Techland hatte es in Deutschland nie wirklich einfach, denn nachdem sie sich mit „Call of Juarez“ und dem Prequel „Call of Juarez: Bound in Blood“ einen Namen gemacht hatten, wurden ihre Spiele in Deutschland entweder gar nicht veröffentlicht, direkt auf den Index gepackt, oder erschienen nur in abgeänderter Form. Und auch wenn die Dead Island-Spiele mittlerweile ungeschnitten frei verkäuflich sind, so musste der neueste Teil der Dying Light-Reihe, die als spiritueller und weiterentwickelter Nachfolger angesehen werden kann, „Dying Light 2: Stay Human“, schon vor Release einiges an Kritik einstecken und Federn lassen. Denn so erscheint das heute offiziell herauskommende Spiel zwar dieses Mal auch in Deutschland, aber rein digital und in einer zensierten Fassung, wobei der Rest der Welt eine unzensierte Diskversion spendiert bekommt. Ich habe mir für euch beide Versionen des Spiels angesehen, die mir dankenswerterweise von Techland einige Zeit vor Release zur Verfügung gestellt wurden und berichte euch gerne ausführlich über das Spiel, die Veränderungen im Vergleich zum ersten Teil und den Unterschieden in Bezug auf die Versionen.

Eins direkt vorweg: Man muss den ersten Teil, der in Deutschland immer noch nicht offiziell erhältlich ist, nicht gespielt werden. Zwar bauen die Spiele indirekt aufeinander auf, aber die Ereignisse des ersten Teils werden lediglich am Rande referenziert und da wir mit einem komplett neuen Charakter in das Abenteuer starten, der seine eigene Agenda verfolgt und das Spielgeschehen auch nicht in den gleichen Umgebungen des Vorgängers spielt, sind Vorkenntnisse nicht notwendig, zumal sich das Spiel auch genug Zeit für Worldbuilding und die Einführung von Spielmechaniken nimmt, die sich teilweise auch drastisch vom Erstling unterscheiden. Ansatzpunkt ist eine globale Pandemie, die ähnlich, wie es bei der The Last of Us-Reihe der Fall ist, dafür sorgt, dass infizierte sich früher oder später in Monster, bzw. in diesem Fall Zombies, verwandeln. Die letzten Überlebenden verschanzen sich in wenigen verbliebenen Städten, es gründen sich unterschiedliche Fraktionen, die teilweise auch im Krieg miteinander stehen. Da die Kommunikationswege größtenteils abgerissen sind erhebt sich ein neuer Berufsstand, die Pilgrims, die ähnlich wie die Porter in „Death Stranding“ vorgehen, Nachrichten und Pakete von einer Siedlung zur anderen transportieren und dabei ihr Leben riskieren. Im Gegensatz zum eben erwähnten Spiel ist das hier allerdings nur eine Ausgangssituation unseres Protagonisten und keine inhaltliche Spielmechanik. Denn auch wenn unser Protagonist Aiden als Pilgrim arbeitet, so ist das für ihn nur Mittel zum Zweck, denn in Wahrheit ist er auf der Suche nach seiner verschollenen Schwester und einem skrupellosen Wissenschaftler, namens Waltz, der ihn als Jugendlicher für genetische Experimente missbraucht hatte…

Nach Jahren des Suchens stößt Aiden endlich auf eine heiße Spur, die ihn in eine riesige Stadt namens Villedor verschlägt, die aus Versatzstücken unterschiedlicher westlicher Metropolen zusammengesetzt ist. Denn nachdem man im Erstling lediglich die im Vergleich recht kompakte fiktive türkische Stadt Harran erkunden konnte, gibt es hier unglaublich viel zu entdecken, die gesamte Stadt ist, lauf Aussage der Entwickler, mehr als 4 Mal so groß, wie alle Gebiete des ersten Teils, was auch die Gebiete des DLCs miteinschließt und erinnert stellenweise an Berlin, Paris, London, oder auch Amsterdam. Das beachtliche ist allerdings nicht die reine Größe, sondern viel mehr die Abwechslung, die dadurch geschaffen wird und zu keiner Zeit erweckt das Spiel dabei den Eindruck aus zu viel Füller zu bestehen. – Ganz im Gegenteil, denn wie für ein RPG üblich, das „Dying Light 2: Stay Human“, trotz der starken Actionkomponente noch am besten klassifiziert, gibt es an jeder Ecke etwas zu entdecken. Seien es optionale Nebenmissionen, Random-Encounters mit gegnerischen Fraktionen, oder Überlebenden, oder auch einfach „nur“ tragische Geschichten von einer sterbenden Gesellschaft, die durch clever platzierte Gegenstände und Hinterlassenschaften erzählt wird.

Jedoch muss man sich oft die Zeit nehmen diese Geschichten überhaupt mitzubekommen, denn die Actionkomponente ist ziemlich stark ausgeprägt und mixt Erkundung mit Parcours-Elementen und einem ausgefeilten Kampfsystem, das sich dieses Mal fast ausschließlich auf den Nahkampf konzentriert, da Schuss- und Fernwaffen überaus rar gesät sind. So ist jeder Kampf zwangsläufig auch mit einem höheren Risiko verbunden, da man sich nicht in sicherer Distanz aufhalten kann, was auch das Ziel der Entwickler ist. Schön ist dabei, dass man die Bewegungs- und Kampffähigkeit des Hauptcharakters gleichermaßen angepasst hat, denn fühlte sich der Nahkampf im Erstling stellenweise noch etwas hölzern an, kommt hier ein richtiges Gefühl von „Flow“ auf, wenn wir per Knopfdruck nach links, oder rechts ausweichen, Angriffe gekonnt parieren, oder über Gegner springen und den gewonnen Schwung verwenden, um einen anderen Gegner mit einem gekonnten Tritt von Hochhaus zu befördern. Die Kampftechniken werden dabei mit Aiden’s normalen Bewegungsmustern und Parcours-Fähigkeiten kombiniert, die maßgeblich bei der Erkundung und einem Großteil der Rätsel Einsatz finden. Denn Aiden ist nicht nur flink wie eine Gazelle, sondern springt auch gekonnt von Dach zu Dach, balanciert auf engen Behelfswegen und rennt sogar an Wänden entlang. Dabei steigen sowohl seine Parcours-, wie auch die Kampffähigkeiten mit der Zeit und lassen sich über verdiente XP in einem Skilltree weiter verfeinern und ausbauen.

Besonders wichtig sind die Fähigkeiten in der Nacht, denn im Gegensatz zum ersten Teil, wo man den größten Teil der Nachsequenzen, die mit stärkeren und neuen Gegnern aufwarten, überspringen konnte, zwingt uns das Spiel öfters nachts raus und hält dabei ganz neue Gemeinheiten für uns bereit. Denn neben dem Tag-Nachtwechsel, der sich an der Spielzeit orientiert, gibt es auch Missionen, die ausschließlich tagsüber, oder eben nachts stattfinden und mitunter entweder erfordern zu warten, oder durch rasten kurzer Wartezeiten zu überspringen. Nachts sind die Gegner nicht nur aggressiver und abwechslungsreicher, sondern wir bekommen es auch mit ganzen Horden zu tun, die uns, sofern wir entdeckt wurden, unerbittlich beginnen zu verfolgen. Das kann nicht nur sehr aufregend sein, sondern belohnt gleichermaßen auch das bedachte Vorgehen, denn jetzt können wir auch schleichend vorangehen und Gegner unentdeckt ausschalten, ohne gleiche alle Gegner in Reichweite zu alarmieren. So liegt es am Spieler selbst, wie wir am besten vorgehen, denn viele Wege führen bekanntlich nach Rom… – Die Gegnervarianz wurde umfangreich erweitert, denn neben unterschiedlichen menschlichen Gegnergruppen gibt es auch mehr Vielfalt bei den Zombies, die neben den klassischen Schleichern und den größeren Mutanten, die man aus dem ersten Teil schon kennt und jeweils in unterschiedlichen Formen vorkommen, nun auch die agilen Virals und die Howlers beinhalten, die man beide im Spielverlauf lieben und hassen zugleich lernt. Denn Virals sind kürzlich erst verwandelte Menschen, die unglaublich agil unterwegs sind, auf uns zu rennen, an Wände springen und eine ganze Menge einstecken können und die Howlers sind die Späher von größeren Horden, die nachts patrouillieren und einen Mark-erschütternden Schrei loslassen, wenn sie uns erblicken, um alle Zombies in der Nähe auf unsere Fährte zu führen.

Lediglich eine Mechanik des zweiten Teils, bzw. ein Element, das dabei weggelassen wurde, haben mir nicht so gut gefallen und das ist der Umgang mit gefundenen Waffen. Ganz RPG haben Waffen nämlich nicht nur unterschiedliche Statistiken für Angriff und Verteidigung, sondern sind auch in ihrer Verwendung begrenzt und damit endlich. So haben Messer, Baseballschläger, und co nur eine gewisse Einsatzdauer und diesen danach nur noch als Briefbeschwerer. Im ersten Teil war das zwar auch schon so, doch man konnte die Waffen wieder reparieren, sofern man genug Ressourcen mit sich führte und das fehlt beim zweiten Teil leider komplett. So ging es mir recht früh im Spiel, nach den ersten Missionen, die mehr als Tutorial fungieren und nachdem sich dann die Spielwelt komplett öffnet, öfters so, dass meine Waffen in den ungünstigsten Momenten zu Bruch gingen und ich dadurch auf verlorenem Posten kämpfe und erst mal den Rückzug antreten musste, um eine neue Waffe zu finden, die nicht die Effektivität einer Pfauenfeder hatte. Denn spaßig das Kampfsystem auch sein mag, anfangs fehlen einfach die richtigen Fähigkeiten, um es mit größeren Gruppen von Gegnern aufzunehmen, wenn man unzureichend bewaffnet ist. Später revidiert sich das zwar, da wir uns recht schnell vom Lauch zum Held mausern und auch genug Waffen im Inventar ansammeln, aber gerade am Anfang stört das, wenn man sich mit einer Waffe angefreundet hat und diese dann zu Bruch geht.

In Sachen Bugs hat Techland in den letzten Tagen vor Release durch besorgniserregende Tweets von sich reden gemacht, wo man darauf hinwies, dass man unbedingt auf den Day-One-Patch warten soll, wenn man das Spiel spielen möchte, auch wenn man es vielleicht, schon vorab bekommen hat. Und da ich das Spiel bereits einige Zeit vor diesem besagten Patch gespielt habe, kann ich durchaus Entwarnung geben, falls jemand ein Debakel, wie „Cyberpunk 2077“ erwarten sollte. Denn auch wenn die Vorabversion noch mit ein paar Fehlern daherkam, wie Ausfallen des Dialoges innerhalb einer Cutscene, oder einem Fall, wo eine Mission nicht beendet werden konnte, da ich mit einem NPC nicht sprechen konnte, da die Einblendung der Aktion nicht erschien, war nichts dabei, was dauerhaft anhielt und nicht nach einem Laden des letzten Checkpoints behoben war. Derartige Fehler sind keine Seltenheit in Open Word-Spielen und befanden sich bereits in einer Liste von bekannten und potentiellen Bugs, des Entwicklers, die mit dem Day-One-Patch ausgebaut werden sollten.

So kann ich zwar der Empfehlung durchaus zustimmen, dass man generell immer alle aktuellen Patches für ein Spiel laden sollte, aber kann hoffentlich gleichzeitig dem ein oder anderen die Angst nehmen, was diese Tweets angeht. Denn zugegebenermaßen sieht das Spiel, besonders auf den Nextgen-Konsolen, wirklich toll aus, was sich sowohl in der Beleuchtung, den Charakteranimationen, aber auch der allgemeinen Detailtiefe zeigt. Zwar kommt das Spiel nicht gänzlich ohne (erkennbare) Ladezeiten aus, aber diese sind kurz genug, um nicht weiter ins Gewicht zu fallen. Auf PS5 und Xbox Series X stehen unterschiedliche Einstellungen zur Verfügung, die Entweder Auflösungen, die entweder Performance, oder Grafik priorisieren und wahlweise auch Ray-Tracing-Effekte erlauben. Im Performance-Modus läuft das Spiel daher mit soliden 60fps, bei einer variablen Auflösung und wer die volle Grafikpracht haben möchte muss an der ein oder anderen Stellen mit Einbußen in Sachen Framerate leben. Lediglich auf der Lastgen muss man merklich mit Abstrichen leben, da dort maximal 30fps drin sind, auch wenn das Spiel immer noch spielbar ist, was mich in Bezug auf die Grafik und den Umfang wirklich etwas gewundert hat.

Aber kommen wir mal zum eingefleischten, denn gerade deutsche Leser wird wahrscheinlich das Thema „Zensur“ interessieren. Und ja, Deutschland bekommt mal wieder eine abgeänderte Version des Spiels, doch auch wenn das heutzutage nur noch selten vorkommt, so sind die Änderungen auch dezent. Es gibt konkret zwei Änderungen: Man kann keine unbeteiligten NPCs mehr töten und das Abbrennen von Gliedmaßen und Köpfen funktioniert nur noch bei Zombies und nicht mehr bei menschlichen Gegnern. In Anbetracht wie viel Blut und Gore das Spiel bietet ist das wirklich ein verhältnismäßig Cut, der mitunter gar nicht auffällt, wenn man nicht explizit darauf achtet. Jedoch muss in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden, dass die Version des Spiels auch einen Einfluss auf den Co-Op-Modus hat. Denn das komplette Spiel lässt sich auch als Squad mit bis zu 3 Mitspielern spielen, die allerdings von der gleichen Version starten müssen. Das heißt konkret, wenn jemand die deutsche Version hat, kann er nur mit Leuten zusammenspielen, die ebenfalls die deutsche Version haben, umgekehrt selbstverständlich genauso. Techland hat zwar durchblicken lassen, dass man diese Einschränkung ggf. noch einmal überdenkt und vielleicht doch einen Weg zum Versionen übergreifenden Co-Op per Patch nachreicht, die finale Entscheidung ist diesbezüglich aber noch nicht gefallen.

Insgesamt hatte ich mit „Dying Light 2: Stay Human“ wirklich eine Menge Spaß, die Veränderungen im Vergleich zum Vorgänger sind nahezu alle zum Besseren, die riesige Spielwelt bietet, auch abseits der Hauptstory, eine Menge zu entdecken und die Implementierung von unterschiedlichen Entscheidungen im Spiel, die an Fallout, oder Mass Effect erinnern, eröffnen unterschiedliche Spielpfade und stärken damit auch den Wiederspielwert. Ebenfalls hat mir das verfeinerte Parcours-System gefallen, an dem sogar Parcours-Begründer David Belle, der es als Hakan auch ins Spiel geschafft hat, als Berater mitgearbeitet hat, um es so realistisch wie möglich zu gestalten. Die Geschichte ist dieses Mal auch nicht nur Mittel zum Zweck, sondern ist ebenfalls ein Augenmerk der Entwickler gewesen und wartet mit einigen überraschenden Wendungen und durchaus schockierenden Überraschungen auf, auch wenn das Finale leider etwas an Fahrt verliert, was aber auch daran liegen kann, dass Techland noch einige Erweiterungen nachliefern möchte und die Geschichte dadurch unter Umständen noch nicht ganz abgeschlossen ist. Aber auch mit diesem kleinen Makel ist das Spiel wirklich sehr unterhaltsam geworden, bietet eine Menge zu tun und hat mich die knapp 18 Stunden, die ich für den Abschluss der Hauptquest gebraucht habe, wirklich gut unterhalten. Selbstverständlich gibt es auch danach, selbst ohne die DLCs, die erst in den kommenden Monaten erscheinen werden, eine Menge zu tun. Die Entwickler haben hierzu eine Spielzeit von 500 Stunden angegeben, um alles abzuschließen, was ich allerdings als übertrieben einschätze, selbst wenn man unterschiedliche Durchläufe auf Grund der alternativen Entscheidungspfade mit einfließen lässt. Ich würde vermuten, dass Komplettisten grob zwischen 60-80 Stunden brauchen, was sich selbstverständlich mit den DLCs, die voraussichtlich auch neue Stadtgebiete eröffnen werden, stark verlängern kann. Unabhängig, ob man zur deutschen, oder der internationalen Version greift sollte man allerdings berücksichtigen, dass das Spiel einen hohen Gewaltgrad aufweist, damit auch keineswegs in Kinderhände gehört und nicht jedem Spieler gefallen wird. Wer allerdings schon mit dem Erstling, oder ähnlichen Spielen Spaß hatte, wird mit „Dying Light 2: Stay Human“ wirklich seine Freude haben.
Entwickler: Techland
Publisher: Techland
Erhältlich auf: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, Nintendo Switch (wird im Laufe des Jahres veröffentlicht)
NB@04.02.2022
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Meine Version ist zwar noch unterwegs, klingt aber richtig geilo
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