Das erste Genre mit dem ich richtig Spaß hatte war das klassische Adventure. Zunächst mit den Sierra-Spielen, die noch den Textparser verwendeten und wofür ich immer wieder die Hilfe meines Vaters brauchte und dann mit den Point and Click-Adventuren von Lucas Arts und Co. Und auch wenn der Markt irgendwann von den unzähligen Spielen übersättig schien und das Genre für Tot erklärt wurde, war es nie richtig weg. Spätestens in den letzten zehn Jahren hat es mit „Thimbleweed Park„, „Return to Monkey Island„, oder einem persönlichen Geheimtipp „Willy Morgan and the Curse of Bone Town“ einen zweiten Frühling erfahren. Und oftmals werden diese Spiele von Fans der ersten Stunde über Kickstarter und Co selbst finanziert, also ohne großen Publisher im Hintergrund, der versucht Einfluss zu nehmen.

Und auch wenn Kickstarter immer ein zweischneidiges Schwert ist und man nie sicher sein kann, ob man für sein Investment überhaupt eine Gegenleistung bekommt, ist es umso schöner, wenn ein unterstütztes Projekt verwirklicht wird, oder gar noch wächst. So geschehen mit der britischen Antwort auf Zak McKracken und Konsorten, „Lucy Dreaming“ von Tall Story Games, das neben dem initialen Release auf dem PC nun nicht nur seinen Weg auf die Nintendo Switch, sondern auch auf die Xbox gefunden hat, wobei die Xbox-Version erst kommende Woche offiziell erscheint. Ich hatte das Spiel initial auf Kickstarter unterstützt und sowohl auf dem PC und der Switch gespielt, wobei mich nun besonders interessiert hat wie das Spiel auf einer „echten“ Konsole umgesetzt wurde. Mir wurde für mein Review dankeswerterweise eine Vorabversion des Spiels zur Verfügung gestellt, die ich jetzt, eine knappe Woche vor dem offiziellen Release, bereits durchgespielt habe, um euch sagen zu können was die Xbox bietet und was nicht.

Im Spiel steuern wir die titelgebende Lucy, die ein Problem mit sehr lebhaften Alpträumen hat. Als wäre das aber nicht genug schlittert sie Hals über Kopf in düsteres Geheimnis, in der nicht nur ihre ganze Heimatstadt Figgington. Sondern auch ihre eigene Familie verstrickt zu sein scheint… – Ohne Zuviel von der Geschichte Preis zu geben kann man sagen, dass das Spiel gerade für Veteranen des Genres einige Überraschungen bereithält und die teilweise skurril-morbide Geschichte mit jeder Menge pointiertem britischem Humor abschmeckt, ohne dabei in Slapstick abzudriften.

Spielerisch trägt das Spiel seine Inspiration offen und orientiert sich stark an den frühen Werken von Lucas Arts, bzw. Lucasfilm Games, wie damals noch firmierte. Also definitiv näher an dem bereits erwähnten Zak McKracken und „Maniac Mansion“, als an späten Werken wie „Full Throttle„, oder „Grim Fandango“, die das traditionelle SCUMM-Interface teilweise hinter sich gelassen hatten und auch Einflüsse anderer Genres inne hatten. Stattdessen findet man ein reduziertes, aber funktionales Verben-Interface und ein klassisches Inventar in der unteren Bildschirmhälfte.

Die Handlung lässt sich grob in zwei Ebenen aufteilen, die Ebene der Träume und den Wachzustand. Zunächst allein darauf bedacht ihre Träume in den Griff zu bekommen, baut Lucy eine Traumbox, die ihr durch Begleiter im Traum und Hilfsgegenstände, die man zuvor in die Box packt benutzen kann. Das allein ist schon ziemlich kreativ und unterhaltsam, wenn wir im ersten Alptraum unseren notdürftig geflickten Teddy und ein Witzebuch in die Box packen, entpuppt sich aber nur als Einstieg in ein wirklich großes Abenteuer, das uns durch mehrere Träume und die gesamte Stadt mit vielen unterschiedlichen Orten führt.

In beiden Welten finden wir neben detaillierten Arealen auch jede Menge an unterhaltsamen Charakteren, die einem Adventure, neben den Rätseln, die nötige Würze verleihen. Denn nur so macht es Spaß die Ort zu untersuchen und sich mit den Nebenfiguren zu unterhalten. Auch die Rätsel sind größtenteils gelungen, es gab nur ein paar Instanzen, bei denen man schon ziemlich um die Ecke denken musste, was das Spiel witzigerweise zwischendurch auch mal thematisiert. Zwar gibt es keine modernen Hilfesysteme, wenn man von der Möglichkeit absieht Hotspots auf Knopfdruck highlighten zu lassen, aber es mit ein bisschen Nachdenken und Ausprobieren sollte jeder auf die Lösungen kommen, zumal Lucy uns in ihren Dialogen auch oft subtile Hinweise gibt.

Das Spiel bietet demnach aber keine Kontextsensitive Aktion an, wenn wir einen Gegenstand anklicken, sondern wir müssen die gewünscht Aktion klassisch aus dem Verben-Menü auswählen, wobei „Anschauen“ immer die Vorauswahl ist. Auf dem PC wurde erst einige Zeit nach Release ein durchschalten der Verben via Rechtsklick auf der Maus nachgereicht und diese Funktion findet sich zum Launch schon in der Xbox-Version, wobei man die Aktionen sowohl über die Schultertasten, oder die Aktionsknöpfe weiterschalten kann, je nachdem was uns lieber ist. An weiterer Steuerung braucht es lediglich einen Analogstick zum bewegen des Curser und einen Knopf zum Bestätigen. Alles in allem übersichtlich und gut steuerbar. Auch die Geschwindigkeit des Cursers bietet per Default einen guten Mittelwert, ich könnte mir nur vorstellen, dass eine Einstellungsmöglichkeit der Geschwindigkeit für den ein oder anderen wünschenswert ist. Hingegen absolut gelungen ist der Soundtrack, der sogar wahlweise per Roland MT-32, oder AdLib wiedergegeben werden kann, was ein tolles Easter Egg darstellt. Es gibt neben der englischen Fassung auch eine deutsche Lokalisierung, wobei diese nur die Texte und nicht die Sprache umfasst und optional kann man die Verwendung von Schimpfworten an- und ausschalten.

Insgesamt ist „Lucy Dreaming“ einfach ein tolles Spiel und ich bin nach wie vor stolz darauf zur Verwirklichung beigetragen zu haben. Die Knapp 10-stündige Story unterhält wirklich ungemein und selbst beim wiederholten Durchspielen sind mir immer noch kleine Easter Eggs aufgefallen, die ich zuvor übersehen hatte. An nahezu jeder Ecke merkt man, dass hier absolute Fans und Kenner des Genres am Werk waren und umso beachtlicher ist es, dass sich hinter Tall Story Games gerade mal zwei Personen, Emma und Tom Hardwidge verbergen. Wer neugierig geworden ist kann gerne einen Blick auf die offizielle Demo, die es unter anderem auf Steam gibt, werfen. Die Demo umfasst in etwa 1 Stunde des Spiels, ist ebenfalls komplett vertont und gibt damit einen ziemlich guten Einblick. Auf Xbox erscheint das Spiel am 31.05.2023 und kann momentan mit einem Rabatt von 15% vorbestellt werden. Und da Tom mit dem aktuellsten Update auf Kickstarter auch angekündigt hat, dass er an einem neuen Point and Click-Adventure arbeitet werden wird es auf jeden Fall nicht das letzte Mal sein, dass wir über Tall Story Games berichten.
Entwickler: Tall Story Games
Publisher: Tall Story Games
Erhältlich auf: PC, Nintendo Switch, Xbox One
NB@24.05.2023
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