt. Ausgeglichen wird das durch die zwei spielbaren Charaktere, sowie eine riesige, authentische und lebendige Spielwelt. Endlich hat die Assassin’s Creed-Reihe wieder zu alter Stärke zurückgefunden!
Entwickler: Ubisoft Quebec
Publisher: Ubisoft
Erhältlich auf: PC, PS5, Xbox Series X/S
Getestet auf: Xbox Series X
NB@08.04.2025
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