Es sollte kein Geheimnis sein, dass ich persönlich ein Herz für japanische Spiele, aber im Speziellen auch japano RPGs habe. Dieses können entweder klassisch rundenbasiert, wie bei Persona, oder auch mit Actioneinlagen, wie „Final Fantasy VII Remake„, oder auch „NieR Replicant 1.22474487139…„, sein, wobei ich in den letzten Jahren die actionreicheren Spiele mehr schätzen gelernt habe. Und genau in diese Kerbe schlägt auch „Scarlet Nexus“, eine komplett neue IP, die von Bandai Namco Studios, zu deren vorherigen Veröffentlichungen unter anderem das interessante Souls-Like „Code Vein„, aber auch Teile der Tekken– und SoulCalibur-Reihe gehören. Mich hat das Spiel bereits bei seiner Ankündigung im Rahmen der letztjährigen Microsoft-Pressekonferenz interessiert, weswegen ich mich direkt zum Launch ins Abenteuer gestürzt habe und nun nach zwei kompletten Durchgängen bereit für meinen Bericht bin.

Denn zugegebenermaßen habe ich etwas Zeit gebraucht, um mich im Spiel und der Geschichte zurechtzufinden, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Denn sowohl von der Gameplay-Seite, aber besonders in Sachen Story bietet „Scarlet Nexus“ eine ganze Menge Inhalt. So kann man zwar das Spiel als Hybrid zwischen Action und RPG, oder „Bayonetta“ meets „Monster Hunter“ herunter brechen, doch das wird dem Spiel nur zum Teil gerecht. Es bietet ein komplett frisches Sci-Fi-Setting, ein komplexes, aber nicht überladenes Kampfsystem, eine Geschichte über ein totalitäres System, Zeitreisen und einigen existenziellen Fragestellungen, aber auch japano-typisch überzeichnete Charaktere und eine Prise Dating Sim, eine ganze Menge, was auf den ersten Blick kaum zusammenpassen kann…

Wir haben zum Beginn die Wahl zwischen zwei spielbaren Charakteren, Yuito Sumeragi, ein Junge aus wohlhabendem Haus, oder Kasane Randall, die einen starken Beschützerinstinkt gegenüber ihrer Schwester an den Tag legt und das Kind des Öfteren beim Namen nennt, in etwa so wie Kaine aus NieR, ohne Kraftausdrücke. Je nachdem welchen Charakter wir wählen lässt uns die gleiche Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erleben, was auch ähnlich wie der beiden Szenarien in „Resident Evil 2“ eigene Bereiche, aber auch Überschneidungen beinhaltet, weswegen man zwei Durchläufe braucht um das komplette Bild zu bekommen. Beide sind Teenager und befinden sich in Ausbildung des OSF, einer paramilitärischen Spezialeinheit, die die Welt vor den „Others“, dämonenhafte Gestalten, die ein einziges Ziel haben: Chaos zu verbreiten. Schon in ihren ersten Einsätzen müssen unsere Protagonisten allerdings erkennen, dass sich die Welt nicht so einfach in Schwarz und Weiß aufteilen lässt und es auch in den eigenen Reihen finstere Machenschaften gibt, als sie einer Verschwörung auf höchster Ebene auf die Spur kommen und plötzlich selbst auf der Abschussliste landen. Die Geschichte beginnt recht Klischee-behaftet, kommt aber spätestens ab dem dritten Kapitel richtig in Fahrt und wartet mit einigen schockierenden Ereignissen und überraschenden Wendungen auf.

Der Fortschritt ist dabei recht linear, wobei es dennoch möglich ist in bereits besuchte Areale zurückzukehren, um Verpasstes einzusammeln, oder das ein oder andere Sidequest mitzunehmen. Der Fokus ist aber eindeutig die Story-Abschnitte, die jeweils von ausufernden Cutscenes und Gesprächen begleitet werden, was mich von der Erzählstruktur stark an Persona erinnert hat. Wahlweise steht dabei die Vertonung in Japanisch, oder Englisch mit unterschiedlichen Untertiteln zur Verfügung. Von der Präsentation gibt es dabei voll animierte Zwischensequenzen, auf Anime-Serien-Niveau, aber auch Standbilder und Portraits der Personen im Visual Novel-Style. Stellenweise wirklich es dabei etwas willkürlich wann welcher Stil verwendet wurde, funktioniert aber auch im Tandem überraschend gut, auch wenn ich mir in ein paar Szenen, in denen viel passiert, dennoch mehr „echte“ Cutscene gewünscht hätte. Das mag aber auch mitunter eine rein persönliche Vorliebe sein.

Wo bei der einen oder anderen Cutscene eventuell etwas gespart wurde, hat man stattdessen in das Kampfsystem investiert, ohne dreist zu klauen. So findet man zwar einige Versatzstücke aus anderen Spielen, aber das große ganze ist eine komplett eigene Mixtur. Natürlich haben wir unsere Standards, wie leichter und schwerer Angriff, Sprung und Dash, doch neben unterschiedlichen Combos gibt es noch die psychokinetischen der Charaktere und die Brain Crush-Fähigkeiten. Schauen wir uns zunächst mal die erstgenannten an: Jeder Charakter hat spezielle Fähigkeiten, die von Telekinese, über Unsichtbarkeit, bis hin zu diversen Elementar-Fähigkeiten reichen können. Unsere Protagonisten kommen dabei jeweils mit einer ausgeprägten Telekinese-Fähigkeit, die wir für unterschiedliche Fernangriffe, aber auch für kraftvolle Finisher einsetzen können. Besonders interessant ist dabei, dass wir unsere Fähigkeiten mit denen unserer Mitstreiter kombinieren können, wenn sich jemand in unserer Party befindet, wodurch sich besonders explosive Kombinationen herstellen lassen. Das wird nur noch durch die Brain Crush-Fähigkeiten auf die Spitze getrieben, wenn der Cooldown unserer Spezialfähigkeiten wegfällt, wir uns schneller bewegen und unsere Angriffe mehr Schaden anrichten. Das einzige Manko dabei ist, dass wir den Einsatz nur indirekt steuern können, da sich die korrespondierende Leiste durch unsere Kampfkünste auflädt und automatisch in den Overdrive schaltet, wenn die Leiste voll ist.

Herkömmliche Nahkampfangriffe gibt es selbstverständlich auch und so kommt Yuito beispielsweise mit einem Katana im Gepäck, was sich im Spielverlauf aber auch gegen andere Waffen austauschen lässt. Besonders erfüllend werden die Kämpfe dann, wenn man die unterschiedlichen Möglichkeiten miteinander kombiniert, die Schwachstellen der Gegner gekonnt auslotet und fast schon in einem akrobatischen Mix aus Gewalt, Geschwindigkeit und Flow ankommt, sodass selbst Dante aus Devil May Cry vor Neid erblassen würde. Wobei das Kämpfen und das Ausführen von Combos, die sich über den umfangreichen Skill-Tree freischalten lassen, insgesamt weniger technisch und leichter auszuführen ausfallen, als bei der Konkurrenz und man sich schnell wie ein echter Badass vorkommt.

Entgegen Persona ist die Handlung zwar linearer, nimmt sich aber ebenso bewusstere Auszeiten von der Handlung, in denen die Zeit im Spiel quasi pausiert ist, bis wir bereit sind weiterzumachen. In diese Pausen können wir unsere Ausrüstung aufräumen, den Shop besuchen, oder auch unsere Teamkameraden in den sogenannten „Bond-Episoden“ besser kennenlernen, was einen Hauch von Dating Sim mit sich bringt. Wir können den Charakteren Geschenke machen, erfahren einiges über Vorlieben und Geschmäcker, oder verbringen einfach Zeit miteinander, was wiederum einen direkten Einfluss auf das weitere Spiel mit sich bringt. Sind wir enger befreundet können wir auf mehr Fähigkeiten zugreifen, oder diese ergänzen sich besser mit den Unseren. Diese Szenen sind zwar komplett optional, erfüllen damit aber auf jeden Fall einen Mehrwert und es könnte für meinen Geschmack sogar mehr davon geben.

Von der technischen Seite ist „Scarlet Nexus“ nicht nur ein sehr schickes Spiel und besticht durch eine interessante Cellshading-Grafik, gepaart mit einer modernen, jedoch stellenweise unterkühlten Spielwelt, was aber ein bewusst gewähltes Stilmittel zu sein scheint. Auf PS5 und Xbox Series X läuft das Spiel in einer variablen 4K-Auflösung bei meist 60fps. Lediglich in besonders hektischen Szenen kann es vorkommen, dass die Frames kurzzeitig etwas einstürzen. Auf der Series S wird eine maximale Auflösung von 1440p erreicht, was aber oft auch niedriger ist, um dennoch das Ziel von 60fps zu erreichen. Und das klappt an sich überraschend gut, auch wenn man feststellen muss, dass die Series S logischerweise bei den gleichen Szenen strauchelt, wie die größeren Konsolen und die Frames dabei auch noch weiter abfallen, was aber nichtsdestotrotz gut zu verschmerzen ist. Auf der Lastgen muss man sich hingegen mit 1080p und 30fps, neben um einiges längeren Ladezeiten, begnügen. Besonders schön ist aber dass es die Nextgen-Version, sowohl auf PS4 und Xbox One, als kostenloses Upgrade gibt, was immer ein toller Zug ist, wenn man sich nicht entscheiden muss, wenn man es vielleicht noch nicht geschafft hat eine neue Konsole zu bekommen…

Insgesamt hat Bandai Namco eine wirklich interessante neue IP auf die Beine gestellt, die sich vor der Konkurrenz nicht verstecken muss. Besonders hat mir dabei das vielschichtige und dennoch eingängige Kampfsystem gefallen, das selbst nach zig Spielstunden immer noch wusste zu begeistern. Der Handlungsverlauf gibt uns zwar weniger Freiheiten, als beispielsweise Persona, nimmt sich aber dennoch genug Zeit für die Charakterebtwicklung, was besonders in den optionalen Bond-Szenen zum Tragen kommt. Diese interessante Herangehensweise sollte man durchaus in einer Fortsetzung noch weiter vertiefen und vielleicht auch direkte Auswirkungen auf den Verlauf der Geschichte einbauen, um den Szenen noch mehr Gewicht zu verleihen. Aber das ist wirklich nur ein kleiner Malus in einem sonst wirklich unterhaltsamen und gleichermaßen fesselnden Spiel, das leider viele gar nicht so auf dem Radar zu haben scheinen. Wer Action-RPGs mag und sich von vielen, teilweise minutenlangen Cutscenes nicht abschrecken lässt, der sollte wirklich mal einen Blick auf „Scarlet Nexus“ werden, denn dabei handelt es sich mit Sicherheit um eine Reihe von der wir zukünftig noch mehr sehen werden!
Entwickler: Bandai Namco Studios
Publisher: Bandai Namco
Erhältlich auf: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S
NB@12.07.2021
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