Was soll man nun noch über „Der Herr der Ringe: Gollum“ sagen, was noch nicht gesagt wurde? – Denn wahrscheinlich hat mittlerweile jeder mitbekommen, dass das neueste Spiel von Daedalic, die normalerweise eher mit klassischer Adventure-Kost, wie „Edna & Harvey: The Breakout“, „Anna’s Quest“, oder der Doponia-Serie große Erfolge feiern, weit hinter den Erwartungen von Kritikern und Fans zurückgeblieben ist. Und in der Tat war der Backlash so groß, dass ich das Spiel, obwohl ich mich tierisch darauf gefreut hatte, etwas vor mir hergeschoben habe. Auch wenn ich in der jüngsten Vergangenheit mit einigen vermeintlich schlechten Spielen, wie „Forspoken“, oder „The Callisto Protocol“ mehr als positiv überrascht wurde und ich auch klassischen „schlechten“ Spielen, wie dem berüchtigten „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ einiges abgewinnen kann, so streubt man sich doch ziemlich die eigene Lebenszeit zu verschwenden, besonders wenn man noch nicht mit einem Spiel angefangen hat. Und ja, was soll ich sagen: „Der Herr der Ringe: Gollum“ hat gelinde gesagt immens viele Fehler, sowohl in Sachen Technik, aber auch in Sachen Pacing und Writing. Es nutzt noch nicht mal annähernd die Vorzüge von PS5 und Co., als Schleichspiel beworben funktionieren die Mechaniken stellenweise mehr schlecht als recht, die Ladezeiten sind unterirdisch und sieht dabei sieht das Spiel eher nach PS3, anstatt Nextgen aus. Und trotz all der Unzulänglichkeiten hat mich das Spiel dennoch überraschend gut unterhalten!

Aber fangen wir am besten ganz am Anfang an. Das Spiel rückt einen der faszinierendsten Nebencharaktere aus dem gesamten Der Herr der Ringe-Universum ins Rampenlicht und erzählt einen bisher unbekannten Abschnitt seines Lebens, irgendwann zwischen „Der Hobbit“, nachdem Bilbo ihm den Ring der Macht abgenommen hat und wenn er später in „Der Herr der Ringe“ auf die Gefährten trifft. Dabei ist der Auftakt an sich recht unspektakulär, denn auf einem seiner Streifzüge durch die Berge lässt sich Gollum von einem Käfer ablenken und wird kurzerhand von Orcs gefangen genommen, die ihn zum Sklaven in einer Mine in Mordor machen. Er schafft es zwar sich nach und nach hochzuarbeiten, bis zu einem Punkt, wo der Anführer der Sklavenkolonie, der diabolische Candle Man ihm fast blind vertraut, verliert aber sein Ziel nicht aus den Augen: Die Flucht aus der riesigen Festung, um seinen Schatz vom diebischen Bilbo Beutlin zurück zu holen… – Gerade für Fans der Reihe unterhält die Geschichte zwar und bietet auch einige interessante Easter Eggs, wirkt aber insgesamt etwas unausgegoren, zumal einige Zeitsprünge eingebaut sind, die den genauen Verlauf der Geschichte stellenweise etwas undurchsichtig erscheinen lassen.

Spielerisch ist die Geschichte von Gollum in 10 Kapitel unterteilt, die dabei unterschiedlich lang ausfallen. Es gibt einzelne Kapitel, die nur wenige Minuten dauern, andere hingegen mehrere Stunden. Neben der Hauptquest gibt es auch eine Handvoll Sammelobjekte und Nebenaufgaben, die Spielzeit verlängern. Länger als 14-15 Stunden sollte es aber nicht dauern und man hat alles gesehen, was das Spiel zu bieten hat. In Sachen Gameplay lässt sich das Spiel grob in Schleichen, Plattforming und Erkundung mit einer Handvoll Rätsel unterteilen, wobei das Schleichen eindeutig der schwächste Teil ist. In dunklen Ecken wird Gollum unmittelbar unsichtbar für alle Gegner und wenn man sich nicht so schnell bewegt werden Gegner auch nicht misstrauisch, selbst wenn uns nur Zentimeter trennen. Zur Ablenkung können wir Steine werfen und Gegner ohne Helm lassen sich lautlos ausschalten, wobei das unwahrscheinlich lange dauert und aus unerfindlichem Grund in manchen Fällen nicht auf Anhieb funktioniert. Das Steine werfen ist leider auch wenig hilfreich, da Gegner nur reagieren, wenn man bestimmte markierte Objekte mit einem Stein bewirft, sonst bleiben sie unbeeindruckt.

Die KI ist dabei schon fast nicht der Rede Wert und da man auf einen klassischen Awareness-Meter setzt und die Gegner unmittelbar von Amnesie befallen werden, wenn sie uns nicht mehr sehen, war es stellenweise einfacher einfach zu Rennen und sich dann kurz zu verstecken, anstatt einen auf Sam Fisher zu machen. Das Plattforming hingegen ist wirklich gelungen und kann grob als eine Kombination aus Uncharted und Prince of Persia bezeichnet werden. Gollum kann Klettern, Schwingen, hat einen Wallrun und ist alles in allem ein ziemlich gelenkiger Zeitgenosse. Das größte Problem ist hingegen die Kamera, die man mittendrin immer wieder arretieren muss, um nicht den Überblick zu verlieren. Das Plattforming ist oftmals auch mit der Erkundung und kleinen Rätseln kombiniert und auch hier punktet das Spiel. Die Spielwelt ist zwar nicht komplett offen, bietet uns aber immer wieder semi-offene Areale, die wir mit Gollum erkunden. Besonders gefallen haben mir dabei Rätsel, die größere Areale mit einbeziehen, wenn wir beispielsweise einen Mitstreiter von A nach B bringen müssen, ohne dass er ertrinkt, während wir über diverse Hebel das Wasser auf mehreren Ebenen regulieren.

In einigen Levels kommen sogar noch weitere Mechaniken dazu, wenn wir beispielsweise auf einer Kutsche Hindernissen ausweichen müssen, oder in einer nervenaufreibenden Verfolgungsjagd vor der Riesenspinne Kankra fliehen müssen. Es gibt jedoch auch uninspirierte Mechaniken, die meines Erachtens eher der Streckung von Spielzeit dienen, wenn wir unterschiedliche Tunnel in der Sklavenmine nach toten Arbeitern absuchen, oder Tunnels sprengen müssen. Und all das nicht einmal, sondern mehrfach und gebündelt kurz nach einander. Gäbe es nicht andere wirklich unterhaltsame und spannende Levels, hätte ich das Spiel wahrscheinlich abgebrochen.

Wie bereits erwähnt ist das Spiel technisch keineswegs auf der Höhe der Zeit. Es ist zwar auf PS5 und Xbox Series X/S, neben PC, PS4, Xbox One und Nintendo Switch erschienen, sieht aber eher nach PS3 aus. Die Texturen sind verwaschen, teilweise sehr niedrig texturiert und die Levels lassen immer wieder recycelte Versatzstücke erkennen. Am besten sehen noch die Charaktermodelle aus, auch wenn das bei Fabelwesen sehr viel besser funktioniert, als bei menschlichen Gestalten, denn da diese erst später im Spiel auftauchen ist den Entwicklern hier wahrscheinlich Zeit und Geld ausgegangen. Zwar bietet das Spiel auf der PS5 die Auswahl zwischen Framerate, Performance und Performance mit Raytracing, aber beide Performance-Modi sind unspielbar, dafür stockt und harkt es einfach zu viel. Der Framerate-Modus ist zwar auch nicht perfekt, aber läuft insgesamt noch am besten. Die Ladezeiten, was man bei der PS5 ja kaum noch kennt, sind unterirdisch und häufig. So wird nicht nur jedes neue Level geladen, sondern auch in den Levels gibt es regelmäßige Ladepausen. Und dennoch gibt es immer wieder Clipping-Fehler, verrückt spielende Charaktermodelle, Instanzen, wo man an der Level-Architektur hängen bleibt, oder komplett durch das Level fällt. Im Vergleich dazu war sogar „Cyberpunk 2077“ fast poliert zum Release…

Man fragt sich nun bestimmt, warum ich dennoch meinen Spaß mit dem Spiel hatte? – Trotz all der Fehler hat das Spiel auf jeden Fall Potential. Natürlich wurde das nur in Ansätzen genutzt, aber an den Stellen, wo es genutzt wurde, überzeugt das Spiel auf jeden Fall. So ist die Vertonung, sowohl von der musikalischen Untermalung, aber auch von der Synchronisation sehr nah an den Filmen. Eine wirkliche Empfehlung für das Spiel kann man zwar dennoch keineswegs aussprechen, aber es ist auch nicht so schlimm, wie es aktuell von vielen Seiten verteufelt wird. Wer aber nicht kategorisch bei den schlechten Kritiken das weite gesucht hat und das Universum interessant findet, kann durchaus mal einen Blick riskieren, wenn die Entwickler noch weitere Fehler ausgebaut haben und das Spiel günstig zu bekommen ist.
Entwickler: Daedalic Entertainment
Publisher: Daedalic Entertainment, Nacon
Erhältlich auf: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, Nintendo Switch
NB@14.06.2023
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