Xbox One Review: „Gears 5“ – Was bietet die Neuausrichtung der Actionreihe?

Gerade ist der 5. Teil der Gears of War-Reihe erschienen und obwohl das etwas untypisch ist, liefert der 5. Teil einige interessante Neuerungen, die der Reihe wirklich guttun. So werben Marketing-Kampagnen mit einem neuen Charakter, einer offenen Spielwelt und zusätzlich wird der Titel des Spiels von „Gears of War 5“ auf „Gears 5“ zusammengestaucht. Ich war ein langjähriger Fan der Reihe und war auf Grund dieser Reihe von Hiobsbotschaften etwas skeptisch und fragte mich selbst, ob das dann überhaupt noch das bekannte Gears sein kann? Doch wer rastet, der rostet heißt es ja bekanntlich und so habe ich mich so offen wie möglich an das neue Abenteuer von Marcus und Co. gesetzt, das ich dankenswerterweise durch einen kostenfreien Code, den ich von Faktor3, die im Auftrag von Xbox und Microsoft Gaming arbeiten, erhalten habe. Einen Einfluss hat dieser Umstand allerdings selbstverständlich nicht auf meinen Bericht.

Das Spiel wurde, wie gewohnt von The Coalition im Auftrag von Xbox Game Studios entwickelt. Insofern ist also alles beim alten, bzw. wie beim direkten Vorgänger und dem Remaster von Teil 1, der vor ein paar Jahren herausgekommen ist. Auch wenn das Spiel eine dicke „5“ im Titel trägt ist es wahrscheinlich das Einsteiger-freundlichste Spiel der Reihe, da man direkt nach dem Spielstart in ein Boot-Kampf verfrachtet wird, das den Spielern die wichtigsten Mechaniken des Spiels in unterschiedlichen Tutorials Schritt für Schritt weiterbringt, bevor es uns mit einer an eine TV-Serie erinnernden „Was bisher geschah“-Cutscene über die Ereignisse von „Gears of War 4“ informiert, um alten, wie auch neuen Spieler näherzubringen, wo man sich momentan befindet. Und das macht auch wirklich Sinn, denn das Spiel setzt nahtlos am Ende des Vorgängers ein und schmeißt uns als Spieler direkt ins Getümmel. Interessanterweise steuern wir per Default J.D. und nicht die auf dem Cover prangernde Kait. Wer allerdings die Vorgänger nicht kennt sollte zumindest eine Zusammenfassung der vorherigen Handlungen lesen oder auf YouTube ansehen. Dieses Vorwissen ist zwar nicht essenziell und viele Sachen lassen sich auch im Spielverlauf aus dem Kontext schließen, doch einige Punkte entgehen dem Spieler sonst unter Umständen oder sind nicht 100% nachvollziehbar. Nach dem ersten Akt, auf dessen Ende ich aus Spoiler-Gründen nicht weiter eingehen möchte, finden wir uns einige Zeit später wieder und steuern ab diesem Moment Kait, die zusammen mit Del und dem kleinen fliegenden Roboter Jack, der mit unterschiedlichen aktiven und passiven Traits ausgestattet und von uns per Tastendruck ferngesteuert werden kann, befinden wir uns auf einer Rekrutierungsmission. Wir suchen Verbündete im Kampf gegen den übermächtigen Schwarm, der sich ständig weiterentwickelt und eine mittlerweile eine größere Bedrohung darstellt, als es die Locust je wahren. Denn nicht nur ist die Bedrohung größer, als bisher angenommen und hat bereits einige Opfer gefordert, sondern es gibt es auch anscheinend eine Verbindung zu mysteriösen Alpträumen und Kopfschmerzen, die Kait plagen. Aus irgendeinem Grund scheint sie mit dem Schwarm verbunden zu sein, doch es ist lange Zeit nicht sicher, ob sich das im Verlauf als Segen oder Fluch erweisen kann. So macht sich Kait auf die Suche nach Antworten, die in ihrer eigenen Vergangenheit und einem mysteriösen Locust-Anhänger zu liegen scheinen, den sie von ihrer Mutter bekommen hat.

Von dort an erkunden wir eine offene Spielwelt, die mit allerlei Open Word-Tropes, wie einem Fahrzeug und Random Encouters und Haupt- und Nebenmissionen aufwartet, die wir in beliebiger Reihenfolge angehen können. Unser Fahrzeug ist dabei der Skiff, ein Segelschlitten mit Kitesurf-Erweiterung, den wir frei über die Spielwelt steuern und im Bedarfsfall auch jederzeit verlassen können, um die Umgebung zu Fuß zu erkunden. Die Welt an sich ist allerdings keine massive offene Spielwelt à la „GTA V“, sondern erinnert von ihrer Größe und dem Layout eher an die offeneren Bereiche in „Uncharted 4: A Thief’s End“. Wir haben in der Regel einen oder mehrere Missionsziele, die auf der Karte markiert sind, müssen irgendwie dahin kommen und können links und rechts dieses Weges verlassene Bunkeranlagen oder abgestützte Raumschiffe erkunden, die wir zufällig finden oder auch Nebenmissionen verfolgen, bei denen wir zum Beispiel das Schicksal von vermissten Siedler erforschen müssen. Die Nebenmissionen und Dinge abseits der Hauptmissionen sind optional, warten aber meist mit lukrativen Upgrades für Jack auf, die es ausschließlich hier zu finden gibt. Zusätzlich versteht sich wahrscheinlich von selbst, dass diese Ereignisse auch fast immer in für die Reihe typischen Feuergefechten und sogar dem ein oder anderen Bosskampf enden.

Die Hauptmissionen hingegen sind klassische Kost. Wir sind dabei in einem überschaubaren Gebiet und verfolgen unterschiedliche Missionsziele, wie das Erforschen einer verlassenen Forschungsstation, was in Ansätzen sogar Dead Space-Züge annehmen kann, wenn man sich durch die verlassenen Anlagen schleicht. Einen besonderen Twist gibt es dabei in vom Schwarm korrumpierten Robotern, die wir wenn möglich lautlos ausschalten müssen, damit nicht alle Roboter in der Umgebung aktiviert werden und uns angreifen. Aber die ikonischen Setpieces und Feuergefechte der Reihe kommen natürlich auch nicht zu kurz und liefern trotz der neuen Einflüsse auf Veteranen bekannte Gears-Kost. Die Story ist dabei in 4 Akte aufgeteilt und jeder Akt spielt in einem anderen Bereich und liefert so ziemlich unterschiedliche Areale und Spielwelten zum Erkunden. Man könnte auch meinen, dass sich durch die weniger Straffe Erzählweise auf das Pacing auswirken könnte, doch gerade weil die offenen Welten nicht übermäßig groß sind, es jede Menge zu entdecken gibt, das Steuern des Skiff sehr viel Spaß macht und man während den Fahrten im Grunde immer Gespräche zwischen Kait und Del oder auch Funksprüche mit Marcus oder anderen Charakteren hat, verbindet es sich sehr organisch mit den Missionen und wirkt nicht wie eine unpassende Streckung der Spielzeit, was eine Befürchtung war, die viele im Vorfeld hatten und aber in der Realität nicht so aufgenommen wird. Es ist dagegen sogar sehr interessant anzusehen, wie eine zusammenhängende Welt aufgebaut ist, die wir in den anderen Teilen immer nur in kleineren Schlauch-Bereichen gesehen haben. Dabei spielt auch nicht das gesamte Spiel in der gleichen Spielwelt ab, sondern jeder der vier Akte des Spieles hat ein eigenes Setting, was sich teilweise stark von den anderen unterscheidet. Besonders hat mir dabei der zweite Akt gefallen, der sich komplett in Schnee und Eis abspielt, was man in dieser Form in der Reihe noch nicht gesehen hat und mit besonders tollen Setpieces aufwartet, wenn wir unsere Fußspuren im Schnee bewundern können, zugefrorene Flüsse und Seen mit gezielten Schüssen zum Einbrechen bringen können und so gleich mehrere Gegner in den Tod schicken, oder mit einem gezielten Hechtsprung herunterfallenden Eisbrocken ausweichen…

Sonst ist allerdings alles beim alten und die Gefechte in der klassischen Deckungsshooter-Manier laufen flüssig von der Hand wie eh und je. Dabei wurde an den Gegnern insofern geschraubt, dass es nun mehr unterschiedliche Gegnerklassen gibt, die teilweise eine andere Herangehensweise von uns erfordern, was dafür sorgt, dass die Gefechte dadurch etwas aufgelockert werden und sich weniger eindimensional anfühlen, als es in manchen Passagen in früheren Teilen der Reihe der Fall war. Und besonders in Kombination mit Besonderheiten der Umgebung, die oftmals mehr als plumpe Kulisse ist kann man seine Kämpfe durch ein Einsatz der bereits erwähnten Eisflächen oder auch oder riesigen Dampfaggregaten, die wir mit Hilfe von Jack, den wir wie eine Art verlängerten Arm zum Aktivieren von Schaltern, einsammeln von Waffen und Munition oder auch zum Schocken von ganzen Gegnergruppen fernsteuern können, aktivieren und so noch mehr aus den Kämpfen herausholen. Wie gewohnt bei der Reihe ist auch nach dem Ende der knapp 13-15-stündigen Kampagne, was man je nachdem wie viele der Nebenaufgaben man erledigt noch etwas verlängern kann, nicht zwangsläufig Schluss, denn es gibt mal wieder ein buntes Potpourri an Multiplayer-Modi, abseits der Story, die man auch zu dritt erleben kann. Besonders interessant ist dabei, dass einer der Spieler dann die Rolle von Jack übernimmt, der sich logischerweise ziemlich anders steuert und spielt, als die klassischen Gears-Soldaten. Auch im Multiplayer gibt es Anpassungen und so steht neben den Klassikern „Horde“ und „Versus“, was die klassischen 5v5-Gefechte in unterschiedlichen Modi (Deathmatch, King of the Hill, etc.) umfasst, gibt es mit „Escape“ einen komplett neuen Modus. Dabei wird in einem Schwarmbau eine Bombe mit einem Timer von 60 Sekunden gezündet, die wenn sie explodiert die Gänge des Baus langsam mit Gift füllt, was für uns leider giftig ist. Auf unserer Flucht, die in mehrere Runden aufgeteilt ist und von ihrem Schwierigkeitsgrad konstant ansteigt, was Gegneranzahl und Vielfalt angeht, aber auch das immer verwickeltere Layout der Map angeht. Gerade im Vergleich zum „Standardprogramm“ von Multiplayer-Modi sticht dieser neue Modus heraus und macht wirklich Spaß, da das Spiel uns quasi zwingt immer in Bewegung zu bleiben, was sich auch vom üblichen Gears-Spielprinzip unterscheidet, wo man eher von Deckung zu Deckung hechtet und einen Gegner nach dem anderen ausschaltet.

Von der technischen Seite ist das Spiel das bisher beeindruckteste, das ich je auf der Konsole gesehen habe. Die Grafik ist selbst auf der normalen Xbox One knackscharf und lebensecht, wird auf der S und besonders der X aber auf eine ganz neue Dimension transportiert, die man sonst nur von einem hochgerüsteten PC kennt. Neben der allgemeinen Schärfe und dem Detailgrad gibt es auch einige wirklich tolle Licht- und Schatteneffekte, wenn die Sonne durch die Wolken bricht, oder man durch einen unbeleuchteten Korridor läuft und lediglich eine Lampe unseres treuen Roboters Jack das notwendigste Licht spendet. Doch auch die Partikeleffekte können sich durchaus sehen lassen, wenn man während einem Sturm mit Metergroßen herunterfallenden Eisblöcken gegen eine Gruppe Gegner kämpft und eine Explosion die nächste jagt oder wenn uns ein aus Blutegeln bestehender Schwarm angreift man und präzise Egel für Egel wegschießen kann. Auch die Framerate spielt dabei auch fast immer mit und liefert 60fps selbst bei hohen Auflösungen, was in Bezug auf das gebotene wirklich überraschend ist. Gerade im Vergleich zu „Gears of War 4“ ist das ein riesiger Schritt nach vorne, denn damals musste man sich noch entscheiden zwischen 4K mit 30fps oder 1080p bei 60fps. Doch da merkt man auch, dass The Coalition zum einen keine x-beliebige Softwareschmiede ist, die an einer x-beliebigen Lizenz arbeitet, sondern Gears auf jeden Fall eine der Premiummarken ist und in Folge dessen auch eine Menge Arbeit in das Game, das zweifelsfrei der wichtigste Exklusivtitel für die Xbox in diesem Jahr ist, gesteckt wurde. Gleiches gilt übrigens auch für die Multiplayer-Modi. Ich habe einige Runden unterschiedlicher Modi gespielt und hatte dabei keine erkennbare Probleme. Gang im Gegenteil. Ich war schnell in einer Lobby, hatte keine Disconnects und auch das Balancing ging in den PvP-Modi in Ordnung, auch wenn es natürlich immer ein paar Cracks gibt, die einem das Leben etwas schwer machen.

Insgesamt ist „Gears 5“, obwohl es mit einigen Tropes der Reihe bricht, immer noch merklich ein Gears of War. Es ist das spielerische Äquivalent zu einem Michael Bay-Blockbuster, der stellenweise zwar total übertrieben, aber dennoch in seinem eigenen Universum nicht unlogisch ist. Die Geschichte hat mir persönlich besser gefallen, als beim Vorgänger und auch wenn ein paar der Wendungen quasi schon Meilen voraus ersichtlich sind, so gibt es dennoch auch für eingefleischte Fans überraschende Momente, die man so wahrscheinlich nicht kommen sieht. Auch das offene Design mit optionalen Nebenmissionen hat mir ebenso gut gefallen, wie Kait als neue Protagonistin. Die Welt stellenweise mit dem eigenen Tempo zu erkunden ist genauso erfrischend, wie dass Kait als Hauptfigur persönlicher von der Handlung tangiert wird und gleichzeitig mehr Emotion zeigt. Einzig was mir nicht so ganz gefallen hat ist, dass „Gears 5“ leider wieder in einem Cliffhanger endet, der dann voraussichtlich erst in „Gears 6“ fortgesetzt wird. Es dauert also wieder ein paar Jahre, bis wir erfahren wie es weitergeht. Aber das ist wirklich eine Kleinigkeit und war fast zu erwarten, da die Teile 4-6 eine in sich geschlossene Trilogie bilden sollen. Wer eine Xbox One, egal in welcher Ausführung, sein Eigen nennt kommt an diesem Spiel keinesfalls vorbei, denn es ist ein verdammt heißen Anwärter auf einen der Top-Plätze der Spiele des Jahres. Und da es sogar ab Release im Xbox Game Pass enthalten ist sollte man das Spiel auf jeden Fall spielen.

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NB@17.09.2019

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7 Kommentare

  1. Jeden Mittwoch lande ich hier und frage mich im ersten Moment, ob mein Internet hängt oder Du einen Artikel vergessen hast. Bis mir dann im sofort einsetzenden zweiten Moment einfällt, dass Du dir ja den Mittwoch als wohlverdienten Ruhetag gesetzt hast.
    Naja, zum Spiel hab ich soviel zu sagen wie Xbox only -Spieler zu Killzone. Trotzdem liest sich der Bericht gut und überzeugend. Schade, das man sich oft für eine Seite entscheiden muss.

    Gefällt 1 Person

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