Auch wenn die Blütezeit der Adventure-Spiele schon lange vorbei ist genießt das Genre gerade in den letzten paar Jahren ein Revival. Es erscheinen immer wieder neue Adventures, die auch nicht mehr (nur) auf dem PC veröffentlicht werden. Dabei handelt es sich neben neuen Spielen, wie die „Deponia“-Reihe, oder auch „The little Acre“, auch um Re-Releases, wie „Full Throttle“ oder auch „Day of the Tentacle“, die beide von einem der einstigen kretiven Köpfe der Schöpfer, Tim Schafer und seinem Studio „Double Fine“ neu herausgebracht wurden.
Neben Tim Schafer gab es aber auch noch weitrere herausragende Kreativköpfe der damaligen Zeit, die auch immer wieder ins Geschehen eintauchen, wie es die Macher von „The Secret of Monkey Island“ und „Maniac Mansion“, namentlich Ron Gilbert und Gary Winnick. Diese haben mit ihrem Studio „Terrible Toybox“ mit Hilfe von Crowdfunding über Kickstarter das klassische Adventure im Retrostil, „Thimbleweed Park“, ins Leben gerufen.
Das Spiel wurde zwar bereits Ende 2017 veröffentlicht, ich kam aber erst jetzt dazu mich genauer damit zu befassen. …Und ohne zu viel vorweg zu nehmen, das Spiel ist die versoftete Reminiszenz an das was Point&Click-Adventures von Lucas Arts, bzw. Lucasfilm ausgemacht hat, die allgemein abgedrehter und lustiger ausgefallen sind, als die Spiele der Konkurrenz und daher auch heute noch eine große Fanbase genießen.
Der Name „Retro“ ist hier in vielerlei Hinsicht auch Programm, denn nicht nur sieht das Spiel wie ein spiritueller Nachfolger von „Maniac Mansion“ und Konsorten aus, sondern ist auch spielerisch in der Vergangenheit, im Jahr 1987 um genau zu sein, angesiedelt. Doch worum geht es im Spiel genau?
„Thimbleweed Park“ ist der Name einer etwas heruntergekommene Kleinstadt, in der die Geschichte angesiedelt ist. Früher war die Stadt eine aufstrebende kleine Gemeinde, die durch die ansässige Kissenfabrik von sich reden machte. Doch nachdem die Kissenfabrik durch ein verheerendes Großfeuer dem Erdboden gleichgemacht wurde machte sich die Arbeitslosigkeit in der Stadt breit. Viele Menschen verließen die Stadt und Geschäfte mussten schließen. Insgesamt sind nur 81 Menschen in der Stadt verblieben, was allerdings bereits im Intro auf 80 Menschen angepasst wird, denn ein Mord geschieht, was die zwei FBI-Agenten, Angela Ray und Antonio Reyes auf den Plan ruft.
Zeitgleich kommt die junge Spieleentwicklerin Delores Edmund, deren Familie die bereits erwähnte Kissenfabrik gehört in die Stadt zurück, um das Ableben ihres Onkels und das Verschwinden ihres Vaters zu untersuchen. Auch wenn es am Anfang nicht so scheint, scheinen diese Ereignisse direkt mit den Ermittlungen von Ray und Reyes zusammen zu hängen. Doch damit nicht genug, auch der exzentrische Clown Ransome, der vor Jahren von einer Voodoo-Zigeunerin mit einem Fluch belegt wurde, ist in die Sache verstrickt, da dieser ebenfalls auf der Suche nach Delores‘ Vater Franklin ist, mit dem er eigentlich einen Deal am Laufen hatte, mit dem er seine finanziellen Probleme aus der Welt schaffen wollte, was logischerweise durch Franklin’s Verschwinden nicht der Fall war.
Obwohl der lokale Sherriff mit Hilfe der FBI-Agents bald einen Hauptverdächtigen in Form des Obdachlosen Willie dingfest gemacht hat, häufen sich weitere mysteriöse Ereignisse, die einzig auf eine Verschwörung in der Willie als Sündenbock geopfert wurde hinauslaufen…
Die Geschichte ist zwar verworren, aber nie uninteressant und lässt uns als Spieler miträtseln, was in Thimbleweed Park eigentlich vorgeht. Darin kommt die Inspiration neben eindeutigen Quellen, wie den Mystery-Serien „Akte X“ und „Twin Peaks“ auch von Obskurerenm wie „Twilight Zone“ oder auch der eigenen (Spiele-)Vergangenheit der Macher. Dabei steuern wir gleich mehrere Figuren, zwischen denen wir, sofern wir sie durch bestimmte zeitliche Ereignisse in der Story schon freigeschaltet haben, per Knopfdruck hin- und herschalten können insgesamt 5 Personen. Neben den beiden Agenten handelt es sich dabei um Delores, Ransome den Clown und auch den Geist von Franklin, der leider im Rahmen der Geschichte ums Leben gekommen ist.
Auch wenn modernere Adventures meist ohne Befehlsleiste auskommen haben sich die Entwickler hier dafür entschieden und so haben wir im unteren Drittel des Bildschirm eine 1:1-Kopie des klassischen Scumm-Bar, die neben Aktionsbefehlen in Verform (Öffne, Schließe, Gehe, Nehme, Schaue an, Rede mit, Ziehe, Drücke und Benutze) auch das Inventar des jeweiligen Charakters enthält
Interessanterweise bietet das Spiel zwei unterschiedliche Rätsel-Ausprägungen, wie es auch unter anderem bei „Monkey Island 2: Le Chuck’s Revenge) der Fall war und wir haben vor dem Spielstart die Option zwischen einem einfachen und einem harten Modus zu wählen. Beide Modi unterscheiden sich durch einen leichteren Schwierigkeitsgrad innerhalb der Rätsel (also mit weniger Zwischenschritten) und weniger Rätsel im allgemeinen. Auch wenn mir schon damals für mich persönlich kaum erklärbar war, warum man ein Adventure mit leichteren oder weniger Rätseln zu spielen so ist es zumindest schön, dass diese Option für Neulinge oder Gelegenheitsspieler zur Verfügung steht.
Man merkt, dass die Macher des Spiels einiges an Ahnung von der Materie haben, denn das Spiel könnte wirklich ein klassisches Adventure aus der Schmiede von Lucas Arts sein und es ist wirklich beachtlich, dass das Spiel allein durch Crowdfunding verwirklicht werden konnte, wobei man auch bedenken muss, dass bei Kickstarter mehr als 620.000 USD für das Spiel gesammelt wurden und sogar Veteranen der Szene, wie Boris Schneider-Johne, der schon für die deutsche Übersetzung von „The Secret of Monkey Island“ komplett gratis seine Dienste für die Lokalisierung angeboten hat.
Adventure-Spieler der ersten Stunde kommen hier auf jeden Fall auf Ihre Kosten. Die Grafik ist liebevoll im Retrostil gehalten, wirkt aber dennoch nicht altbacken, was bei immer ein schmaler Grat sein kann. Das Spiel verfügt selbstverständlich über eine Sprachausgabe und es gibt sogar unterschiedliche Enden, die man freispielen kann. Ich habe für meinen Durchlauf auf dem schweren Schwierigkeitsgrad knapp 12 Stunden gebraucht und zum Vergleich auch nochmal auf „leicht“ gespielt, wo ich für den Durchlauf nur knapp 2,5 Stunden gebraucht habe. Natürlich kannte ich dabei viele der Rätsel bereits und konnte daher die „abgespeckte“ Version um einiges schneller durchspielen. Geliefert wird das, was man erwartet: Perfekte Adventure-Unterhaltung, die ohne Zweifel ein vergessenes Spiel der damaligen Zeit aus der Schmiede von Lucas Arts hätte sein können. Bitte weiter so!
NB@11.08.2018
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