Seit frühester Jugend war eines meiner liebsten Spiele-Genres das klassische Point and Click-Adventure, wie es von Sierra und Lucasfilm, bzw. später Lucas Arts populär gemacht wurde und uns Klassiker wie „Leisure Suit Larry„, „The Secret of Monkey Island„, oder „Day of the Tentacle“ bescherte, bevor das Genre mit dem Sprung in die dritte Dimension zu Grabe getragen wurde. Doch nachdem es jahrelang als tot galt und die Firmen, die das Genre groß gemacht haben ihre Türen schlossen, erhoben sich neue kreative Firmen aus der Asche und belebten das Genre mit neuem Leben. Zu diesen Firmen gehörte und anderem Telltale, die sich aus vielen ehemaligen Lucas Arts-Mitarbeitern speisten, aber auch die deutsche Entwicklerschmiede Daedalec Entertainment, die unter anderem die Deponie-Serie und das interessante Sci-Fi-Abenteur „State of Mind“ entwickelt haben.

Angefangen hat der Erfolgskurs 2008 mit dem klassischen Adventure „Edna bricht aus“, das international als „Edna & Harvey: The Breakout“ vertrieben wird und bislang ausschließlich auf dem PC zu haben war. Doch das ändert sich nun endlich und so bekommen wir, nachdem die Fortsetzung „Edna & Harvey: Harvey’s new Eyes“ seit knapp einem Jahr auf PS4, Xbox One und Nintendo Switch verfügbar ist, nun endlich auch zum (etwas verspäteten) Jubiläum auch den ersten Teil. Doch die Veröffentlichung ist weit mehr, als ein „simples“ Konsolendebüt, sondern wurde im Rahmen der Veröffentlichung komplett überarbeitet.

Und hochauflösende Grafiken, die an moderne Bildschirme angepasst wurde, ein neues technisches Grundgerüst und eine rundum optimierte Steuerung sind nur einige der Neuerungen. Mich hat dabei sehr interessiert, ob das Spiel dennoch seinem Charme treu bleibt. Um das herauszufinden wurde mir dankenswerterweise die PS4-Version für das Review zur Verfügung gestellt, was aber selbstverständlich keinen Einfluss auf mein Fazit hat.

Im Zentrum der Handlung steht die titelgebende Edna. Sie hat ein massives Problem, denn sie wacht in einer Gummizelle auf und weiß nicht, wie sie dort hingenommen ist. Im Grunde hat sie überhaupt keine Erinnerung an irgendetwas und ist sich nur einer Sache sicher: Sie gehört dort nicht hin und muss da sofort wieder raus. Denn sie fühlt sich absolut gesund und auch ihr bester Freund Harvey, ein sprechender Stoffhase, bestärkt sie darin. Auf ihrer Flucht lernt sie nicht nur herrlich skurrile Mitinsassen kennen, doch muss auch feststellen, dass der Leiter des Sanatoriums, Dr. Marcel, nichts Gutes im Schilde führt und dass ihre Inhaftierung ein Teil eines perfiden Plans ist…

Vom Gameplay her ist „Edna & Harvey: The Breakout“ ein recht klassischer Vertreter des Point and Click-Adventures. Der Bildschirm besteht aus einem Hintergrund und einem Vordergrund. Im Vordergrund steuern wir Edna und Harvey zwischen denen wir in vielen Szenen per D-Pad hin- und herschalten können. Interagieren können wir mit sogenannten Hotspots, was interaktive Elemente von Hinter und Vordergrund sind, interagieren. Auch wenn das Genre vornehmlich auf dem PC mit Maus und Tastatur gespielt wird, hat man es dennoch wirklich gut für eine Steuerung via Controller angepasst. Wir steuern unsere Protagonisten via linken Stick und die Hotspots werden „aktiv“ sobald wir nah genug dran sind. Sind wir gleichzeitig in der Reichweite mehrerer Hotspots können wir mit dem rechten Stick selektieren, welchen wir wollen. Durch das simple Anklicken wird die naheliegendste Aktion (meist „schaue an“) durchgeführt und gedrückt halten öffnet sich ein Kontextmenü in bester SCUMM-Tradition. Weiter gibt es auch ein Inventar, bei dem der aktuell ausgewählte Gegenstand immer rechts unten in der Bildschirmecke angezeigt wird. Dieser ist auch als Vorschlagswert im Kontextmenü, wenn wir mit einem Hotspot interagieren, auch wenn das natürlich nicht überall funktioniert, oder gar Sinn macht. Die Gegenstände im Inventar können entweder per Schultertasten durch gescrollt werden, oder lassen sich klassisch als separates Menü öffnen, was in einigen Fällen auch notwendig ist, wenn wir beispielsweise Gegenstände untereinander kombinieren. Insgesamt hat es damit schon gut geschafft eine klassische Point and Click-Steuerung auf einen Controller zu übertragen, auch wenn ich gestehen muss, dass es etwas Eingewöhnungszeit braucht, bis man sich nicht mehr „verklickt“ und so mitunter den falschen Hotspot selektiert.

Weiter haben sich die Entwickler auch noch eine kleine Besonderheit in Sachen Gameplay einfallen lassen, was mir schon damals bei der ursprünglichen Veröffentlichung gefallen hat: Die besondere Gameplay-Komponente ist dabei die Unterstützung durch Edna’s Stoffhasen Harvey, der nicht nur mit ihr redet und sarkastische Kommentare fallen lässt, die an stellenweise an Stewie aus „Family Guy“ erinnern, sondern obendrein noch die Kraft besitzt Edna in ausgewählte Szenen ihrer Vergangenheit zu versetzen, wenn es dort etwas zu lernen gibt, das ihr in der Gegenwart hilfreich sein kann. Dabei sind die Rätsel an sich teilweise zwar abstrus, aber im Kontext der Geschichte wiederum logisch und kreativ. So lernen wir früh im Spiel, durch eine dieser „Reisen“, dass man Zehennägel wunderbar zum Entfernen von Schrauben verwenden kann, was im Spielverlauf dann öfters zum Tragen kommt…

Auch wenn die 2008er Version des Spiels gute Unterhaltung und gleichzeitig frischer Wind für das totgeglaubte Genre war, so muss man sich auch durchaus eingestehen, dass es nach 12 Jahren einige Spuren der Alterung mit sich bringt. So läuft die Originalversion nur in 800×600 in 4:3 mit 40fps und wurde noch auf Java entwickelt. Das ist alles nicht mehr wirklich zeitgemäß und so hat man nicht nur an der Auflösung geschraubt, wie es einige Neuauflagen machen, sondern das Spiel einer kompletten Frischzellenkur unterzogen. Die neue Version wurde nun mit Unity von der Pike auf neu erstellt, ist hochauflösend mit 60fps und für 16:9 optimiert. Alle Charaktere und Hintergründe wurden von Hand komplett neu gezeichnet und im Zuge der Überarbeitung ist auch gleich das Verb-basierte Interaktionsmenü dem bereits erwähnten Kontextmenü gewichen, das stattdessen Piktogramme verwendet. Puristen können sogar zu der alten Version zurück wechseln, was sich aber leider etwas umständlich gestaltet. Konnte man zum Beispiel bei „Day of the Tentacle“ oder „Full Throttle“ per Knopfdruck hin- und herschalten, so muss man bei „Enda“ innerhalb des Spiels pausieren, in die Einstellungen, den anderen Grafikstil selektieren und warten bis das Spiel gespeichert und neu geladen wurde. So versteckt wird die Funktion wahrscheinlich an einigen Spielern komplett vorbeigehen.
Insgesamt ist „Enda“ auch 12 Jahre nach dem eigentlichen Release immer noch ein echt schickes Game, das wahrscheinlich noch nie so frisch aussah, wie heute. Auch wenn das Spiel im Vergleich zum Nachfolger etwas kürzer und stellenweise in seinen Rätseln simpler ist, so besticht es aber gleichermaßen durch viel Charme und überragende Liebe zum Detail. So können wir mit fast allem und jedem in der Spielwelt interagieren und die Protagonisten haben im Grunde auch zu allem etwas zu sagen. Besonders toll sind dabei Situation, wenn man im Grunde sinnlose Sachen ausprobiert und dennoch eine Reaktion bekommt, die man so nicht kommen sieht. So kann ich jedem empfehlen im Büro von Dr. Marcel mal zu versuchen mit dessen Kugelschreiber zu sprechen, ihr werdet durchaus überrascht werden in welche Richtung sich das „Gespräch“ entwickelt. Wer bisher keine Berührungspunkte mit „Edna“ hatte, sollte definitiv zu dieser Version greifen, denn auch wenn sie teurer ist, als die 2008er Version, ist sie auf der Höhe der Zeit und neben dem PC auch auf allen relevanten Konsolen vertreten. Alle anderen warten vielleicht aber eher auf einen Sale, denn auch wenn Technik und Optik komplett überarbeitet wurden, so ist das Spiel abseits davon 1:1 wie die alte Version und bietet keine inhaltlichen Veränderungen, was den ein oder anderen Käufer sonst vor den Kopf stoßen könnte. Auch wenn man zugeben muss, dass die Ursprungsversion auch schon verdammt gut war…
Entwickler: Daedalec Entertainment
Publisher: Daedalec Entertainment
Erhältlich auf: PC, PS4, Xbox One, Nintendo Switch
NB@02.07.2020
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Edna ist auch eines meiner ersten Point ’n‘ Click Adventures gewesen, nachdem ich das Genre mehr oder weniger über Another Code entdeckt habe. Bis heute sind mir die zahlreichen Interaktionen, die allesamt auch noch vertont wurden, positiv in Erinnerung geblieben. Ich habe sogar Harvey als Plüschtier im Regal stehen.
Was mir noch gar nicht bekannt war, dass das Spiel für die Neuauflagen komplett überarbeitet wurde. Dann weiß ich ja zukünftig bescheid, welche Version ich beizeiten mal empfehlen kann. Ich selbst werde mir die Neuauflage nicht unbedingt noch einmal holen, denke ich. Aber danke für die Information!
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