PS4 Review „Ghost of Tsushima“ #GhostOfTsushima

Seit Jahren wünschen sich die Fans der Assassin’s Creed-Reihe nichts sehnlicher als einen Ableger der Reihe, der im feudalen Japan spielt, nur um immer wieder enttäuscht zu werden, wenn es mit jeder Neuankündigung doch wieder nicht das Setting ist. Ähnliches kann man auch vom Spielprinzip behaupten, denn auch wenn die RPG-Einflüsse der Serie neues Leben eingehaucht hatten, so wünschen sich viele Spieler, so wie ich auch, weniger RPG und mehr klassisches Assassin’s Creed. Denn auch wenn „Odyssey“ von seiner Spielwelt und Anzahl von Haupt- und Nebenmissionen alles bisher da gewesene weit in den Schatten stellt, so brachte das Spiel auch eine gewisse Hingabe zum RPG-Genre mit sich. Man musste sich darauf einstellen, dass man zwischen den Missionen viel Zeit mit (belanglosen) Nebenaufgaben vertun musste, um die für die nächsten Missionen erforderlichen Charakter- und Ausrüstungsstufen zu erreichen, wobei logischerweise der Spielspass leidet. Allerdings wurde diese Lücke von beiden Fan-Erwartungen nun durch ein anderes Spiel gefüllt, das gerade exklusiv auf Sony’s PS4 erschienen ist: „Ghost of Tsushima“ von Sucker Punch Productions. Um herauszufinden, ob das Spiel dabei den hohen Erwartungen gerecht wird, wurde mir dankenswerter Weise von Sony ein Code für das Spiel zur Verfügung gestellt. Einen Einfluss hat dieser Umstand allerdings nicht auf meine Bewertung.

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Interessanter Weise stammt das Spiel von keinem japanischen, sondern einem amerikanischen Entwicklerstudio, denn es wurde von Sucker Punch Productions entwickelt, die 2011 von Sony aufgekauft wurden und seitdem exklusiv für PlayStation entwickeln. Zu ihren vorherigen Werken zählen unter anderem die Infamous– und die Sly Cooper-Reihe, die ich beide sehr schätze, auch wenn diese wahrscheinlich nicht weiter vom feudalen Japan und einer düsteren Geschichte um Samurais entfernt sein könnten, was man dem Spiel aber zu keiner Weise anmerkt. Ganz im Gegenteil, denn die Entwickler scheinen ihre Hausaufgaben gemacht zu haben und lassen die Handlung und Schauplätze, obgleich rein fiktiv, überraschend authentisch wirken. Die Geschichte ist 1274 zur Zeit der Mongolischen Invasion nach Japan angesiedelt. Diese begann mit der Insel Tsushima, die den Ort unserer Handlung darstellt, während wir als junger und teilweise übermütiger Samurai Jin Sakai hautnah miterleben müssen, wie die Samurai geschlagen werden und die Insel fällt. Die Samurai sind der Übermacht nicht gewachsen, was auch teilweise ein einschränkenden Code der Samurai um Ehre liegt, dem die Invasoren nicht gehorchen. Jin wird als tot geglaubt zurückgelassen während die mongolische Armee um den charismatischen Kothun Khan, seinen Onkel verschleppt und beginnt die gesamte Insel einzunehmen.

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Zwar steht Jin wenig später schon wieder aufrecht und kann sich mit Hilfe einer neuen Verbündeten, die ihn gesundgepflegt hat sogar zu, Hauptquartier von Khan vorkämpfen, unterliegt diesem aber im Kampf. Weder seine Kräfte noch seine Fähigkeiten sind ausreichend, um sich mit derart übermächtigen Gegnern zu messen. Es wird viel Training und Verbündete brauchen, um sich gegen Khan behaupten zu können. Und gleichzeitig muss Jin sich die Frage stellen, ob es in einer derartigen Ausnahmesituation nicht angebracht wäre den Samurai-Code zu brechen. – So ist dieser innere Konflikt im Zentrum der Handlung, die Jin, der auf Grund seiner noblen Geburt zum Samurai wurde, zur einzigen Hoffnung für die Bevölkerung als der Titel-gebende Ghost of Tsushima werden lässt, auch wenn er das selbst immer wieder in Frage stellt, auch wenn der Zweck bekanntlich die Mittel heiligt…

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Von der Formel und der allgemeinen Dramaturgie her ähnelt das bis ins kleinste Detail einer Assassin’s Creed-Geschichte und auch die offene Spielwelt, die sich über unterschiedliche Regionen der Insel Tsushima erstreckt, wirkt stellenweise wie eine Blaupause der bekannten Ubisoft-Formel mit ihren Haupt- und Nebenmissionen, zufälligen Ereignissen, wie Gegnergruppen, die selbstständig durch die Landschaft ziehen und Sammelobjekten en Mass, die aber wenigstens auch einen spielerischen Nutzen mit sich bringen und nicht (nur) zum Selbstzweck existieren. So finden wir heiße Quellen, in denen wir Baden können, um unsere Energie nicht nur aufzufüllen, sondern auch dauerhaft zu steigern, oder Schreine, die jeweils frei-auszurüstende Perks für uns bereithalten. So hat die Sammelei wenigstens noch einen Sinn, auch wenn es für meinen Geschmack dennoch etwas viel „Sammelzeug“ gibt, um die Spielwelt zu füllen, die es im Grunde aber gar nicht nötig hat gefüllt zu werden, da es allein durch die Landschaft und die vielen Details wirklich viel zu entdecken gibt, was wir entweder zu Fuß oder zu Pferd tun können. Das ähnelt insgesamt etwas der Red Dead Redemption-Reihe, unterscheidet sich aber auf Grund der komplett anderen Flora und Fauna in Japan ungemein.

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Die Insel Tsushima ist eindeutig der heimliche Hauptdarsteller des Spiels, denn so wunderschön und abwechslungsreich war bisher im Grunde noch kein Schauplatz für ein Spiel. Im einen Moment reiten wir noch durch blühende Felder, um am nächsten Moment in einem dichten Wald mit Kirchbäumen zu stehen und uns wenig später am Fuß eines Berges wiederzufinden, auf dem eine majestätische Festung steht. Dabei verfügt das Spiel sowohl über einen dynamischen Tag- und Nacht-, wie auch Wetterwechsel, was stellenweise mit überaus beeindruckenden Licht- und Schatten-. sowie Partikel-Effekten aufwartet. Lediglich die Hauptmissionen sind an bestimmte Tageszeiten und Wetter gebunden, doch bei feindlichen Camps abseits der Hauptmissionen haben wir daher die Wahl, ob wir tagsüber angreifen, wenn weniger Gegner im Camp sind, oder ob wir uns im Schutz der Dunkelheit rein schleichen, wenn aber generell mehr Gegner da sind. Weiter haben wir die Wahl, ob frontal angreifen, oder unsere Gegner schleichend ausschalten, was ebenfalls ein paar Tricks von den Assassinen entleiht. So vermisst man bei Jin zwar eine versteckte Klinge, aber dafür „schnätzelt“ sich Jin mit seinem Katana durch die Gegner und kann im späteren Spielverlauf sogar bis zu drei Gegner gleichzeitig unentdeckt ausschalten, wenn diese nah genug bei einander sind und Mechaniken mit unterschiedlichen Charakterlevels, die dafür sorgen, dass ein solcher Angriff nicht tödlich ist, gibt es bei „Ghost of Tsushima“ auch nicht. Jeder „Hidden Takedown“, sowie Kopfschuss mit dem Bogen ist direkt tödlich, so wie es auch sein sollte.

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Doch auch das normale Kampfsystem kann sich wirklich sehen lassen. So verfügt Jin über den Spielverlauf nicht nur über vier verschiedene Grundstellungen, die ähnlich wie bei „Nioh 2“ mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen daherkommen, sich also für unterschiedliche Gegner eignen und auch im Kampf jederzeit umgeschaltet werden können, sondern erlernt auch noch Sonderattacken und kann seine Waffen und Rüstungen sowohl optisch anpassen, wie auch verbessern. Er verfügt über einen leichten und einen schweren Angriff, die sich auch zu Combos verketten lassen, kann Kontern und Parieren, bekommt im Spielverlauf unterschiedliche Bögen als Fernwaffe und kleine Helfer, wie Kunais (japanische Wurfmesser), Rauchbomben und sogar Feuerwerkskörper, die sich zum Ablenken von Gegnern eignen, dazu. Insgesamt erinnert das Kampfsystem dabei an eine Mischung aus klassischem Assassin’s Creed, gepaart mit „Sekiro: Shadows Die Twice“ und durch die Gadgets einer Prise Arkham. Es ist leicht zu erlernen und bietet dennoch einiges an Tiefgang für die Spieler, die gerne tiefer einsteigen möchten, ohne die eine oder andere Seite der Spieler dabei zu über-, oder unterfordern. Einzig die Kamera hat in machen Kämpfen ihre Probleme mitzuhalten, wenn man sich gegen mehrere Gegner versucht zu behaupten und dann dennoch aus dem toten Winkel einen Treffer einsteckt, zumal es kein Lock-on auf Gegner gibt. Aber das ist an sich durchaus zu verschmerzen, zumal man sich mit der Zeit damit arrangiert und darauf einstellt. Die Kämpfe und dabei besonders die Boss-Kämpfe von denen es auch einige im Spiel gibt, haben alle Gewicht und fühlen sich gut an, wenn wir uns als Samurai gegen eine ganze Horde von Gegnern behaupten und danach als einiger übrig bleiben.

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Abseits von der kleinen Kritik an der Kamera während den Kämpfen gibt es von der technischen Seite am Spiel im Grunde nichts zu meckern: Die Ladezeiten sind kurz und innerhalb der Welt gibt es keine Unterbrechungen, sofern man nicht die Schnellreise verwendet. Dann wird kurz nachgeladen. Neben einer hochwertigen deutschen und englischen Synchro kann man das Spiel auch wahlweise auf Japanisch mit Untertiteln spielen, oder die Fan Liebe sogar noch mit dem ikonischen „Kurosawa-Modus“ die Krone aufsetzen. Denn dann wechselt das Spiel in einen Schwarz-Weiß-Modus und fügt erkennbare Bildstörungen hinzu, damit das Bild annähernd so aussieht, als wäre es aus einem klassischen Samurai-Film von Akira Kurosawa, was aber eher ein Gimmick darstellt, da man sich sonst viel der Schönheit der Spielwelt beraubt und in einigen Missionen sogar anhand von Farben, wie blauen Blumen geleitet wird, was man dann leider nicht erkennt. Doch auch ohne den Modus wechselt das Spiel immer wieder in sehr cineastische Einstellungen und besticht durch einige wunderbare Kompositionen. Aus diesem Grund versucht das Spiel auch weitestgehend auf störende Huds und Missionsmarker zu verzichten. Es gibt zwar ein Mini Hud, das unsere Energie und Sonderkräfte, die man entweder für Spezialattacken oder Energie einsetzen kann, doch Missionsmarker sucht man vergebens. Stattdessen kommt Wind zum Einsatz, der immer in die Richtung zieht, wo unser nächstes Ziel ist. Über das Touchpad kann man diesen im Bedarfsfall auch nochmal stärker werden lassen, damit man mehr Übersicht bekommt.

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Auch wenn ich bis die Credits über den Bildschirm geflimmert sind um die 40 Stunden Spielzeit auf der Uhr hatte, so hat es sich während dem Spielen überhaupt nicht so lang angefühlt. Durch das unaufdringliche Missionsdesign und viele zufällige Ereignisse und Gebiete im Spiel, die man rein nebenbei „findet“ entsteht ein sehr kurzweiliges Spielgefühl und auch nach dem „Ende“ gibt es immer noch genug in der Spielwelt zu tun, ohne dass es langweilig wird. Auch wenn die Geschichte anfangs recht überschaubar wirken mag, hält diese dennoch ein paar interessante und unvorhersehbare Wendungen bereit, die ich selbstverständlich nicht spoilern möchte. Insgesamt hat das Spiel wirklich Spaß gemacht und ist im Prinzip genau das Spiel, was sich Assassin’s Creed-Fans seit Jahren wünschen, nur dass jetzt eben nicht vom französischen Publisher, sondern Sony kommt. Die Spielwelt ist wunderschön, das Kampsystem ist ein- und leichtgängig, ohne dabei zu leicht zu sein und das Spiel hat mich sehr gut unterhalten, obwohl ich anfangs die Befürchtung hatte, dass durch die Open World-Ausrichtung in Gänze zu wenig Fleisch am Knochen sein könnte, was bei vielen Open World-Spielen eine Gefahr ist und weswegen ich meist komprimiertere Erlebnisse bevorzuge. Doch diese Befürchtung hat sich in keiner Weise bewahrheitet und es handelt sich bei „Ghost of Tsushima“ nicht nur um das wahrscheinlich letzte große Exklusivspiel für die PS4, sondern auch gleichzeitig eins der Besten!

Entwickler: Sucker Punch Productions

Publisher: Sony Interactive Entertainment

Erhältlich auf: PS4

NB@24.07.2020

——— Hinweise & Disclaimer: ———

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8 Kommentare

  1. Tolles Review. Das Spiel ist ein Pflichtkauf, sogar ohne Japan/Samurai-Fan sein zu müssen. Und für die hat man ja echt an alles gedacht (Stichwort Kurosawa und vom Winde verwehte Blütenblätter – mehr Japan-Film Ästhetik geht nicht). Da muss man echt nicht mehr drüber nachdenken…

    Und zur Kamera, ich kann mich eigentlich an kein Spiel erinnern, wo die Kamera in den Himmel und als perfekt gelobt wurde. Selbst bei den meisten AAA kackt die an hektischen unübersichtlichen Stellen immer wieder ab. Das wird diese Generation nix mehr. Mal schauen was die neue bringt 😉

    Also keine Probleme und kaufen? Jein, leider ist der Begriff gefallen um das Spiel immer wieder gefallen, den ich und viele andere nicht mehr hören können: Open World.

    Ja, Open World ist toll. Doch! Ehrlich. War das nicht damals als junge Zocker unser aller Traum? Aber wieviel denn noch? Als berufstätiger Familienvater schwindet meine aktive Gaming Zeit mehr und mehr. Ich hänge jetzt(!) noch an AC Odyssey. Seit anderthalb Jahren. Weil natürlich zwischendurch auch was anderes gezockt wird, damit man mal was neues sieht, klar.

    Griechische Geschichte und Mythen und das in einer riesigen schön dargestellten und bespielbaren Welt? Als Assassins Creed? Ein Traum wurde wahr. Und heute? Ich habe letzten Sonntag mal nen halben Tag gehabt und nur gezockt. Bin storytechnisch weiter gekommen und viele verschiedene Inseln bereist. Ein paar Nebenmissionen nebenbei erfüllt. Aber gefühlt habe ich mich nachmittags gefragt was ich da gemacht habe. Das Spiel ist toll und inhaltlich der Hammer. Aber irgendwann wird alles so monoton. Alle griechischen Inseln sehen ja auch noch so gut wie gleich aus. Im Prinzip habe ich für ein paar Stunden immer wieder das gleiche gemacht und gesehen. Und ich befürchte einfach stark, dass es hier genauso aussieht – irgendwann! Wenn die Landschaft halt nicht mehr so schickt und der xte Samurai Spruch auch auf Japanisch nicht mehr so kickt. Versteh mich nicht falsch. Ich will da keinem die Schuld geben. Weder Entwicklern noch publishern. Es sind tolle Spiele und ich mag dir auch ernsthaft glauben, dass es nicht so zäh und massiv gefühlt rüberkommt. Aber Ich frag mich halt nur, wann man das alles noch zu Ende bringen soll bzw. hoffe ich ehrlich gesagt insgeheim, dass bald mit dem Open World-Trend Schluss ist und wir wieder mehr Architektur ala God of War bekommen. Meiner Meinung nach in allen Punkten das bisher allerbeste Spiel auf der current gen. Insofern hoffe ich noch, dass deine Aussage am Schluss nicht ganz stimmt und Sony uns noch mit ner GoW2 Ankündigung beglückt!

    Verdammt, ja, was hab ich nicht von einem AC in Japan geschwärmt und geträumt. Geb ich ehrlich zu. Das war aber noch vor ac origins, rdr2, odyssey, und wie sie alle heissen. Jetzt wo es da ist wünsche ich mir eher ein GoW in Japan!! 😅 Und ich mag gar nicht an Cyberpunk denken. Total gehypt bin ich, schon jetzt, aber wieder so ne riesige Welt?

    So, jetzt ist hier doch noch soviel Input entstanden. Sorry, sollten nur meine 2 Cents werden 😉
    Alles in allem aber ein sehr schönes Review, dass eigentlich Lust auf mehr macht!

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