Ich habe ja bekanntlich ein großes Herz FMV-Spiele, also diese Spiele, die anstatt computergenerierter Grafiken auf mit echten Schauspielern gefilmte Szenen setzen. Bereits in den frühen Neunzigern hat mich diese Form des Spiels fasziniert und in den letzten Jahren hat das totgeglaubte Genre ein Revival erfahren, was zum einen an den erfolgreichen Neuauflagen klassischer FMV-Spiele, wie „Night Trap„, „Double Switch„, „Corpse Killer„, oder auch „Ground Zero Texas“, aber auch an komplett neuen Produktionen, wie „Late Shift„, „The Shapeshifting Detective„, oder auch „Dark Nights with Poe and Munro“ liegt. Und nun ist mit „Who pressed mute on Uncle Marcus?“ ein neues Spiel aus letzterer Riege erschienen, das sich selbst damit rühmt ein Murder Mystery à la Agatha Christie zu sein, weswegen ich mir das Spiel einmal ganz genau angesehen habe, das mir freundlicherweise bereits vor der Veröffentlichung vom Publisher zur Verfügung gestellt wurde, was aber selbstverständlich keinen Einfluss auf meine Bewertung hat.

Wir sind die zurückhaltende Abby, die am Abend eines per Video Call stattfindenden Spieleabends, der anlässlich des Geburtstages ihrer Mutter abgehalten wird, einen Anruf ihres Onkels bekommt, der wohl merkwürdiger kaum sein könnte. Denn ihr Onkel Marcus hat eine skurrile Bitte: „Du musst einen Mord aufklären!“ und als Abby, die diese Bitte selbstverständlich für einen Scherz hält, fragt wer denn bitte das Opfer sei, schiebt Marcus ein „Ich…“ hinterher. – Soweit so ungewöhnlich, doch wir bekommen danach noch etwas mehr Erklärung. Anscheinend ist Marcus das schwarze Schaf der Familie und der Zufall will es, dass mehrere Personen von seinem Ableben profitieren würden und anscheinend beim letzten Familientreffen, bei dem Abby allerdings verhindert war, hat jemand seine Chance genutzt und Onkel Marcus vergiftet. Geschwächt und mit Abby als einziger Vertrauter gibt er uns drei Aufgaben: herauszufinden, um welches Gift es sich handelt, um ein Gegengift zu wählen, herauszufinden wer der Mörder ist und letztendlich brauchen wir selbstverständlich noch Beweise. Das geschieht über Gespräche mit den Familienmitgliedern und unterliegt einem Zeitlimit, da Onkel Marcus nicht mehr viel Zeit bleibt…

Der Verlauf der Geschichte wird dabei von unseren Entscheidungen bestimmt, was sowohl die Auswahl der Personen, mit denen wir sprechen, wie auch einzelner Dialoge und Schlussfolgerungen einschließt. So ist es beispielsweise möglich, dass Onkel Marcus nicht das zeitliche segnet, der Mörder überführt wird, wir falsche Personen beschuldigen und damit dramatische Ereignisse los treten, oder wir gar nichts davon schaffen. Ein Durchgang des Spiels dauert dabei etwa 1 Stunde und gefundene Hinweise werden für weitere Durchgänge gespeichert, in denen sich auch bereits gesehene Szenen überspringen lassen, was die Spielzeit folgender Durchgänge reduziert. – Insgesamt verfügt das Spiel über sieben unterschiedliche Enden, die jeweils noch unterschieden werden können, je nachdem, ob Onkel Marcus stirbt und, ob wir die benötigten Beweise gefunden haben. Einziger Wermutstropfen ist, dass es im Grunde nur ein korrektes Ende gibt und alle anderen Enden, so vielschichtig sie auch sein mögen, einem Game Over gleichkommen. Hier wäre es noch schön gewesen, wenn das Spiel mehrere Varianten hätte, ähnlich wie beim 80er Jahre Film „Alle Mörder sind schon da“, der auf dem Brettspiel „Cluedo“ basiert. Doch das ist leider nicht der Fall.

Technisch muss man FMV-Spiele immer etwas gesondert betrachten, denn gedrehte Filmschnipsel sind eben etwas anderes, als Computergenerierte Grafiken. Die Anlage als Verhörspiel über Webchat beschränkt die Szenerie fast ausschließlich auf Gespräche unterschiedlicher Schauspieler, was mich direkt an das ähnlich angelegte „Telling Lies“ erinnert. Dabei ist das aber bei „Who pressed Mute on Uncle Marcus?“ der Pandemie geschuldet, denn die Schauspieler wurden wirklich über Webcam in ihren eigenen vier Wänden gefilmt. Die „Kulissen“ sind daher eigentlich gar keine, wirken aber dennoch stimmig zu den Charakteren, die die Schauspieler im Spiel verkörpern. Gefilmt ist das auf gutem Streaming-Niveau und es sind keinerlei Unterschiede der unterschiedlichen Webcams in Bild und Ton, was meine größte Angst war, denn so etwas stört massiv die Immersion. Die Schauspieler machen ihre Sache durchweg gut und warten auch mit ein paar bekannten Gesichtern auf. So kennt man Uncle Marcus, beziehungsweise Andy Buckley aus „The Office“, oder Al Weaver aus dem FMV-Spiel „The Complex„. Und auch der Rest des Cast kann sich sehen lassen, auch wenn sie Schauspieler größtenteils eher in kleineren britischen Filmen und Serien mitgespielt haben, was aber keineswegs eine Aussage über ihre schauspielerischen Leistungen sein soll.

Insgesamt handelt es sich bei „Who pressed Mute on Uncle Marcus?“ um ein wirklich unterhaltsames Murder Mystery, das hochwertig produziert ist und mit guten Schauspielern aufwartet. Ebenso muss man dem Spiel in sofern Respekt zollen, dass es komplett in der Pandemie produziert wurde, doch leider gibt es auch ein paar Defizite. So mag der Wiederspielwert auf den ersten Blick recht hoch wirken, doch die Variationen an sich sind eher marginal und da es nur ein „echtes“ Ende gibt auch stark limitiert. Das merkt man leider auch inhaltlich, denn egal wie viele Hinweise wir bereits für, oder gegen einen Verdächtigen gefunden haben, das wirkt sich in keinster Weise auf die Dialoge aus, wenn man mal von den Enden absieht. Und auch wenn der Twist, wer der Mörder ist, ziemlich überraschend ist, so wird es für die meisten nach 1-2 Durchgängen noch die einzig logische Konsequenz sein und dann heißt es auf Teufel komm raus Gespräche führen, bis man durch Zufall die richtigen Infos bekommt, die uns erlauben den Mörder überhaupt zu beschuldigen. Hier wäre durchaus etwas Luft nach oben bewegen, auch wenn ich dennoch nicht von der Hand weisen möchte, dass ich während meiner Zeit mit dem Spiel eine Menge Spaß hatte.
Entwickler: Wales Interactive / Good Gate Media
Publisher: Wales Interactive
Erhältlich auf: PC, PS4, Xbox One
NB@21.03.2022
——— Hinweise & Disclaimer: ———
Wenn euch der Beitrag gefallen hat würde ich mich natürlich über eure Likes, Retweets, Abos oder auch Feedback freuen. Gleiches trifft aber auch zu, wenn ich eurer Meinung nach etwas hätte besser machen können. Konstruktive Kritik hilft bekanntlich nur, wenn man sie auch bekommt, also lasst es mich einfach wissen.
Die verwendeten Bilder und/oder Screenshots wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Autor selbst erstellt und dienen zur Unterstützung des Berichtes. Das Copyright an der dargestellten Sache, bzw. dem Spiel bleibt davon selbstverständlich unberührt und verbleibt beim ursprünglichen Rechteinhaber.