Wenn ich Rennspiele spiele, dann brauch ich persönlich weniger Simulation und mehr Arcade-Action. Für viele Jahre bekam man genau das mit der Need for Speed-Reihe, bis die Spiele mit jeder neuen Iteration nichts neues mehr boten und das gebotene meist auch irgendwo anders schon in besserer Form zu haben war, oder sich die guten Inhalte hinter einer Paywall in Form von Mikrotransaktionen versteckten, einem Thema, das in den letzten Jahren einiges an Aufmerksamkeit bekommen hat, obwohl viele Publisher sich seit Jahren dieser lukrativen Mechanik bedient haben. Dennoch hat EA allem Anschein nach aus seinen Fehlern gelernt und hat bei der Ankündigung des neuesten Ablegers aus der Need for Speed-Reihe betont, dass das Spiel komplett ohne Mikrotransaktionen erscheint und gleichzeitig der Reihe wieder zu alter Stärke verhelfen soll. Das klingt zugegebenermaßen erst einmal wie die „eierlegende Woll-Milch-Sau“ und daher habe ich beschlossen mir über den aktuellen Stand der Reihe mal einen tieferen Einblick zu verschaffen, wofür ich dankenswerterweise von EA einen kostenfreien Review-Code zur Verfügung gestellt bekommen habe. Einen Einfluss hat das aber logischerweise aber nicht auf mein Gesamturteil.
Das Spiel wurde von Ghost Games, einer schwedischen Tochter von EA entwickelt, die bis 2011 unter dem Namen EA Göteborg firmierten und bereits mit „Need for Speed: Rivals“, dem 2015 Reboot „Need for Speed“ und „Need for Speed Payback“ bereits an drei Ablegern der Reihe gearbeitet haben und nun mit „Need for Speed Heat“ ihren vierten Teil der Reihe abliefern. Es ist allerdings nicht notwendig irgendeinen der vorherigen Teile gespielt zu haben, da die Geschichte davon losgelöst ist und sich nach dem von Spielern und Kritiken recht zerrissenen Payback neu aufstellt und auf die Stärken der Reihe besinnt, die zum einen aus spaßiger Arcade-Action, dem Gefühl von Geschwindigkeit und der Verbindung zum eigenen Fahrzeug, das man dank eines ausgeklügelten Tuning-Systems komplett personalisieren kann. Und schon nach den ersten Spielminuten wird klar, dass man genau das geschafft hat, denn ich habe mich persönlich in der Zeit zurückversetzt gefühlt, als ich auf der originalen Xbox und der PS2 die Ableger „Need for Speed: Underground“ gespielt habe, also bevor man versucht hat durch eine Geschichte von Michael Bay mit „Need for Speed: The Run“ mehr Geschichte und Action in die Reihe einfließen zu lassen und das ist größtenteils wirklich gelungen.
Nicht nur, dass wirklich keine Spur von Mikrotransaktionen im Spiel zu finden ist, sondern es gibt es wirklich riesiges Raster mit weit über 100 lizensierten Fahrzeugen, die sich nach Lust und Laune innen, wie außen tunen und optimieren lassen. Dabei beginnt das Spiel mitten in der Action während einem turbulenten Straßenrennen. Wir steuern als Tutorial einen jungen Rennfahrer, der sich erst im Rennen mit einigen Rivalen misst und sich aber schon bald in einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd mit der Polizei wieder findet. Allem Anschein nach möchte die Polizei mit bisher unbekannter Härte gegen die illegalen Straßenrennen vorgehen und schreckt dabei auch nicht davor zurück Autos von der Straße abzudrängen, sodass unser Rennfahrer nur knapp mit dem Leben davonkommt. Und wenn es nach einigen der Polizisten, die ihn stellen ginge wäre noch nicht einmal das der Fall, denn es wird ernsthaft in Erwägung gezogen ihn permanent aus dem Verkehr zu ziehen, endet aber mit einer Morddrohung und der Ansage umgehend die Stadt zu verlassen. Mit diesen Polizisten ist anscheinend nicht zu spaßen und anscheinend lebt man als Beteiligter an Straßenrennen wirklich gefährlich. Doch davon wissen wir, als neuer Speedjunkie, der nach Palm City, einer fiktiven Version von Miami kommt nichts. Wir können uns sowohl einen aus 20 Avataren unterschiedlicher Herkunft und Geschlechter auswählen und bekommen eine Auswahl aus drei unterschiedlichen Fahrzeugen, mit denen wir unsere ersten Rennerfahrungen machen können. Zur Auswahl stehen ein Ford Mustang, ein BMW M3 und ein Nissan 180SX, von denen ich mich für den Mustang entschieden habe, um die Straßen unsicher zu machen. Das geschieht alles in einer offenen Spielwelt, die insgesamt 18 unterschiedlichen Bereiche von Palm City, von ländlicheren Bergen, über Wolkenkratzer-Schluchten über ausladende Promenaden am Hafen ist im Grunde für jeden Geschmack etwas dabei. Dort finden wir in bester Open World-Manier mit fortschreitendem Spielfortschritt Haupt- und Nebenmissionen, aber auch freie Rennen in unterschiedlichen Disziplinen (Rundkurs, Checkpoint-Rennen, Drift, etc.), aber auch eine Vielzahl von Sammelobjekten in Form von Streetart, Radarfallen oder zerstörbaren Billboards, die aber allesamt optional sind. Dabei steht die Stadt sowohl Tagsüber in offiziellen Rennen bei denen man Geld gewinnen kann, aber auch nachts zur Verfügung und gerade nachts, wenn sich die Stadt in Neon-Licht taucht gibt besonders tolle Herausforderungen. Denn diese illegalen Rennen unterscheiden sich sowohl im Umfang, wie auch im Risikofaktor von den Rennen bei Tag. Hier gibt es keine abgesperrten Bereiche und wir teilen uns die Straße nicht nur mit anderen Rennfahrern, sondern auch mit unbeteiligten Autofahrern und der Polizei. Diese ist nachts besonders aktiv und beginnt auch gerne mal mitten in einem Rennen uns zu jagen. Doch neben dem Adrenalin bieten die Rennen bei Nacht noch weitere Vorteile, da wir dort neben Geld auch Respektpunkte verdienen können, was uns hilft im Level aufzusteigen und immer mehr Rennen absolvieren zu können, die wir uns durch den Respekt der anderen Rennfahrer verdient haben. Da unser Spielfortschritt sowohl an unseren Respekt, wie aber auch an die Ausstattung unseres Autos gekoppelt ist, müssen wir Rennen bei Tag und bei Nacht absolvieren, auch wenn letzteres auf Grund der aggressiven Polizei riskant ist, denn werden wir geschnappt, ist alles, was wir in dieser Nacht verdient haben weg…
Die Hauptstory beschäftigt sich mit eine Gruppe von Rennfahren zu denen wir als neuer im Bunde dazu stoßen und den Umgang mit den erbarmungslosen Polizisten, die immer wieder ihre Macht deutlich machen und nur zu gerne selbst Gesetze brechen, um die Raser zur Strecke zu bringen. Das ist im Grunde eine etwas extremere Weiterentwicklung von „The Fast and the Furious“, ist aber eher eine Legitimation für manche Handlung, anstatt vollwertige Story. Alles in Allem unterhält die Geschichte zwar, ist aber keinesfalls die Stärke des Spiels, was aber auch gar nicht schlimm aufstößt, weil der Rest wirklich unterhält und es immerhin mehr Geschichte ist, als man in anderen Rennspielen präsentiert bekommt, wo man der Neue ist, der sich aus zum Besten mausern will. Und dennoch habe ich mich auf immer wieder gut unterhalten gefühlt, wenn alle Nase lang nach ein paar Rennen und einer Storymission eine weiterer Happen Story per Zwischensequenz erschien und mir zeigte, was abseits meiner Autorennen so los ist.
Aber kommen wir zum Fokus des Spiels: Das Rennen und das Tuning, wobei wir uns erst mit dem Tuning beschäftigen wollen:
Im Spielverlauf schalten wir weit über hundert unterschiedliche Autos und zusätzlich unzählige Erweiterungen und Addons frei, die größtenteils lizensiert sind. Das Tuning gliedert sich dabei in Erweiterungen, die die Performance des Autos verändern, wie ein neuer Motor, bessere Bremsen, oder unterschiedliche Bereifung, die das Auto dann eher zum Driften eignen. Diese verändern die Fahrphysik des Autos teilweise drastisch und zur besseren Orientierung wird jede Erweiterung daher in unterschiedliche Kategorien, wie Beschleunigung, Maximalgeschwindigkeit, Kurvenverhalten, usw. eingeteilt und eine Grafik zeigt noch ob das Auto mit seinen Anpassungen eher für die Straße, Rennstrecken, Waldwege, etc. geeignet ist. Hier kann man sich in bester Rollenspielmanier vollkommen austoben, denn mit fast jedem Rennen und jedem Levelaufstieg schalten wir neue Anpassungsmöglichkeiten frei und machen unser Auto immer mehr zum Biest. Darüber hinaus gibt es noch die optischen Anpassungen, die rein kosmetischer Natur sind, aber detailverliebter nicht sein könnten. Von den Schwellern, den Scheiben, Reifen, Felgen, über die Frontschürze und sogar dem Kofferraumdeckel und den Rückleuchten können wir quasi jede Schraube am Auto durch unterschiedliche Lizenzprodukte anpassen und das Auto auch nach unseren Wünschen lackieren und mit Bildern versehen. Ich bin im Spielverlauf meinem Mustang treu geblieben, habe aber fast jede Schraube ausgetauscht und hatte am mein Muscle-Car mit Damaskus-Finish, grüner Unterbodenbeleuchtung, verbreiterten Kotflügeln, verchromten Schwellern und vielem anderen Schnickschnack. Unter der Haube war der Mustang ein hochmotorisiertes Monster mit Fokus auf Straßenrennen und dennoch guten Drift-Eigenschaften, um mich bei meinem Fahrstil am besten zu unterstützen, was sich logischerweise in den Rennen wiederspiegelt. Wem das alles zu aufwendig ist kann sich übrigens auch Autos und Setups aus der Community herunterladen, oder eigene Setups mit in mehreren Speicherslots für sich selbst oder für die Community zur Verfügung stellen.
Auch das Rennen an sich macht wirklich Spaß, es läuft flüssig und sieht wirklich schick aus. Zwar bietet das Spiel auch auf der PS4 Pro (ebenso wie auf der Xbox One X) keine 60fps, aber 4K und HDR sind natürlich an Bord und das Spiel läuft dennoch nicht merkbar zu langsam oder ähnliches. Ganz im Gegenteil, sind die Rennen am Tag noch recht unspektakulär, so sind einige der Rennen bei Nacht auf Grund der tollen Licht- und Schattenreffekte und plötzlich einsetzendem Regen, atemberaubend. Und das spielgelt sich auch in der Fahrphysik wieder, denn das Wetter wirkt sich auf das Handling unsers Autos aus. Dabei reicht es nicht wie bei anderen Rennspielen zu beschleunigen, zu bremsen und dann und wann mal die Handbremse zu bemühen, sondern durch einen Spiel mit dem Gas in Kurven kann man echt coole Drifts durchführen, die notwendig zu beherrschen sind, wenn man Rennen gewinnen möchte. Zwar lässt sich die KI der Gegner in unterschiedliche Stufen einstellen, doch das Auto beherrschen muss man auf allen Stufen und selten habe ich so ein tolles Handling gesehen. Beim Fahren kommt ein wirkliches Gefühl von Geschwindigkeit auf und auch wenn der Realismus stellenweise auf der Strecke bleibt, was besonders beim Schadenmodell deutlich wird, so zerkratzen unsere Autos zwar und auch ein paar Dellen werden nach einem Crash sichtbar, doch viel mehr gibt es nicht, nicht wie bei der Konkurrenz der Burnout-Serie, wenn sich jemand noch daran erinnert. Von dieser Seite ist es eben keine ernsthafte Simulation, sondern ein Arcade-Racer. Als Rennen stehen unterschiedliche Renn-Typen, wie Rundkurs, Checkpoint- oder Drift-Rennen zur Verfügung, die in der offenen Spielwelt als Icons auf der Karte sichtbar sind. Jedes Rennen ist dabei neben des Renn-Typs in eine Schwierigkeit eingeteilt, die immer in Relation zu unserem Auto angezeigt wird und es ist von vorne herein ersichtlich, was es als Preis für das Rennen zu verdienen gibt.
Abseits von den Rennen bietet die offene Spielwelt auch einiges an Unterhaltung und besonders erwähnenswert sind dabei natürlich die Verfolgungsjagden mit der Polizei, die seit Jahren ein Alleinstellungsmerkmal der Reihe sind. Wir sehen dabei die Polizei in bester Metal Gear Solid-Manier samt „Blickrichtung“ auf der Mini-Map und wenn wir in deren Blickfeld geraten, beginnen sie uns zu verfolgen. Je länger eine Verfolgungsjagd andauert, desto mehr Streifenwagen verfolgen und oder versuchen uns mit Straßensperren aufzuhalten. Dabei stellt sich die KI wirklich gekonnt an und schreckt auch nicht davor zurück uns abzudrängen. Wir können zwar, sofern wir genug Geld gesammelt haben, die Beamten auch schmieren, um uns gehen zu lassen, aber das Hauptziel ist auf jeden Fall der erfolgreiche Flucht oder das Ausschalten der Polizei. Bei der Flucht müssen wir lange genug aus dem Blickfeld der Gesetzeshüter verschwinden, damit diese nach einer Weile der „Suche“ die Verfolgung abbrechen und zu ihrer Patrouille zurückkehren. Allerdings können wir über gekonnten Einsatz von Rammen oder sonstigen Fahrmanövern auch den kompletten Streifenwagen aus dem Verkehr ziehen. Jeder Streifenwagen hat dabei eine Energieanzeige und wenn diese geleert wird, bleibt der Wagen liegen. Das macht wirklich Spaß sorgt aber dafür, dass die verbleibenden „Boys in Blue“ umso aggressiver gegen uns vorgehen.
Zusätzlich gibt es neben den bereits erwähnten Sammelaufgaben, die in der Regel wenig spektakulär ausfallen und mehr zum Füllen der Spielwelt zur Verfügung stehen auch noch besondere Herausforderungen, für deren Abschluss wir Preise bekommen. Diese reichen von 3 Polizeiwagen in einer Nacht ausschalten, ohne geschnappt zu werden, über 15 Minuten als Geisterfahrer auf fremde Verkehrsteilnehmer zu rasen bis hin zu Standards, wie „Schließe 2 Rennen in einer Nacht/einem Tag“ ab, hilft aber den Spieler das ein oder andere Mal aus seiner Komfortzone zu locken. Einzig wäre hier vielleicht noch interessant gewesen die Nebenaufgaben und Sammelobjekte vielleicht etwas mehr in die Geschichte, und wenn nur als Legitimation, wie das Federsammeln in „Assassin’s Creed 2“, einzubinden. So wirken diese Elemente teilweise etwas zu sehr aufgesetzt und sind mehr „Spiel“, als der Rest des Spiels. Dennoch ist die Entscheidung das Spiel à la „The Crew“ offener zu designen und mit einer offenen Spielwelt anstatt Menü-Mikado auszustatten durchaus der richtige Weg, zumal die Spielwelt von ihren Maßen her nicht zu groß ist, um stellenweise langweilig zu werden, was leider bei „The Crew 2“ in einzelnen Momenten der Fall war, wenn man minutenlang durch die Gegend fahren musste, um zu einem Event zu kommen. Und da wir auf Knopfdruck entscheiden können, ob wir bei Tag oder bei Nacht unterwegs sein wollen, gehen wir unnötigen Wartezeiten bei einem dynamischen Tag- und Nachwechsel aus dem Weg, den ich bei anderen Spielen zwar begrüße, aber hier für überladen empfinden würde.
Insgesamt hatte ich eine Menge Spaß mit „Need for Speed Heat“. Das Besinnen auf die Stärken der Serie ist meiner Meinung nach geglückt und das komplette Weglassen von Mikrotransaktionen rundet das Spiel entsprechend ab. Gerade EA hat die Kritik wohl ziemlich ernst genommen und trotzdem nicht an anderer Stelle gespart, wenn man sich die Vielzahl von komplett lizensierten Fahrzeugen, Erweiterungen und sogar Kleidungsstücken für unseren Avatar erkennt. Natürlich kann man darüber streiten, ob ein paar der Sammelobjekte und Nebenaufgaben vielleicht etwas „too much“ sind, doch auch davon haben die meisten, zumindest kurzzeitig, unterhalten. Das Fahrgefühl ist toll und beim Fahren kommt wirklich das Gefühl von Geschwindigkeit auf. Wirklich auszusetzen habe ich lediglich, dass der Soundtrack im Vergleich zu älteren Spielen weniger differenziert ausfällt und die insgesamt 58 enthaltenen Tracks ausschließlich aus Rap, EDM, D&B und es aus unerfindlichem Grund keine Rocksongs mehr in das Lineup geschafft haben, wie es zum Beispiel bei den Underground-Teilen noch der Fall war, was aber wirklich ein zu vernachlässigender Kritikpunkt ist, da die Musik dennoch unterhält und das Spielgeschehen schön untermalt. Genauere Infos zum Soundtrack habe ich euch daher mal hier verlinkt. Aber sonst ist das Spiel echt ziemlich gut geworden und zeigt definitiv, dass die Marke Need for Speed auch im Jahr 2019 noch relevant ist.
NB@14.11.2019
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Ja geiles Game 👍
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