Bethesda kann es doch noch. Nach dem leider ziemlich katastrophalen „Redfall“ hatte ich persönlich etwas Angst um den Release von „Starfield“, zumal das Spiel, knapp eine Woche vor dem Release, auf der Gamescom nur als Video gezeigt wurde. Und ja, Bethesda hat das zwar gerechtfertigt, dass man das Spiel sonst nicht repräsentativ zeigen könnte, aber das ist für gewöhnlich fast so ein schlechtes Zeichen, fast so schlimm, wie wenn ein Review-Embargo auf den Tag des Releases gelegt wird. Doch, soviel kann ich schon vorweg nehmen, in den meisten Belangen wird der Hype dem Spiel eindeutig gerecht und macht kleinere Patzer im Line-up des Publishers fast vergessen.

Nach Games as a Service- und aufgedrückten Multiplayer-Experimenten macht man mit „Starfield“ im Hause Bethesda genau das, was man am besten kann: umfangreiche Singleplayer RPGs mit viel spielerischer Freiheit und dichter Narrative! Doch wohin soll die Reise gehen? – Nachdem man mit The Elder Scrolls in einer Fantasywelt und in Fallout in der Post-Apokalypse unterwegs war, greift man nun buchstäblich nach den Sternen… – Die Menschheit hat die Erde hinter sich gelassen und begonnen die Galaxie zu kolonisieren. Und so bietet das Spiel auch einen immens großen Umfang und Erfahrungen können dabei auch ziemlich weit auseinandergehen, was sich auch in teilweise konkurrierenden Bewertungen widerspiegelt.

Wir schreiben dabei das Jahr 2330 und die Menschheit ist nicht nur über die Galaxie verteilt, sondern teilweise auch verfeindet. Dabei haben sich mehrere größere Fraktionen gebildet, die untereinander um die Vorherrschaft konkurrieren. Es handelt sich unter anderem um die Starfield Freestar Collective, die Starfield United Colonies, die Starfield Crimson Fleet, und die Starfield Xenofrash Corporation, wobei es im Rahmen der Geschichte Handlungsstränge für unterschiedliche Fraktionen und Auseinandersetzungen untereinander gibt. Die klingen zwar alle recht ähnlich, aber das komplette Spektrum von treuer Regierung, Rebellen und sogar Piraten ist dabei alles vertreten.

Wir starten unser Abenteuer mit einem selbst erstellten Charakter im recht soliden Charaktereditor als kleiner Minenarbeiter für Argus Extractors und finden uns auf Kreet, einen Mond um den Planet Anselon wieder. Blöderweise sind gerade Piraten dabei den Mond einzunehmen und wir landen im Kreuzfeuer. Ähnlich wie erst kürzlich bei „Atlas Fallen“ kommen wir bei einer unserer ersten Missionen in Kontakt mit einem mysteriösen Artefakt, das die Geschichte erst so richtig zum Laufen bringt. Denn uns wird die Aufgabe auferlegt das Artefakt auf den Planeten Jemison, in die große Metropole New Atlantis City zu bringen, was jedoch nur erste Schritt auf einer Abenteuerlichen Reise als Mitglied der Geheimorganisation „The Constellation“ werden soll, in die wir durch Zufall hineingezogen werden…

Die etwa erste halbe Stunde verläuft das Spiel dabei komplett linear, öffnet sich aber im Anschluss daran direkt und uns steht im Grunde dann frei alles zu tun, weswegen es auch schwierig ist die weitere Geschichte wiederzugeben, da es hier stark auf persönliche Präferenzen und die persönliche Art zu spielen ankommt. Wie man es von anderen RPGs gewohnt ist, gliedert sich das Spiel in Haupt- und Nebenmissionen, die die eigene Spielerfahrung formen. So ist es zwar eine Möglichkeit sich zunächst ausschließlich auf die Hauptmissionen zu konzentrieren, aber viel Worldbuilding und Charakterentwicklung auf der Strecke lassen. Allerdings schalten wir im Verlauf der Geschichte auch viele Fähigkeiten und Ereignisse frei, die die Spielwelt nachhaltig verändern und auch Auswirkungen auf Nebenmissionen haben. Wahrscheinlich empfiehlt sich in diesem Fall ein gesundes Mittelmaß aus Haupt- und Nebenmissionen, um die beste Erfahrung zu bekommen und sich nicht unterlevelt in Kleinigkeiten zu verrennen, denn bei einer gigantischen offenen Spielwelt mit über 1.000 Planeten, die wir alle frei erkunden können, könnte man sich sonst schnell verloren fühlen.

Die Spielwelt ist dabei alles andere als leer, denn wir treffen bei unseren Erkundungen auf viele große und kleine Siedlungen unterschiedlicher Fraktionen und es gibt viele Anspielungen und Referenzen an die Welt der Science Fiction, wie auch generell Popkultur. So seien es Klassiker, wie „Blade Runner“, „Alien“, „Starship Troopers“, oder auch Kult Serien, wie „Westworld“ und „Firefly“, die geholfen haben die Spielwelt zu formen, ohne dabei eine simple Kopie zu sein. Und wir bestimmen direkt zu Beginn, wie wir uns als Charakter in dieser Spielwelt wiederfinden und auch wie diese auf uns reagiert. Da der Charaktereditor neben optischen Einstellungen, die rein kosmetischer Natur sind, auch Einfluss auf die Charakterwerte nehmen lässt, wie man es aus der Fallout-Reihe kennt, gleicht kein Spiel dem anderen, da es viele Variablen in der Persönlichkeit der Hauptfigur gibt.

Spielerisch ähnelt das den bereits erwähnten hauseigenen Reihen, oder auch Bioware’s „Mass Effect“ und „Obsidian’s „The Outer Worlds“, die beide herausragende Vertreter des Genres sind, erweitert das aber durch die immense Vielfalt an Möglichkeiten. So können wir nicht nur entscheiden, ob wir eher diplomatisch, oder aggressiv vorgehen, das Spiel also eher wie ein Adventure, einen Actiontitel, oder eine Kombination à la Far Cry spielen, was von der Möglichkeit zwischen 1st- und 3rd-Person-Ansicht zu wechseln weiter untermalt wird, sondern können sogar unser Raumschiff, das wir nach dem Intro zur freien Erkundung der Galaxie einsetzen können, komplett umbauen. Es gibt dabei nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, auch wenn wir schnell feststellen, dass nicht unbedingt jede Anpassung sinnvoll ist. Die meisten Schiffe werden dennoch in der Lage sein zu fliegen, aber das macht ein fallender Ziegelstein auch, zumindest zeitweise… Wir finden weitere Artefakte, führen Gespräche mit NPCs und können durch unsere Handlungen und Antworten die Beziehungen untereinander, bis zu romantischen Beziehungen, beeinflussen.

Selbstverständlich steht und fällt die Qualität eines Rollenspiels mit den Missionen und Quests. Zwar bieten diese nicht die spielerische Freiheit, wie beispielsweise die Deus Ex-Reihe, aber sie kompensieren das durch ausgereifte Kausalketten, die uns von einer zunächst simplen Angelegenheit plötzlich in längere Questreihen führt, sowie die schiere Anzahl, die sich dennoch nicht nach Copy&Paste anfühlt und jede Menge skurrile Charaktere, die das Salz in der Suppe bilden. Und da uns einige NPCs im Laufe der Zeit als Entourage begleiten und sich dabei regelmäßig, aber größtenteils komplett optional, falls das jemand nicht möchte, mit uns austauschen, fühlt sich der Verlauf der Geschichte wie eine organische Entwicklung, anstatt ein Abarbeiten von Checklisten an. Neben der Action gibt es allerdings auch Downtime, wie die Erkundung von Planeten, die Beschaffung natürlicher Ressourcen, die wiederum unter anderem zum Ausbau unseres Schiffs und Siedlungen verwendet werden können. Hier kommen wieder persönliche Präferenzen des Spielers zum Tragen, denn wo ich nach etwas über 30 Spielstunden schon recht weit mit der Story war, hat ein Freund bereits knapp 70 Stunden in das Spiel investiert und hatte nur einen Bruchteil der Story überhaupt gesehen.

Doch wo Licht ist, ist allerdings auch Schatten und zugegebenermaßen ist auch „Starfield“ keinesfalls frei von jeglichem Makel. So hatte ich bereits die Möglichkeit vor dem Day One-Patch mit dem Spiel zu beginnen und musste feststellen, dass diese Version allerdings noch einige Bugs enthielt und einige Inhalte auch erst mit dem offiziellen Launch und dem dazugehörigen Patch nachgereicht, oder aktiviert wurden. Das mag zwar für Spieler, die heute anfangen zu spielen kein Thema mehr sein, da Microsoft seine Software immer up to date hält und es gar nicht mehr möglich sein dürfte eine ungepatchte Version zu spielen, aber wenn man explizit mit einer Deluxe Edition wirbt, die gegen einen signifikanten Aufpreis mit einem Vorabzugang wirbt, dann sollte man als Spieler dennoch mit einem fertigen Spiel starten können.

Man muss hier aber sagen, dass ich keine wirklich gravierenden Fehler feststellen konnte. Das nervigste war, dass ich einmal ein Quest nicht beenden konnte, da der NPC nicht mehr da war, was aber leicht durch einen Neustart behoben war. In der momentanen Version des Spiels ist das einzig wirklich weiterhin vorherrschende Problem das Nachladenden von Texturen. Es hat sich zwar gefühlt bereits signifikant reduziert, ist aber immer noch vorherrschend und reißt mich immer wieder etwas aus der Immersion. Doch abseits davon konnte ich keine Fehler mehr entdecken, auch wenn ich zugeben muss, dass ich was sowas angeht eine recht hohe Toleranz habe.

Allerdings muss man sich durchaus mal die Frage stellen, wann eine große Spielwelt vielleicht doch zu groß ist? So gilt leider für viele der 1.000 Planeten genau das Gegenteil von den angesprochenen liebevoll designten Missionen und Questreihen: Sie bestehen aus den immer gleichen Versatzstücken und sind stellenweise fast gespenstisch leer. Wer also eine lebendige Welt à la „No Mans Sky“ erwartet hat, auch wenn die auch erst nach diversen Updates die entsprechende Qualität aufgewiesen hat, wird unter Umständen etwas enttäuscht sein. Auf dem Papier klingt die große Anzahl von Planeten erst mal toll, aber wenn man den vierten oder fünften nahezu leeren Planeten betritt, oder wie in meinem Fall, auf zwei aufeinander folgenden Planeten über eine nahezu identische Fabrik gestolpert, dann mag das vielleicht Pech sein, oder ist ein Zeichen, dass weniger manchmal mehr ist.

Und wo wir gerade bei „No Mans Sky“ sind, das für die Erkundung von unzähligen Planeten immer wieder herangezogen wird, auch wenn die Spiele, trotz einiger Parallelen, selbstverständlich in ihrer Ausrichtung sehr unterschiedlich sin: Wo man dort einfach in sein Raumschiff steigen und in eine beliebige Richtung fliegen konnte, bis man auf einem neuen Planeten landete, ist das Vorgehen bei „Starfield“ anders: Ins Schiff gehen, in den Pilotensitz krabbeln, wir sehen das Schiff in einer kurzen Cutscene abheben. Doch dann fliegen wir nicht durch den Weltraum sondern, öffnen ein Navigationssystem, in dem wir einen Planeten auswählen, sowie einen Landepunkt auswählen, um nach einem Quantensprung und einem kurzen Ladebildschirm automatisch zu landen. – Das macht man ein paar Mal, bevor man feststellt, dass man sich das fast alles sparen kann, wenn man einfach direkt zum Navigationssystem springt. Und generell ist hier freies Erkunden, wie man es auch von den hauseigenen anderen Marken kennt, ist etwas anders, denn ohne Fast Travel und Ladebildschirm reist man hier im Grunde nie. Mit Sicherheit eine bewusste Entscheidung, um die Spielwelt größer zu gestalten, aber es wirkt leider auch etwas zu restriktiv.

Zugegebenermaßen mag das eventuell etwas schlimmer klingen, als es sich in der Realität anfühlt, ebenso wie das öfters kritisierte Item Management, mit dem ich persönlich keine Probleme hatte, doch es wäre durchaus schön gewesen, wenn wir als Spieler zumindest die Wahl hätten aktiver in die Weltraumreise einzugreifen. Denn in anderen Belangen, wie den bereits erwähnten ausgefeilten Quest-Reihen, oder auch dem umfangreichen Loot- und Waffensystem, die das gelungene Gunplay, das sich vor „echten“ Shootern auf keinen Fall verstecken muss, abrunden, zeigen sehr viel Hingabe und unterhalten uns dabei. Das soll allerdings nicht bedeuten, dass wir uns nicht aktiv im Cockpit unserer Raumschiffe wiederfinden. Es gibt sogar recht viele Missionen, die komplett im Weltraum spielen und auch einige echt imposante Weltraumschlachten, bei denen wir dann doch aktiv durch das All flitzen dürfen, wenn auch in abgesteckten Bereichen. Das lässt dennoch Erinnerungen an „X-Wing“, „Cyberia“, oder auch jüngst „Star Wars Squadrons“ aufleben, wo sich auch eine abgewandelte Variante des VATS-Systems aus Fallout gibt, um gezielt einzelne Bereiche bei feindlichen Schiffen ins Visier zu nehmen.

Insgesamt ist „Starfield“, trotz kleinerer Kritikpunkte, als Erfolg und „Rückkehr“ zur Form für Bethesda zu Werten, das auch dem immer noch schwächelnden Microsoft Ökosystem zum Aufschwung verhelfen dürfte, da es eins der ersten Spiele nach dem Kauf von Bethesda ist, das nicht mehr auf der PlayStation erscheint. Wer „Starfield“ erleben möchte, muss zu einem leistungsstarken PC, oder einer Nextgen-Xbox greifen, wobei die Performance sogar auf der Xbox Series S wirklich passabel ist und eigentlich nur im direkten Vergleich etwas abfällt. Wie schon bei „Fallout 4“, dem letzten großen Rollenspiel von Bethesda, ist der Einstieg etwas gemächlicher gewählt, doch das lineare Tutorial ist entspannend kurzweilig und direkt im Anschluss steht uns im Grunde frei alles zu tun. Sowohl das Gameplay zu Fuß, wie auch die epischen Weltraumschlachten haben eine gewisse Wucht und ergänzen sich gut. Im Grunde bekommen wir genau das, was man von einem Skyrim, oder Fallout im Weltall erwartet, weswegen die kleineren Kritikpunkte, wenn auch auf jeden Fall erwähnenswert, das Erlebnis nicht schmälern. Ein befriedigendes Endgame und die Möglichkeit, ohne auf inhaltliche Details eingehen zu können, ein New Game+ zu starten sind dann noch das Sahnehäubchen. Wer eine Xbox hat sollte sich das Spiel auf jeden Fall ansehen, zumal es ohne zusätzliche Kosten im GamePass enthalten ist. Doch auch abseits davon ist das Spiel seinen Preis in Relation zum gebotenen Gesamtpaket mehr als wert. Ich bin persönlich schon sehr gespannt in wie fern sich das Spiel mit kommenden Updates und größeren DLCs noch erweitern, oder verändern wird, denn für gewöhnlich tobt man sich bei Bethesda erst mit den Updates richtig aus und schöpft inhaltlich, wie auch spielerisch die Möglichkeiten vollends aus. Wir können also gespannt sein!
Entwickler: Bethesda Game Studios
Publisher: Bethesda
Erhältlich auf: PC, Xbox Series X/S
NB@14.09.2023
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