Totgesagte leben wohl doch länger, denn knapp 2 Jahre nach „Syndicate“ hat Ubisoft mit dem neuesten Ableger der Assassin’s Creed-Reihe, „Origins“ die Serie nicht nur großteilig überarbeitet, sondern auch ein sehr viel ausgereifteres Spiel abgeliefert, als bei den Vorgängern. Auch wenn ich selbst das ach so verhasste „Unity“ auf Grund der immer noch überragenden Darstellung von Paris während der Revolution und den für viele enttäuschenden Nachfolger „Syndicate“ über das Zwillingspaar Jacob und Evie im London der industriellen Revolution sehr gemocht habe und in keiner Weise meine investierte Zeit bereut habe, muss ich dennoch der vorherrschenden Kritik in gewisser Weise Recht geben, dass die Luft aus der Serie leider etwas raus war. Zu ähnlich waren das Missionsdesign, zu uninspiriert waren die Storys und auch wenn das Kampfsystem ein paar (kleinere) Updates seit dem Beginn der Serie erfahren hatte, war es dennoch ein selbst auf höheren Schwierigkeitsgraden zu leicht, da die Gegner selbst in Gruppen keine wirkliche Herausforderung darstellten, da sie sich brav einer nach dem anderen der Klinge des Assassinen zur Verfügung gestellt hatten, ohne wirklich Wiederstand zu leisten.
Und diese längere Arbeitszeit zeigt sich auf jeden Fall, denn nahezu alle Kritikpunkte wurden angegangen, optimiert und, sofern möglich, komplett ausgemerzt. Und diese Arbeit scheint von Erfolg gekrönt zu sein, denn die positiven Kritiken überschlagen sich nahezu und es scheint momentan bei der Betrachtung der Freundesliste im PSN nur genau ein Spiel zu geben, das jeder spielt: „Assassin’s Creed: Origins“.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich etwas überrascht bin, wie schnell die Leute hier Rezensionen schreiben. Ich habe das Spiel seit Release, habe viel gespielt und habe laut der internen Statistik bis zum Ende knapp 27 Stunden gebraucht. Dabei wird es aber auf keinen Fall bleiben, denn es gibt noch jede Menge Nebenmissionen, feindliche Basen und Verstecktes, was ich noch erkunden möchte…
Die Geschichte ist diesmal im Jahr 49 vor Christus im antiken Ägypten angesiedelt und stellt somit das bislang am längsten zurückliegende Setting für die Reihe dar, was unter dem Zusatz „Origins“ zum Spieltitel auch durchaus Sinn macht, denn im Spiel wird der Ursprung der Fehde zwischen Assassinen und Templern thematisiert. Wir spielen Bayek aus Siwa, einem Medjei, der eine Art Polizist oder Beschützer für das Volk und den Pharao darstellt. Bayek war der beste seiner Zunft, ist aber von Menschen, denen er vertraut hatte, verraten worden, was auch zum gewaltsamen Ableben seines Sohnes geführt hatte. Seine Frau Aya und Bayek sind seitdem auf der Flucht gewesen und haben, unabhängig von einander versucht die Verantwortlichen zu Rechenschaft zu ziehen. Seitdem ist etwa ein Jahr vergangen, als wir in das Spiel einsteigen und den Ausgang der Geschichte beeinflussen. Im Spielverlauf steuern wir dabei Bayek aber auch seine Frau und treffen im Spielverlauf, wie mittlerweile schon fast typisch für die Reihe, auch auf historische Personen, wie zum Beispiel Kleopatra oder auch Julius Caesar.
Die Geschichte spielt in verschiedenen Regionen von Ägypten und ist von seiner schieren Größe her überwältigend. Die Welt ist dabei in sehr viele unterschiedliche Bereiche, von großen Städten, Wüsten, Tempeln, kleinen Küstenstädtchen oder auch monumentalen Bauwerken, wie den Pyramiden übersäht und ist mehr als eine plumpe Aneinanderreihung von unterschiedlichen Setpieces. Zusätzlich gibt es auch den Nil und andere Flüsse und Seen, die wir mit Booten und Schiffen befahren können. Diese Spielwelt kommt komplett ohne Ladezeiten aus und ist komplett zugänglich. Zu jedem Punkt der Karte kann man im Prinzip vom Anfang an hin. Es gibt also keine “abgesperrten” Bereiche, die erst später freigeschaltet werden mehr.
Diese Welt ist natürlich nicht statisch und leer, sondern wird von hunderten, wenn nicht gar tausenden NPCs bevölkert, von denen jeder seine eigene Routine hat und seinem Leben nachgeht, sei es als Soldat ein Fort zu bewachen, als Feldarbeiter auf dem Feld zu arbeiten oder auch etwas komplett anderes. Hier ist nicht mehr zwangsläufig alles durch die Interaktion mit dem Spieler gesteuert, denn hier verfolgt jeder NPC seine eigene Agenda und es können sogar Kämpfe zwischen unterschiedlichen NPCs ausbrechen oder ähnliches. Darüber hinaus verfügt die Welt über einen dynamischen Tag-und-Nacht-Wechsel, der ebenfalls das Verhalten der Welt beeinflusst: So sind im Schutz der Dunkelheit feindliche Basen leichter bewacht, da viele Feinde dann schlafen.
Um das Bereisen der Spielwelt zu erleichtern stehen zur Fortbewegung unterschiedliche Transportmittel zur Verfügung: Kamele, Pferde, Kutschen, Boote, Schiffe, etc. oder für ungeduldige gibt es auch Schnellreisepunkte. Diese müssen allerdings erst freigeschaltet werden, bevor sie zur Schnellreise genutzt werden können. Aber zugegeben beraut man sich der intensiven Erfahrung der lebendigen Spielwelt und Ereignissen abseits der Story, wenn man diese zu oft benutzt. Wem das Reiten allerdings zu aufwendig ist, kann alternativ auch einen Marker auf der Karte als Ziel markieren und das Pferd (o.Ä.) per Knopfdruck (wie „Auto-drive“ in Far Cry) von selbst zu diesem Punkt reiten lassen.
Trotz der Spielwelt und allem was darin geschieht gibt es keine Missstände was Grafik angeht. Ganz im Gegenteil kann man sagen, dass die allgemeine Grafik, Weitblick, Charakteranimationen und Details wirklich überwältigend und eine wahre Augenweide sind. Auf der PS4 Pro kann man förmlich die Sandkörner zählen und ich bin immer wieder begeistert, wenn man durch die Wüste wandert, das Flimmern der Hitze sieht und sich umdreht um die eigenen Fußspuren wieder zu finden. Hier haben die Entwickler echt ganze Arbeit geleistet. Ein besonderes Highlight stellen dann auch noch zufällig auftretende Sandstürme dar, wenn sich die Weitsicht komplett verändert, Bayek’s Kleidung heftig vom Wind hin- und hergerissen wird, er sich vor Anstrengung schwergängiger bewegt und versucht sein Gesicht vor den Massen von Sand zu schützen. Ich habe zwar auch das urbane Setting der letzten Teile gemocht und muss zugeben, dass ich diese besonders bei den Parcours-Elementen etwas vermisse, da die weitläufige Spielwelt, den Fokus eindeutig eher auf eine horizontale, anstatt einer Vertikale legt, aber dafür wird hier so viel geboten, was einiges wett macht.
Die Spielwelt offenbart ebenfalls weitere Veränderungen in der Serie, denn war die Karte in vergangenen Spielen durch Sammelobjekte eine Handvoll mehr oder weniger inspirierter Nebenmissionen und meist eine aktive Hauptmission bedeckt spricht man hier nur noch von Quests. Diese Quests teilen sich in Haupt- und Nebenquests und sind jeweils mit einer empfohlenen Charakterstufe versehen. Davon gibt es immer mehrere und so obliegt es allein dem Spieler was er als nächstes angeht. Die unzähligen Sammelobjekte sind fast gänzlich verschwunden und stattdessen gibt es immer wieder aufpoppende Fragezeichen. Dahinter kann sich entweder eine feindliche Basis, ein neues Gebiet, eine Bauwerk mit einem versteckten Schatz oder weiteres verbergen. Grundsätzlich verbirgt sich hinter jedem Fragezeichen etwas mit dem man etwas anfangen kann und es bietet einiges mehr als 99 versteckte Federn oder zu sammeln, wie in Vorgängern.
Prinzipiell sind die Nebenquests, wie auch die Fragezeichen komplett optional, allerdings beraubt man sich der Erfahrung, wenn man diese komplett auslässt, denn diese gehen in der Regel weit über die 08-15-Nebenmissionen aus vergangenen Teilen hinaus und sind sehr abwechslungsreich und teilweise richtig toll. Wer Nebenquests bei „The Witcher“ kennt und wie diese sich von einer zu Beginn recht simpel klingenden Aufgabe weiterentwickeln können, weiß was ich damit meine. Es hat also durchaus einen Mehrwert, wenn man diese Quests ebenfalls durchspielt. Zusätzlich wird es sonst auch schwer die erforderlichen Charakterlevel für die Hauptquests zu erreichen, denn jedes Quest, wie auch jede Region enthält eine Empfehlung des Charakterlevels. Für jede Aktion und abgeschlossenes Quest verdienen wir XP und Loot für Bayek. XP stiegert seine Angriffe und Resistenz stufenweise und lässt uns Charakterpunkte zum zusätzlichen Freischalten von Skills verdienen. Wenn man unterlevelt in ein Quest mit zu hoher Levelempfehlung geht wird man wahrscheinlich schneller als man glaubt das zeitliche segnen, denn die Gegner haben ebenfalls Charakterlevel und wenn der Unterschied zu stark ist können wir die Gegner auf Grund von zu starker Panzerung gar nicht erst verletzen oder gar ausschalten…
Neben dem Charakterlevel haben nun auch Ausrüstungsgegenstände ein Level und helfen uns im Kampf, die wir meist in Form von Loot in Missionen oder durch die freie Erkundung finden. Es gibt unterschiedliche Waffen und Ausrüstungsarten, die wir benutzen können um unseren Assassinen auf unseren bevorzugten Spieltyp anzupassen und ihn im Kampf noch besser zu kontrollieren. Denn auch das Kampfsystem wurde komplett überarbeitet und verlangt nun ein taktischeres Vorgehen durch Kombination von leichten und schweren Angriffe, Nah- sowie Fernangriffen und auch gezielten Blocks und Kontern. Mit simplem Knöpfchen drücken kommt man bei „Origins“ nicht mehr besonders weit, da die Gegner nicht mehr warten, bis sie an der Reihe sind, sondern ebenfalls taktisch agieren und auch versuchen zu flankieren oder gemeinsam anzugreifen. So kann der offene Kampf gegen wenige Gegner bereits sehr fordernd werden.
Ich hatte persönlich nie ein Problem mit dem alten Kampfsystem, auch wenn es wenig fordernd war. Es ging dabei für mich eher im stylische Action mit schicken Animationen und einen gewissen Flow, der durch das neue System leider abhandengekommen ist. Für mich hat der Kampfstil immer zu einem Assassinen, der ja eine Art Meisterkiller sein soll, gepasst. Das neue Kampfsystem wirkt zwar sehr viel dynamischer, aber lassen unsere Figur, wenn man es noch am Erlenen ist, auch geradezu unbeholfen wirken. Es hilft dabei auch nicht wirklich, dass schon die ersten Gegner scheinbar mit dem dritten Auge ausgestattet sind uns schon von unfassbar weiten Distanzen sehen.
Jedoch hören hier die Veränderungen noch nicht auf, den ähnlich wie in Far Cry gibt es nun unzählige Tiere und Ressourcen in der Spielwelt, die wir ebenfalls zum Aufleveln unserer Ausrüstung nutzen können. Dazu muss man die benötigten Ressourcen entweder finden oder Tiere jagen, was je nach Tier auch zu einer Herausforderung werden kann. In Ägypten gibt es nämlich nicht nur friedliche Tiere, sondern auch gemeine Killer, wie Krokodile, Löwen, Hyänen, um nur ein paar zu nennen.
Natürlich kann man auch wieder alternative Kostüme freischalten oder sogar im Store kaufen, die allerdings rein kosmetischer Natur ausfallen und keinen wirklichen Vorteil mit sich bringen. Lediglich eine Anpassung was das Aussehen angeht muss meiner Meinung nach erwähnt werden, denn wir haben nun endlich die Möglichkeit unsere Kapuze wahlweise aufzusetzen oder herunter zu lassen, eine Aktion die in vorherigen Teilen immer automatisch und kontextgesteuert erfolgt ist.
Im Laufe der Optimierungen hat man sich übrigens auch von der Minimap, die nun einem Kompass wie bei „Horizon: Zero Dawn“ gewichen ist und hat sich auch von der klassischen Adler-Ansicht verabschiedet. Es hilft also nicht mehr den Adlermodus einzuschalten, um die Positionen des Ziels und aller Wachen zu sehen. Es gibt jedoch einen guten Ersatz zum klassischen Adlermodus: Einen echten Adler. Der hört auf den Namen Senu und kann auf Knopfdruck herbegerufen werden. Die Ansicht wechselt dann in eine Luftansicht, in der wir Senu frei steuern können. Mit ihm können wir feindliche Areale von oben observieren, Gegner markieren und versteckte Elemente erkennen. Das funktioniert ähnlich, wie das Observieren per Drohne in „Watch Dogs 2“, steuert sich aber dynamischer, da Senu kontinuierlich in Bewegung ist. Wenn man sich also gefragt hat, wo das ganze Adlerauge-Thema in der Reihe herkam ist das eine sehr überzeugende Antwort.
Insgesamt hatte ich mich dem Spiel wirklich sehr viel Spaß. Es ist bei weitem nicht perfekt, aber gibt der Serie mit dieser Ursprungsgeschichte einen interessanten Ausgangspunkt mit einigen spielerischen Optimierungen. Besonders die RPG-Einflüsse, die die Serie in Ansätzen schon länger hatte, sind hier besser ausgereift und Machen das Spiel auf diese Weise etwas runder. Ich persönlich finde zwar die mehr vertikale Ausrichtung des Spiels und das Kampfsystem weniger gut, aber besonders das erste ist eindeutig dem Setting geschuldet. Das extra Jahr an Arbeit am Spiel hat der Reihe zusammenfassend wirklich gut getan und macht eindeutig Lust auf mehr. Wenn es die Serie schafft sich weiter selbst neu zu erfinden und weiterzuentwickeln so werden wir bestimmt noch einiges Interessantes zu sehen bekommen.
NB@07.11.2017
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